120. Geburtstag des Weltenlehrers Jiddu Krishnamurti

Der junge Jiddu Krishnamurti um 1904 mit seinem jüngeren Bruder Nitya in Adyar, Indien. | Foto: Krishnamurti Foundation
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  • Der junge Jiddu Krishnamurti um 1904 mit seinem jüngeren Bruder Nitya in Adyar, Indien.
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Im Mai 2015 jährte sich der Geburtstag des Philosophen und religiösen Lehrers Jiddu Krishnamurti zum 120. Male. Für viele war er der 'Messias', der kommen würde, um die Welt von ihrem Leid zu erretten. Ihm selbst war es nie wichtig gewesen, wer oder was er sei, sondern nur die Befreiung des Menschen von seiner Bürde der Angst, die ihre Wurzel im menschlichen Verstand hat und das Erblühen der Liebe verhindert. Ein Verstand, dessen Denken durch die jahrtausendelange Einwirkung von Religionen und Kulturen konditioniert und programmiert wurde.
Die Aktualität der Lehren Krishnamurtis in der heutigen modernen Zeit zeugt von der Qualität des Geistes dieses liebevollen, schönen Menschen.

Seine Kindheit und Ausbildung

Jiddu Krishnamurti war das 8. Kind einer indischen Brahmanenfamilie. Bereits mit 9 Jahren wurde der junge Krishnamurti 1904 von C. W. Leadbeater beim Spielen am Strand von Adyar in Indien entdeckt. Leadbeater gehörte der 1875 gegründeten Theosophischen Gesellschaft an, die das Ankommen des 'Messias' prophezeihte und diesen in Krishnamurti wiedererkannt haben mag. Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder Nitya machte K. - wie er sich später gerne selbst bezeichnete - auf die okkult ausgerichteten Theosophen einen eher unintelligenten Eindruck, jedoch bewunderte Leadbeater den Jungen, 'der keinen Funken von Selbstsucht in sich zu haben' schien.

Für den Jungen wurde der "Orden des Stern aus dem Osten" gegründet, dessen Oberhaupt er sogleich wurde. 1912 nach England gebracht begann K.'s und Nityas theosophische Ausbildung, in denen K. als kommender Weltenlehrer ausgebildet wurde. Damals noch gefügig, antwortete Krishnamurti gerne auf jede Form der Aufforderung mit dem Satz: "Ich werde tun, was immer Sie wünschen." Es folgten Reisen nach Californien (USA), Asien und Europa. Er selbst glaubte jedoch nie daran, der prophezeihte Erretter zu sein. Dennoch passierten ihm in Californien um die Zeit von 1922 mehrere außergewöhnliche Bewußtseinsveränderungen mit übernatürlichen und außerkörperlichen Erfahrungen. Nach 20 Jahren theosophischer Ausbildung geschah ein schwerer Schicksalsschlag, der Krishnamurti nachhaltig prägte. Trotz der Genesungs-Versprechungen der Theosophen starb 1925 Bruder Nitya in Californien, als K. sich auf dem Weg zur Feier des 50. Jahrestags der Gesellschaft nach Indien befand. Er verlor das Vertrauen in die Führung und begann sich geistig immer mehr von den Dogmen der Gesellschaft zu trennen. Er begann alles zu hinterfragen, was man ihm sagte, denn er wollte von nun an für sich selbst herausfinden, was die Wahrheit ist. 1929 kam es in seiner berühmten Rede in Ommen (Niederlande) zur Auflösung des Ordens und zur Rückgabe aller Grundstücke und Gebäude an die Eigentümer. Er lehnte darin die Bezeichnung als Messias und jede Gefolgschaft ab. Gerade durch diesen Schritt wurde Krishnamurti für viele Anhänger als Messias bestätigt.

