Keine Anklage
Staatsanwaltschaft stellt Verfahren in Causa Ischgl ein
ISCHGL (otko). Die Staatsanwaltschaft Innsbruck gab in einer Aussendung bekannt, dass in der Causa Ischgl die strafrechtlichen Ermittlungen gegen fünf Amtsträger eingestellt wurden. Es gebe keine Beweise dafür, dass "jemand etwas schuldhaft getan hätte, das zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte."
Paukenschlag in der Causa Ischgl
In Ischgl startet nach dem Totalausfall der vergangenen Wintersaison am 3. Dezember den Skibetrieb – die BezirksBlätter berichteten.
Nun gibt es einen juristischen Paukenschlag. Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen in der Causa Ischgl in Bezug auf die Corona-Ausbreitung im Frühjahr 2020 eingestellt. Laut einer Aussendung der Behörde kommt es zu keiner Anklage. Es gebe keine Beweise dafür, dass
"jemand etwas schuldhaft getan hätte, das zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte",
heißt es dazu in der Begründung.
Zu diesem Ergebnis kam die Staatsanwaltschaft Innsbruck Ende Mai 2021. Dieses Ermittlungsergebnis wurde nun auch durch die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck, das Justizministerium und schließlich vom Weisungsrat überprüft
Umfangreiche Prüfung der Causa
Näher geprüft wurden laut der Staatsanwaltschaft zufolge "insbesondere die Maßnahmen nach Bekanntwerden der ersten Infektionsfälle, die Erlassung und Umsetzung von Verordnungen über Schließung von Lokalen, des Schibetriebes und die weiteren Verkehrsbeschränkungen in Ischgl bzw. die Quarantäne im Paznauntal."
Im Ermittlungsverfahren wurden zuletzt fünf Personen als Beschuldigte geführt, darunter dem Vernehmen nach Landesamtsdirektor Herbert Forster, der Landecker BH Markus Maaß, der Ischgler Bgm. Werner Kurz sowie zwei weitere Mitarbeiter der BH Landeck.
Der Ermittlungsakt umfasst 15.000 Seiten Protokolle, Berichte und sonstiges Beweismaterial. Um die Abläufe nachvollziehen und bewerten zu können, wurden 27 Personen durch die Staatsanwaltschaft vernommen und auch die Erkenntnisse der vom Land Tirol eingesetzten Experten-Kommission wurden berücksichtigt. Die ermittelnde Staatsanwältin wurde dabei von einem weiteren Staatsanwalt unterstützt.
Detaillierte Einstellungsbegründung veröffentlicht
Zur näheren Information wurde die anonymisierte Einstellungsbegründung in der Ediktsdatei der Justiz veröffentlicht: Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft Innsbruck
Bgm. Kurz: "Nichts falsch gemacht"
"Richtig erleichtert" zeigte sich auf Anfrage der BezirksBlätter Landeck der Ischgler Bgm. Werner Kurz.
"Ich bin froh über die Einstellung. Selbstverständlich waren die letzten Monate aufgrund der langen Dauer der Ermittlungen für mich, aber auch die Bevölkerung von Ischgl belastend. Es wurde bewiesen, dass wir nichts falsch gemacht haben. Auch die gegen mich erhobenen Vorwürfe im sogenannten Rohrer-Bericht haben sich als falsch herausgestellt. Die Staatsanwaltschaft hat eine gute und seröse Arbeit geleistet."
Die Erleichterung sei nun bei seiner Familie und in der ganzen Ischgler Bevölkerung deutlich zu spüren. "Ich habe meine ganze Kraft eingesetzt, um mit allen Verantwortlichen die richtigen und notwendigen Schritte zu setzen. Nach eineinhalb Jahren der großen Ungewissheit können wir nun wieder in die Zukunft schauen. Ich bin dankbar, dass diese Belastung nun für uns vorbei ist und ich meiner Aufgabe als Bürgermeister nachgehen kann", so der Dorfchef.
VSV sieht gravierende Behördenfehler
Kritik kam naturgemäß umgehend vom Verbraucherschutzverein (VSV), der eine Reihe von privatrechtlichen Klagen in der Causa ischgl unterstützt:
"Wir halten diese Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens für falsch und werden zunächst eine Begründung verlangen und nach Prüfung dieser Begründung gegebenenfalls fristgerecht einen Fortführungsantrag einbringen,“
sagt VSV-Obmann Peter Kolba. „Das Strafverfahren hat aber schon jetzt die wesentlichen Grundlagen für die Amtshaftungsklagen der vom VSV unterstützten Opfer von Ischgl gegen die Republik Österreich geliefert. Nach den Akten lassen sich gravierende Behördenfehler lückenlos nachweisen.“
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat bis dato offenbar nur Fehler auf der Ebene des Landes Tirol untersucht, und auch bisher nur unter Ausklammerung von Landeshauptmann Platter, hat aber Fehler auf der Ebene der Bundesregierung bisher überhaupt nicht berücksichtigt. Es wäre daher sinnvoll gewesen, so Kolba, die Ermittlungen auch auf Ex-Bundeskanzler Kurz, Ex-Gesundheitsminister Anschober, Innenminister Nehammer und die in diesen Ministerien jeweils verantwortlichen Beamten sowie Landeshauptmann Platter auszudehnen. Das ist bislang nicht passiert.
Gerade zu der überstürzten und chaotischen Abreise tausender Gäste am Freitag, 13. März 2020, die durch die Erklärung des – dafür unzuständigen – Ex-Bundeskanzlers Kurz ausgelöst wurde und tausende Infektionen verursachte, gibt es wenige schriftliche Unterlagen. Daher müsste man zu den Umständen, wie es zu diesem Abreisechaos kam, die damaligen Mitglieder der Bundesregierung unter Wahrheitspflicht als Zeugen hören.
"Ich habe den Eindruck, dass hier ein Behördenskandal weitgehend vertuscht werden soll,“
kritisiert Kolba. „Der VSV wird aber alles in seiner Macht Stehende tun, um das Multiorganversagen der Behörden im Fall Ischgl sowohl im Rahmen der vom VSV unterstützten, beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängigen Amtshaftungsklagen als auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Innsbruck aufzudecken.“
FPÖ: Keinen moralischen Freispruch für Behörden und Land Tirol
Bestätigt in seiner Ansicht sieht der Tiroler FPÖ-Landesparteiobmann KO LAbg. Mag. Markus Abwerzger nun die Einstellung der Ermittlungen in der Causa Ischgl: „Ich habe immer gesagt, strafrechtlich wird eher nichts hängen bleiben. Zu 90 Prozent war Ischgl nämlich ein Kommunikationsdesaster“, so Abwerzger, der aber keinen moralischen Freispruch für Behörden und Land Tirol sieht:
„Es braucht faire Entschädigungen für die Opfer und Angehörigen, die aufgrund des Nichtagierens der Behörden Schaden erlitten haben. Man muss mit den Opferfamilien und den Opfern in den Dialog treten, nicht vor Gericht ziehen.“
News aus dem Bezirk Landeck: Nachrichten Bezirk Landeck
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.