Lieber Nationalpark statt Ski-U-Bahn?
Die geplante Verbindung der Skigebiete Hinterstoder und Wurzeralm treibt Natur- und UmweltschützerInnen auf die Barrikaden
VORDERSTODER (wey). "Unsinniges Monsterprojekt", "rückwärtsgewandter Machbarkeitswahn", "ökologischer und ökonomischer Wahnsinns": Die Rede ist von der geplanten Verbindung der Skigebiete Hinterstoder und Wurzeralm. Zumindest, wenn es nach den Vertretern von Umweltdachverband, Naturfreunden und Alpenverein geht. Bei einem Lokalaugenschein in Vorderstoder verliehen sie ihrer Forderung "Nationalpark statt 100-Millionen-Tunnel" Ausdruck. Wie die BezirksRundschau berichtete, denkt man in der Region Pyhrn-Priel über eine Verbindung von Höss und Wurzeralm nach. Derzeit liegt der Plan einer Ski-U-Bahn auf dem Tisch, die laut Herbert Jungwirth vom Alpenverein - gemeinsam mit Liften und Parkplatz für 1600 Autos - "den Schafferteich zu einer Verkehrsdrehscheibe" machen würde.
Was die Naturschützer unisono anprangern, ist, dass "Gesetze, Klimaprognosen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen und demographische Entwicklung" ignoriert werden. Jungwirth stellt fest: "Entgegen der Behauptungen, es handle sich nur um eine Idee, ist das Projekt Realität. Es läuft bereits ein Behördenverfahren." Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes aus Molln, weist darauf hin, dass das Warscheneck Erweiterungsgebiet des Nationalparks Kalkalpen ist. „Wir fordern die Erweiterung des Nationalparks um das Warscheneck statt der Zerstörung dieses Naturparadieses“, so Maier. Für ihn ist das Tunnelprojekt schlichtweg "eines der widersinnigsten Projekte der letzten Jahrzehnte".
Hotspot der Arten- und Lebensraumvielfalt
„Das Warscheneck gehört zu den landschaftlich schönsten Bereichen der oberösterreichischen Kalkalpen, ist eine der bedeutendsten Karstlandschaften Europas und außerdem Ursprung der größten Karstquelle Österreichs. Es beherbergt zudem den größten geschlossenen und nie forstlich genutzten Lärchen-Zirbenwald der Alpen und die höchstgelegenen intakten „lebenden“ Hochmoore der Nordalpen. Das Bergparadies ist zudem mit seinem Endemiten-Reichtum, den naturnahen Bergwäldern, alpinen Rasen und Karsthochflächen ein Hotspot der Arten- und Lebensraumvielfalt. Und: Das Warscheneck zeichnet sich durch einen höheren Totholzanteil als der Nationalpark Kalkalpen aus, was ein wichtiger Naturschutz-Indikator ist. Zudem ist der unter strengem Naturschutz stehende Kalkstock Planungs- bzw. Erweiterungsgebiet des Nationalparks Kalkalpen“, erklärt Franz Maier, ehrenamtlicher Präsident des Umweltdachverbandes.
"Tunnelprojekt ist abzulehnen"
„Mit dem Pauschalargument, man müsse doch in die Zukunft der Region investieren, sollen unsere Schutzgebiete Schritt für Schritt ausgehöhlt werden – im Fall des Warschenecks im wahrsten Sinne des Wortes. Die Tunnelverbindung und die damit einhergehenden Eingriffe sind keine zukunftsträchtige Investition, im Gegenteil: Sie schädigen ein bewusst unter Schutz gestelltes Naturjuwel dauerhaft“, sagt Robert Renzler, Generalsekretär des Österreichischen Alpenvereins. Der geplante Zusammenschluss ist nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen strikt abzulehnen. „Das Tunnelprojekt ist wirtschaftlich nicht darstellbar und würde dauerhaft am Tropf der SteuerzahlerInnen hängen. Es entspringt einem rückwärtsgewandten Machbarkeitswahn, der irrigerweise glaubt, sein Heil im Wettrüsten mit westösterreichischen Skigebieten zu finden. Und gleichzeitig verkennt, welche unwiederbringlichen Werte dadurch zerstört werden. Die Pyhrn-Priel-Region würde ein Alleinstellungsmerkmal als Nationalpark- und Natur-Region verlieren“, ergänzt Maier.