Sein Wirken

Sein Satz "Die Wahrheit ist ein pfadloses Land" prägte die folgenden 60 Jahre seiner weltweiten Vortragstätigkeit. In einfachstem, jedermann verständlichem Alltags-Englisch suchte er das Gespräch zu allen Menschen, unabhängig ihrer Herkunft oder ihres sozialen Standes. Er hielt weltweit Reden an Universitäten, Schulen, in Fernsehsendungen, hielt Seminare ab und sprach vor den Vereinten Nationen vor. Seine hochkarätigsten Gespräche führte er unter anderem mit dem Physiker Dr. David Bohm, mit dem ihn auch eine tiefe Freundschaft verband.
Gemeinsam mit dem amerikanischen Wissenschaftler untersuchte er die Problematik des menschlichen Verstandes und seinem Bedürfnis nach psychologischer Sicherheit, die es in der Welt jedoch nicht geben kann - es sei denn der Verstand lernt mit dem Unbekannten im Frieden zu sein. Damit verbunden steht die Wichtigkeit des Endes der psychologischen Zeit, die durch das Denken entsteht. Ein Kernelement war auch die illusionäre Wahrnehmung des Menschen, er sei getrennt von der Welt. Die Spaltung durch das Ego, das Selbst, das 'ich', führe zu gefühlter Isolation und Einsamkeit und sei Ursache für alle nationalen, religiösen Kriege. "Du bist die Welt, und die Welt ist du" sagte K. immer wieder in seinen Reden. Doch die Selbstsucht der Menschen führe zu der Gewalt, Brutalität, den Kriegen und der Angst, den Mangel an Liebe und Sicherheit.
"Es ist egal, ob sie schwarz oder braun oder weiß oder violett sind, ob Sie groß oder klein sind, ob Sie hier oder wo anders auf dieser Welt leben. Doch uns ist allen das Denken gemein. Es gibt kein westliches Denken und östliches Denken, es bleibt Denken. Und ebenso geht jeder Mensch durch Zeiten schweren Leids, durch Angst, durch Sorgen, durch Schmerz. Auch das ist der gesamten Menschheit gemein. Es ist nicht meine Depression oder Ihre, es ist nicht mein Schmerz oder Ihr Schmerz - es ist der Schmerz der Menschheit. Wir sind demnach psychologisch gesehen keine getrennten Lebenwesen, keine Individuen. Sie mögen sich physisch von mir unterscheiden, doch psychologisch sind wir alle Eins, teilen wir alle die selbe Wahrnehmung und Denkstruktur, das selbe Bewußtsein. Der Bewußtseins-Inhalt mag variieren, doch psychologisch gesehen sind wir die übrige Menschheit."
In den Gesprächen mit Dr. Bohm kommt K. zum Kern der Problematik. Die Identifizierung des Bewußtseins mit dem Bewußtseinsinhalt (=das Denken) erzeugt das Ego und reduziert die Lebensweise eines Menschen auf die bloße Befriedigung der Bedürfnisse des Egos: Sicherheit, Nahrung, Sex, Vergnügen, etc. Der Mensch könne durch die Beobachtung seiner psychischen Bewegungen und körperlichen Reaktionen zur Einsicht gelangen, die den Menschen von der Identizierung mit dem Ego befreit. Jedoch hält K. fest: "Ich kann 'mich' nicht ablegen. Das Selbst kann sich von sich selbst nicht befreien. Es muß von 'außen' her geschehen. Es muß einfach passieren. Es gibt keinen Weg, keine Methode, keinen Guru, keinen Führer, keinen Lehrer - niemand, der dir dabei helfen kann. Es gibt nichts, was der Mensch tun könnte." Krishnamurti spricht dabei das Motiv im Handeln an und daß nur 'Liebe', die kein Motiv hat, den Menschen befreien kann.

Weitere renommierte Wissenschaftler im Gespräch mit Krishnamurti waren unter anderem der Psychoanalytiker Dr. David Shainberg, der Psychologe Dr. John Hidley, der Theologe Dr. Allan W. Anderson und der Biologe Dr. Rupert Sheldrake.

