"Das neue Gesetz ist äußerst bedenklich"

Seit Kurzem leitet der Bürgermeister der Stadtgemeinde St. Andrä, Peter Stauber, die Geschicke des Kärntner Gemeindebundes
  • Seit Kurzem leitet der Bürgermeister der Stadtgemeinde St. Andrä, Peter Stauber, die Geschicke des Kärntner Gemeindebundes
  • hochgeladen von Petra Mörth

petra.moerth@woche.at

WOCHE: Das Durchgriffsrecht des Bundes bei Flüchtlingsquartieren soll noch im September im Nationralrat beschlossen werden. Wie steht der Gemeindebund zu diesem neuen Verfassungsgesetz?
PETER STAUBER: Es ist generell äußerst bedenklich, dass so ein Gesetz in Österreich zur Anwendung kommt. Dass man heute Länder und Gemeinden in der Zuständigkeit aushebelt, ist eine neue Art von Politik, die wir bis jetzt noch nicht gehabt haben.

Was stört die Gemeinden am Durchgriffsrecht am meisten?
Wir als Gemeinden wehren uns vehement dagegen, dass man uns zwar sämtliche Kompetenzen aus der Hand nimmt, aber Kontrolle und Haftung trotzdem weiterhin bei der Gemeinde bleiben. Wenn zum Beispiel einer sagt, da ist meine Wiese, der Bund pachtet sie und stellt zehn Container drauf, dann haben wir zwar null Mitspracherecht, aber wenn etwas passiert, sind wir als Gemeinde haftbar. Das lassen wir uns nicht umhängen, das darf einfach nicht sein.

Der Bund will mit dem neuen Verfassungsgesetz aber erst dann "durchgreifen", wenn eine Gemeinde oder ein Land seine Quote nicht erfüllt. Wie stehen Sie zur Quote?
Das Problem ist, dass sich die Quote täglich ändert. Gestern hat Kärnten mit 3.180 Asylwerbern die Quote mit 115 Prozent erstmals übererfüllt. Die bis jetzt geltende Quote. Morgen kommen wieder 500 oder 1.000 Flüchtlinge nach Österreich und die Quote für die Asylwerber wird danach sofort wieder umgerechnet. Es ist schwer die Quote einzuhalten, wenn sie sich ständig ändert. Der Bund will mit dem neuen Gesetz die 1,5 Prozent-Quote durchsetzen. Wir haben als Kärntner Gemeindebund eine Ein-Prozent-Quote vorgeschlagen.

Apropos Quote: Wie sieht es denn mit deren Erfüllung in den Gemeinden aus?
Es ist momentan so, dass nur 51 von 132 Gemeinden Flüchtlinge beherbergen. Das ist natürlich schon ein bisschen wenig. Es gibt relativ große Unterschiede zwischen den Bezirken. So hinkt der Bezirk Spittal mit 38 Prozent bei der Erfüllung weit nach, während der Bezirk Völkermarkt die Quote zum Beispiel weit übererfüllt. Das Lavanttal erfüllt im Mittelfeld die Quote.

Es steht der Vorwurf im Raum, dass sich Bürgermeister mitunter trickreich gegen Asylwerber wehren. Was sagen Sie dazu?
Im Prinzip ist es ja so, dass sich ein Bürgermeister gar nicht wehren kann. Wenn ein Privater dem Land ein Quartier zur Verfügung stellt, die Kriterien für das Land erfüllt sind und das Land 20 oder 50 Flüchtlinge hinschickt, kann der Bürgermeister auf und ab hupfen. Da helfen keine Bürgerinitiativen und keine Gemeinderatsbeschlüsse. Mit dem neuen Gesetz wird das noch schlimmer.

Wie gehen die Bürgermeister im Gemeindebund mit dem Thema Asylwerber um?
Es gibt verschiedene Ansätze, die schon diskutiert wurden. Zum Beispiel brachte der Bürgermeister von Steuerberg Boni für Gemeinden, die Flüchtlinge aufnehmen, ins Spiel. Aber das über Geld zu regeln ist denen gegenüber unfair, die mangels Quartieren keine Chance haben, Flüchtlinge aufzunehmen. Und was zu befürchten ist, ist, dass sich daraus ein Markt entwickelt. Man hört, dass es Leute in Kärnten gibt, die alte Hütten günstig zusammenkaufen und dem Land als Quartiere für Flüchtlinge anbieten. Man wird dabei sehr aufpassen müssen, dass da nicht wie beim Schlepperwesen ein Markt entsteht und das Leid der Menschen für solche Zwecke missbraucht wird.

