Machtmissbrauch am Theater
Aron Stiehl: "Es passiert immer noch"

Klagenfurts Intendant, Aron Stiehl, findet zu Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen klare Worte. Über seine eigenen Erlebnisse will er weniger sprechen, vielmehr plädiert er dafür, Vorfälle anzusprechen, damit das "System" keine Relevanz mehr hat. | Foto: Helge Bauer
  • Klagenfurts Intendant, Aron Stiehl, findet zu Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen klare Worte. Über seine eigenen Erlebnisse will er weniger sprechen, vielmehr plädiert er dafür, Vorfälle anzusprechen, damit das "System" keine Relevanz mehr hat.
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Systematische Ausbeutung von Schauspielerinnen und Schauspielern: Im Interview mit Stadttheater Klagenfurt Intendant Aron Stiehl, über Machtmissbrauch, seine Missbrauchserfahrungen und wie diese in Zukunft verhindert werden sollen.

KLAGENFURT. In einer TV-Reportage des Senders NDR werden Wunden aufgebrochen, die nach dem Bekanntwerden des Falls Teichtmeister in Gesellschaft und Medien kontrovers diskutiert werden. Seit Teichtmeister hat die Kunst- und Theaterszene mit einem fahlen Beigeschmack zu kämpfen. Im Raum stehen Vorwürfe von Machtmissbrauch und mutmaßlichen sexuellen Übergriffen. Grund genug, um bei Intendant Aron Stiehl nachzufragen, wie es um Ausbeutung von Schauspielerinnen und Schauspielern am Stadttheater Klagenfurt steht und welche Erfahrungen er in seiner Laufbahn gemacht hat. 

MeinBezirk.at: Was können Sie mit Ihrer langjährigen Erfahrung an Theatern zur aktuellen Diskussion sagen?
Stiehl: Als ich in meinen Anfängen als Assistent zum Theater gekommen bin, habe ich das selbst erlebt – Machtmissbrauch, genauso wie sexuelle Übergriffe. Ein System hat es ermöglicht, dass diese Personen das auch ausnutzen konnten. Mittlerweile ist es besser geworden, weil darüber gesprochen und es diskutiert wird. Gleichstellungsbeiräte und Gleichstellungsbeauftragte achten darauf, dass keine Übergriffe stattfinden. Es passiert aber immer noch.

Können Sie von ihren Erlebnissen berichten?
Ich war damals Assistent eines genialen Regisseurs, der immer das schwächste Glied regelrecht fertiggemacht gemacht. Als er es bei mir probiert hat, habe ich mich ihm entgegengestellt, daraufhin wurde ich in Ruhe gelassen. Ich habe Widerstand geleistet, unterstützt hat mich dabei aber niemand. Die Theater haben darauf bestanden, mit diesen berühmten Regisseuren – meist Männern – zu arbeiten. Punkt. Ein kleiner Hospitant, der zusammengeschrien wurde, war den Häusern egal – genau das darf nicht mehr passieren.

Hat sich während ihrer Intendanz schon jemand an Sie gewendet?
Ja, gerade durch den aktuellen Dokumentarfilm und die daraus resultierende Diskussion hatte ich ein langes Gespräch mit einer Assistentin und sofort reagiert. Ein Vorfall, der schon länger her ist, kam zur Sprache und es wurde sofort etwas unternommen. Sollte ich mitbekommen, dass seitens der Regisseure/Regisseurinnen oder seitens der Dirigenten/Dirigentinnen etwas vorfällt, hole ich unverzüglich alle für ein Gespräch an den Tisch.

Wie kann es sein, dass am Theater – einem Ort des kritischen Diskurses, der Aufklärung – es zu solchen Vorfällen kommen kann?

Es ist ein perverser Widerspruch – als Assistent und Hospitant habe ich am eigenen Leib erfahren, dass die, die am lautesten über Themen wie Feminismus und Gleichstellung und Humanismus tönen, innerhalb des Betriebs jedoch teilweise mit diktatorischen Zügen agiert haben und ihre Machtposition auf eine perverse Art und Weise ausgenutzt haben.
Meistens sind Frauen betroffen, es gibt aber auch männliche Kollegen, die Gewalt und Missbrauch erfahren. Das sollte in der ganzen Debatte nicht vergessen werden.

Wie können Vorfälle in Zukunft verhindert werden?

Die Leitung muss sofort reagieren, sich vor die Betroffenen stellen. Es ist auch unsere Aufgabe, besagte Leute, die ihre Macht missbrauchen, erst gar nicht einzuladen. Den Namen der Person, von der ich berichtet habe, werde ich nicht nennen. Der Regisseur darf aber mittlerweile an fünf Häusern nicht mehr arbeiten. Und das ist auch gut so. Ich habe Menschen gesehen, die geweint haben, Sänger, die nicht mehr singen konnten, weil die Arbeitsatmosphäre so toxisch war. Das Theater als moralische Instanz muss diese Werte, die es nach außen vertritt, auch nach innen leben.

Welche Auffangnetze gibt es am Stadttheater, damit diese Vorfälle nicht passieren?
Bei uns können sich Betroffene an Betriebsräte wenden. Wir sind dabei eine Gleichstellungsbeauftragte zu installieren. Sollte es zu Problemen kommen, kommen Betroffene auch zu mir – das ehrt mich. Da ich mich aber in einer Machtposition befinde, bin ich eigentlich die falsche Ansprechperson, daher muss es die Betriebsräte und Gleichstellungsbeauftragte geben.

Wobei handelt es sich um Whisper?
Sollte ein Missbrauch oder ein anderes Fehlverhalten seitens der Theaterleitung stattfinden kann das bei Whisper anonym angezeigt werden. Jemand von außen kümmert sich um die Anzeige. Das Theater muss dann sogar den Anwalt zahlen, sollte der Missbrauch sich bestätigen. Ich glaube, dass dies ein sehr wichtiges, starkes Instrument gegen Machtmissbrauch und anderes sein kann. Es ersetzt allerdings nicht die Führung eines Theaters und die Einstellung derer, die dort wichtige Funktion ausüben. Der Fisch fängt immer am Kopf zu stinken an, und es war immer das Problem an vielen Theatern, dass dass die Leitung das System des Machtmissbrauchs unterstützt hat und auf die Menschlichkeit und die Humanität zwar gepredigt hat, aber intern ignoriert hat.

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