Frei im Theater: Der Kontrabaß, Ich, Akira
Von Männern und Hunden
Immer wieder aufs Neue faszinieren mich diese zufälligen Koinzidenzen in Innsbrucks Theaterlandschaft. So konnte man Anfang Dezember zwei wirklich beeindruckende Männer-Monologe erleben. In zwei Stücken, bei denen man zumindest vordergründig nicht auf die Idee käme, sie miteinander vergleichen zu wollen. Trotzdem zeigt sich letztlich in beiden, dass Männer, die in irgendeiner Form am Rande stehen, irgendwie Gefahr zu laufen scheinen, zur tickenden Zeitbombe zu werden.
Ein neuer zeitgemäßer „Kontrabaß“
Wobei jener Mittdreißiger, den Philipp Walser in Patrick Süskinds hellsichtigem Monolog „Der Kontrabaß“ im Kellertheater auf grandiose Weise mimt, sich noch eine vergleichsweise harmlose Aktion ausmalt, damit die von ihm angebetete Sopranistin endlich im Staatsorchester auf ihn aufmerksam wird. Wie schnell allerdings auch bei ihm die anfängliche Selbstüberschätzung („ohne uns geht es nicht“) in (Selbst-)Hass und Wut auf diesen „Waldschrat von Instrument“ und in weiterer Folge sogar andeutungsweise auf die umschwärmte Frau umschlägt, ist ebenso irritierend wie erstaunlich. Und in gewisser Weise bereits eine hellsichtige Vorwegnahme des Phänomens Wutbürger. Daher wirkt dieser von Hausherr Manfred Schild inszenierte neue Kellertheater-„Kontrabaß“ – vor fünfzehn Jahren brillierte darin Michael Arnold als sarkastischer älterer Herr – alles andere als aus der Zeit gefallen.
Ein politisch aufrüttelnder Hundemonolog
Der letzte Schritt hin zur Radikalisierung ist im zweiten Monolog „Ich, Akira“ von Noëlle Haeseling & Leo Meier, bereits vollzogen. Was diesen wirklich auslöste oder beförderte, warum sein Papa Attila Hildmann vom Bestsellerautor für vegane Kochbücher zum gewaltbereiten Reichsbürger mutierte, kann sich der sibirische Husky, den Peter Schorn auf umwerfende Weise verkörpert, auch nicht wirklich erklären. Jener Mann, der ihn einst mit seinem Porsche aus dem Tierheim abholte und plötzlich nicht nur für veganes Essen, sondern auch für Hitlers Politik wirbt, sei letztlich ein und derselbe Mensch. Wenngleich für Akira spätestens nach der Flucht Hildmanns in die Türkei klar ist: Sein Papa hat alles kaputt gemacht. Nicht zuletzt auch sein geordnetes ruhiges Hundeleben. Dass die Dauerbombardierung mit schlechten Nachrichten Menschen dazu bringt, eines Tages unschuldige Gegenüber abzuknallen, bloß um irgendein Zeichen zu setzen, ist wohl bekannt und wird im Stück ebenfalls in einer alptraumartigen Sequenz angerissen.
Und viele Fragen offen
Wie dem beizukommen wäre, bleibt indes ein großes Fragezeichen. Und natürlich bleibt auch Akiras Frage ans Publikum offen, ob er dem Ganzen nicht ein Ende setzen sollte. Dass wir nun als Gesellschaft freilich erneut damit umgehen müssen, dass es möglicherweise sogar im eigenen Umfeld wieder Menschen gibt, die mehr oder minder offen mit den Attilas dieser Welt sympathisieren, entlässt einen schon auch ein Stück ratlos. Der ebenso aufrüttelnde wie komische Hundemonolog, den Michaela Senn für die Dekadenz in Brixen inszenierte, ist noch bis Freitag, 6. Dezember, im neuen Theater praesent in der Tschamlerstraße zu sehen. „Der Kontrabaß“ steht indes noch bis Jahresende am Spielplan. Beides unbedingt empfehlenswert!
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