Themenwechsel: Wie steht es um die Finanzen in den Kärntner Gemeinden?
Es schaut so aus, dass unsere sogenannten Pflichtausgaben im Sozial- und Gesundheitsbereich steigen. Wir sprechen hier von jährlichen Zuwächsen im zweistelligen Prozentbereich. Was wir hier kritisieren: Wir haben bei diesen Dingen null Mitspracherecht, aber es wird uns schon im Vorfeld von den Bundesertragsanteilen abgezogen. Nach der Kopf-Quote. Das Geld sehen wir nie. Eine unserer Hauptforderungen ist es, dass wir dort, wo wir mitzahlen, Transparenz schaffen möchten. Wir fordern eine Transferentflechtung der Finanzströme. Das bedeutet, dass wir zum Beispiel die gesamte Kinderbetreuung in den Gemeinden selbst zahlen und dafür das Land die Krankenanstalten, wo wir sowieso nicht mitreden dürfen, zu hundert Prozent übernimmt. Dass das natürlich aufkommensneutral sein muss, sehen wir als Gemeinden natürlich ein, weil das Land hat ja auch kein Geld. Reisepässe, Melderegister, usw. - es kann nicht sein, dass uns immer mehr Aufgaben aufoktroyiert werden, aber es keinen finanziellen Ausgleich dafür gibt und von uns Einsparungen im Verwaltungsbereich gefordert werden.

Was kommt auf die Gemeinden noch zu?
Im Moment leiden wir an den Auswirkungen der Hypo-Geschichte. Das wirkt sich zwar vorrangig auf die Landesfinanzen aus, aber nachrangig auch auf die Gemeinden, weil wir hängen ja zusammen. Man merkt bereits jetzt, dass gewisse Fördertöpfe zurückgenommen werden, dass es bestimmte Förderungen nicht mehr gibt. Die Schließung von Kleinschulen und die Einstellung von Buslinien sind alles Auswirkungen der Hypo-Geschichte. Weil der Finanzminister der Landesregierung aufoktroyiert hat, 50 Millionen Euro im heurigen Budget einzusparen, wird jetzt in Kärnten an allen möglichen und unmöglichen Rädchen gedreht, wie man diese 50 Millionen Euro einsparen kann. Es schaut nicht rosig aus.

Welche Haltung nimmt der Gemeindebund bei der Einstellung von Buslinien ein?
Der Verkehrsverbund als Erhalter berechnet die Wirtschaftlichkeit, was bei gewissen Strecken ein gewaltiges Minus ergibt. Gerade in den abgelegenen Bergdörfern ist die Wirtschaftlichkeit eben nicht mehr gegeben. Bei uns in Pölling verstehe ich das und habe deshalb auch kein Theater gemacht. Es ist nicht wirtschaftlich, wenn eine Linie im Jahr 100 Euro einbringt — aber im Gegenzug 70.000 bis 80.000 Euro kostet. Das ist keine Relation. Ich habe keinen einzigen Anruf aus Pölling erhalten, weil keiner von ihnen mit dem Bus gefahren ist. Umgekehrt ist ja auch die Kritik der Gemeindebürger da, die sagen, ihr schickt da einen 50-Sitzer-Bus, den wir von unserem Steuergeld zahlen, leer durch die Gegend.

Wie hoch sind die Mehrkosten für St. Andrä nach Streichung dieser Buslinie?
Den Schülerverkehr organisieren wir jetzt selbst, was Mehrkosten von 8.000 bis 10.000 Euro nach sich zieht. Der Gemeindebund fordert aber ganz klar vom Verkehrsverbund, der sich z. B. im Lavant-, aber auch im Möll- und Gailtal, Schüler- und Skibusse spart, einen finanziellen Ausgleich. Das haben wir schon beim Landesrat Holub deponiert – denn es kann nicht sein, dass nur der Verkehrsverbund von der Einstellung von Linien profitiert.

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