Sein Selbstbild

"In Ihren Beziehungen zu anderen können Sie sehen, was Sie sind. Doch die meisten von uns fürchten sich davor, hinzusehen." sagte K. in einer seiner Reden.
Das Bild, das jeder von sich als Mensch hat, hindert den Menschen daran zu sehen, wie er tatsächlich ist. Das Bild ist nicht getrennt von dem, der das Bild erzeugt. Demnach ist der Beobachter und das Beobachtete eins und nicht voneinander getrennt. Diese Feststellung war für K.'s Zuhörer besonders schwer zu verstehen. Als Folge dieser Bilder kommt es niemals zu einer Beziehung zwischen den Menschen selbst, sondern zwischen den Bildern. Eine zentrale Frage in Krishnamurtis Leben war: "Warum erzeugt der menschliche Verstand ständig Bilder von der Wirklichkeit?" Seine gemeinsamen Exkurse mit dem Publikum brachten ihn schließlich zur Antwort: "Weil der Verstand in seinem Bild psychologische Sicherheit findet. Doch diese Sicherheit ist eine Illusion."
Krishnamurti wurde oft gefragt, ob er sich für den Weltenlehrer hielte. Diese Fragen beantwortete er sehr überlegt, indem er sich selbst nur als unwichtiges Medium bezeichnete, ähnlich einem Telefonhörer auf den es nicht ankäme, doch was durch den Telefonhörer kommt, die Lehren, das sei wichtig. Im vertrauten Kreis sprach er eine deutlichere Sprache, da die Gefahr des Mißverständnisses seiner Aussagen nicht so stark vorhanden war. "Ihr könnt die Videokassetten, Bücher und Tonbänder vernichten. Wenn kein Mensch die Tiefe der Aussagen verstanden hat und sich wandelt, sind sie wertlos." Und weiters meinte er: "Die Tränen der ganzen Welt haben den Weltenlehrer erschaffen."

Über die Angst sagt Krishnamurti in einer seiner letzten Reden 1985 in Washington: "Auf Angst muß man schauen, wie man auf ein schönes Kind sehen würde, das man in den Armen hält und vor dem man niemals davonläuft. Dann ist es, als hielten Sie einen wertvollen Juwel in Ihren Händen."

Im Alter von 90 Jahren starb K. in Californien. Sein Körper wurde eingeäschert und an drei Orten neben Schulen beigesetzt, die er in Brockwood Park (England), Ojai (USA, Californien) und Rishi Valley (Indien) mitgegründet hatte.

Film- und Tonmaterial im Internet

Wer es eilig hat, für den ist folgende Zusammensetzung aus verschiedenen Reden Krishnamurtis eine wunderbare Kurzfassung seiner Lehre.
<a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.marschler.at/worte-krishnamurti.htm">Liebe und Wahrheit</a>

Sehr viele Reden und Tonschnitte sind gratis auf Youtube verfügbar. Einige sind ins Deutsche übersetzt. Die einzige vollständig ins Deutsch übersetzte Rede ist jene 12-tägige aus dem Jahre 1980 in Saanen verfügbar.

Rede in Saanen, 1980. Teil 1 / 12

Auf der deutschen Seite von Krishnamurti.org werden Abschriften der Gespräche und Übersetzungen vieler Bücher von Jiddu Krishnamurti frei zum Herunterladen angeboten.

<a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.jkrishnamurti.org/de/">Deutsche Krishnamurti Homepage</a>

<a target="_blank" rel="nofollow" href="http://anthrowiki.at/Jiddu_Krishnamurti">Eintrag im Anthrowiki</a>

Die Rolle einer Blume

Bruce Lee und Krishnamurti

Zeitgeist

Die innere Revolution

Washington Talks 1985 Teil 1 / 2

"Es ist kein Zeichen von geistiger Gesundheit, einer von Grund auf kranken Gesellschaft gut angepaßt zu sein."
Jiddu Krishnamurti (1895 - 1986)

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