Autobiographisches Schreiben
So erging es Cristina Dungiaciu in ihrer Kindheit

Cristina Dungiaciu berichtet von ihren Kindheitserinnerungen, die sie sehr geprägt haben.
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Im Rahmen von "StoP - Stadtteile ohne Partnergewalt" widmet sich aktuell in der Frauenberatungsstelle Leibnitz eine Gruppe dem "Autobiographischen Schreiben".  Cristina Dungiaciu berichtet von ihren Kindheitserinnerungen, die sie sehr geprägt haben.

LEIBNITZ. Cristina Dungiaciu schreibt: Schon sehr früh, ab einem Alter von ungefähr drei Jahren, wurde mir regelmäßig gesagt, dass ich zu klein für alles sei. Ich durfte nicht zum Schwimmkurs, nicht die Sachen meines Bruders anfassen und schließlich: "Du bist zu klein, um mit uns nach Österreich zu kommen." Um mich irgendwie zu trösten, kauften meine Eltern mir eben auch eine Schwimmbrille.

Cristina Dungiaciu wohnt in Straß. | Foto: Verein freiraum
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Mein Bruder war in Rumänien ein Jungpionier und ein ausgezeichneter Schüler. Er war vorbildlich und angepasst. Es hieß, ich solle so sein wie er.
Stattdessen holte ich mein Huhn namens "Koko" ins Haus, wenn die Eltern zur Arbeit gingen. Ich legte die verbotenen Elvis-Presley-Platten auf, tanzte stehend am Fensterbrett, schminkte mich mit Mamas Make-up, störte meinen Bruder bei den Schulaufgaben und schimpfte über den Präsidenten, bis Großmutter vor Angst weinte. Im Fotoalbum sah man auf allen Firmenfotos das Porträt des Präsidenten. Ich kritzelte es mit dem Kugelschreiber weg.
Mein Bruder wurde oft bestraft, wenn er es nicht schaffte, auf mich aufzupassen.

Weil ich den Buchstaben "R" nicht aussprechen konnte, versuchte meine Mutter verzweifelt, mit einem kleinen Löffel, meine Zunge in Position zu bringen und schimpfte mit mir, bis ich weinen musste. Als ich es später endlich konnte, brachte Großmutter mich auf meinen Wunsch, zu allen Verwandten und Bekannten, um meinen Erfolg zu beweisen.

Für das Fest im Kindergarten, zum Nationalfeiertag, hatte ich alle Gedichte und Lieder gelernt. Leider konnte ich die Wochentage nicht so gut und kam zum Fest ohne Uniform. Während der Veranstaltung musste ich alleine auf einer Bank abseits sitzen und durfte nicht teilnehmen. Damals dachte ich, dass der Geheimdienst mich holen würde, doch darüber gesprochen habe ich bisher nie, denn wir durften keinesfalls über Politik oder Religion reden.

Den Erwartungen meiner Familie entsprechend war meine Rolle die, einer Vorzugsschülerin. Meine Eltern wollten stolz auf mich sein. In gehobenen Kreisen sollte ich durch meine Leistungen und meine Bildung glänzen. Stattdessen aber waren meine Noten nur mittelmäßig und die Anpassungsstörungen, die mein leistungsorientiertes Perfektionsstreben immer noch verursacht, begleiten mich bis heute.

Cristina Dungiaciu über sich

Ich bin 38 Jahre alt und wohne in Straß. Als ehemalige Pflegeassistentin habe ich die Diplomausbildungen zur Lebens- und Sozialberaterin, zur Fachtrainerin der Erwachsenenbildung und zur DaF-Trainerin absolviert.

"Ich schreibe in der StoP-Gruppe Autobiographisches Schreiben und teile meine Geschichte öffentlich, damit unsere männerdominierte und leistungsorientierte Gesellschaft sich zum Positiven verändern kann."
Cristina Dungiaciu

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