Modernisierung und Ausbau der Wurzeralm
Die Naturfreunde sprechen sich für die Modernisierung der Wurzeralm und die Errichtung eines Skitouren-Kompetenzzentrums aus. Andreas Schieder, Vorsitzender der Naturfreunde Österreich, fordert daher eine „rasche Modernisierung der Wurzeralm bevor intakte Naturräume für unsinnige und völlig den Klimawandel ignorierende Projekte geopfert werden“. Die Vorsitzende der Naturfreunde Oberösterreich, Gerda Weichsler-Hauer, verlangt zudem den Ausbau der Wurzeralm in Richtung eines Skitourenkompetenzzentrums, denn damit würde diesem extrem boomenden Segment des Wintersportes die notwendige Aufmerksamkeit erteilt werden. „Oberstes Ziel muss es sein, mit einem zukunftsorientierten Ausbau ein einmaliges, schneesicheres Familienskigebiet und führendes Schitourenkompetenzzentrum in Oberösterreich zu schaffen, um damit die Wettbewerbsfähigkeit und Existenz der Wurzeralm zu sichern“, so Weichsler-Hauer. „Die Wurzeralm verdient es, qualitativ aufgewertet zu werden. Mit viel weniger als 100 Millionen kann man hier was zustande bringen."
"Vieles darf bei uns einfach nicht sein"
Für Helmut Holzinger, Vorstand der Hinterstoder-Wurzeralm Bergbahnen, könnte die Wurzeralm als Skitourenzentrum jedoch nicht wirtschaftlich geführt werden. "Die Region wird nur überleben können, wenn das Skigebiet größer wird", so Holzinger. "Wenn wir in kleinen Strukturen verharren, werden wir auf dem Tourismusmarkt irgendwann keine Rolle mehr spielen. Bei uns ist es extrem schwer, sich weiterzuentwickeln, weil so vieles einfach nicht sein darf."
"Projekte sind dringend notwendig"
PYHRN-PRIEL (wey). In der Urlaubsregion Pyhrn-Priel werden derzeit von Politik und Tourismus Möglichkeiten ausgearbeitet, um die Region ganzjährig attraktiver zu machen. Eine dieser Möglichkeiten stellt die Idee einer naturnahen Verbindung der Freizeit- und Erholungsgebiete Wurzeralm und Höss dar. Herber Gösweiner, der Vorsitzende des Tourismusverbandes Pyhrn-Priel, wendet sich mit einer polemischen Botschaft an die – wie er sagt – "Querulanten", die gegen das Skigebietsprojekt Sturm laufen: "Ursprünglich hat man behauptet, wir bauen drei Lifte und einen Tunnel um 150 Millionen Euro. Jetzt sind es schon sechs Lifte um 100 Millionen. Beim nächsten Mal werden es wohl neun Lifte um 50 Millionen sein. Immer mehr um immer weniger Geld? Das unterstütze ich!" Laut Gösweiner handle es sich bei den derzeitigen Plänen nach wie vor nur um eine von vielen Möglichkeiten. "Von einem konkreten Projekt kann keine Rede sein. Es ist noch nichts entschieden", stellt er klar. "Trotz der zentralen Lage und der guten Erreichbarkeit reisen die Urlauber allerdings immer öfter in Gebiete mit besserer Infrastruktur weiter. Mit Tagesgästen kann die Region langfristig nicht überleben. Daher ist es notwendig, nachhaltige Projekte zu entwickeln, um dem drohenden Rückgang der Nächtigungszahlen entgegenzuwirken. Wir denken nicht nur an die Skifahrer, sondern auch an Tourengeher, Mountainbiker und Wanderer."
Ein Drittel unter Naturschutz
Um ein Vorbild in Sachen naturverträgliches Freizeit- und Erholungsgebiet zu werden, brauche es laut Gösweiner Zeit. Was das Skigebiet betrifft, "glaube ich nicht, dass wir in den kommenden ein, zwei Jahren etwas einreichen werden". Was für Gösweiner jedoch gar nicht in Frage kommt, sind weitere Naturschutzgebiete. Gösweiner abschließend: "Ein Drittel der Fläche unserer Region steht unter Naturschutz. Das ist die größte Dichte in OÖ. Wir werden keine weiteren Flächen umwidmen."
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