Pflegeheim: "Keine geschlossene Anstalt"

- Symbolbild: Solche Fälle sind keine Seltenheit.
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Eine Demenzkranke verlässt unbemerkt das Pflegeheim und verletzt sich. Solche Fälle kommen immer öfter vor.
KRITZENDORF (mp). "In Pflegeheimen wird so gespart, dass es für die alten Menschen gefährlich ist. Ich habe meine Oma im Pflegeheim der Bamherzigen Brüder untergebracht und kann ein Lied davon singen. Zuletzt ist sie ihnen weggelaufen und es wurde ewig nicht bemerkt. Sie ist bis zum Bahnhof nach Kritzendorf gekommen, dort gestürzt und wurde von Passanten versorgt und die Rettung informiert, sie holte sich einen Oberschenkelbruch", klagt die Enkeltochter der 94-jährigen Demenzkranken. "Das war nur die letzte Schreckensnachricht, in den drei Jahren haben wir aber noch viel mehr erlebt und immer geschwiegen", ergänzt sie.
Fälle wie dieser sind keine Seltenheit. Immer wieder passiert es, dass Bewohner von Pflegeheimen unbemerkt weglaufen – und die Anzahl steigt stetig. Aufgrund der demografischen Alterung der Gesellschaft ist Demenz in der Bevölkerung immer noch auf dem Vormarsch – das Gesundheitsministerium schätzt die derzeitige Anzahl in Österreich mit 115.000 bis 130.000 erkrankten Menschen und die soll sich bis 2050 noch verdoppeln. "Besonders bei Demenzkranken kann es sein, dass sich die Patienten in ihre Kindheit zurückversetzt fühlen und sich auf den Weg in ein Zuhause machen, dass es vielleicht gar nicht mehr gibt", weiß Martin Kräftner, diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger und Mitarbeiter der NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft. Auch er ist mit dem, der Patientenanwaltschaft vorliegenden, Fall betraut und kennt die Schwierigkeit der Bewertung solcher Fälle. "Soetwas kann im besten Heim vorkommen und es kann auch nicht zu 100 Prozent verhindert werden – ein Pflegeheim ist keine geschlossene Anstalt", meint Kräftner.
Kritik an Unterbesetzung
Je nach Schweregrad der Demenzerkrankung gibt es unterschiedliche Vorgehensweien. "Bei jedem Fall überprüfen wir, ob alle notwendigen Maßnahmen gesetzt wurden", erklärt er. Mit sogenannten "Desorientiertensysteme" kann bei Bedarf der Aufenthaltsort des Demenzkranken ermittelt werden, aber "Das Heimaufenthaltsgesetz regelt wann die Freiheit einer Person eingeschränkt werden darf – das ist allerdings eine Gratwanderung. Prinzipiell wird von einschränkenden Maßnahmen nur Gebrauch gemacht, wenn es öfter vorkommt, dass der Patient davonläuft", erklärt er.
Die Anghörige der Pflegeheim-Bewohnerin kritisiert dennoch eine Unterbesetzung des Pflegepersonals. "Ich kann das kaum verstehen bei den immensen Kosten die dieses Pflegeheim verrechnet. Wo fliest das Geld hin? Die Schwestern sind für 30 Personen zuständig, wenn da einer was intensiver braucht, dann sind alle anderen auf sich gestellt", ärgert sie sich. Mittlerweile wurde sowohl von der NÖGKK sowie von der Patientenanwaltschaft eine Schadensersatzklage eingereicht. "Der Personaleinsatz ist für alle Häuser in Niederösterreich gleich und wird über einen Berechnungsschlüssel vom Land NÖ vorgegeben. Je nach Pflegestufe der Bewohner und ob Zivildiener da sind, sind zumindest vier bis sechs Personen pro Station beschäftigt. Die Bewohner einer Einrichtung sind nicht eingesperrt und dürfen sich frei bewegen. Wenn es zu einzelnen Vorfällen kommt, was wir selbstverständlich auch nicht gutheißen, sollte man trotzdem die schwere Arbeit der Mitarbeiter bei der Betreuung von herausfordernden Bewohnern rund um die Uhr nicht außer Acht lassen", meint Dietmar Stockinger, Leiter des Pflegeheims der Barmherzigen Brüder, zu den Vorwürfen.
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