Schmiereien auf Straßentafel
Warum die Etrichgasse immer wieder im Visier ist

Das Straßenschild ist immer wieder Ziel von Schmierattacken und muss von der Stadt entsprechend gereinigt werden. | Foto: BezirksBlätter
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Die Etrichgasse verbindet den Grabenweg und die Valiergasse im Gewerbegebiet Rossau. In der rund 350 Meter langen Straße sind zahlreiche Unternehmen angesiedelt. Die Straßentafeln sind immer wieder Ziel von Schmierattacken. Anlass dafür dürfte die Lebensgeschichte von Ignaz Etrich sein.

INNSBRUCK. Ignaz (Igo) Etrich war der Sohn eines böhmischen Textilfabrikanten, der um 1900 mit zahlreichen Entwicklungen und Bauten von Flugzeugen zu einem Flugzeugpionier wurde. 1912 gründete Etrich die Etrich-Fliegerwerke in Liebau/Schlesien (Lubawka/Polen), wo das erste Flugzeug mit geschlossener Passagierkabine (Luft-Limousine) entstand. Ein Jahr später übersiedelte die Fabrik nach Brandenburg, wo sie infolge des Ersten Weltkriegs - die österreichische und die deutsche Armee setzten die "Taube" ein - florierte. Danach widmete sich der Erfinder seinem Textil-Betrieb in Trautenau und in späteren Jahren der Esoterik. In Wien-Simmering, Graz, Salzburg, Lind (Villach), Linz und Wiener Neustadt sind Straßen nach Ignaz Etrich benannt. In einigen Studien von Experten- und Historikerkommissionen in den österreichischen Städten und Gemeinden wird auf die Fragestellung von Ignaz Etrich in der Zeit des Nationalsozialismus eingegangen.

Straßenschild

Auf dem Straßenschild der Etrichgasse wird der Lebenslauf von Ignaz Etrich kurz angerissen: "Ignaz "Ito" Etrich (1879 - 1967), Pionier des Flugzeugbaues. Der böhmische Konstrukteur baute 1909 die "Etrich Taube", einen Eindecker, der 1910 in Berlin in Serie ging und um Ersten Weltkrieg zum Einsatz gekommen ist." Weitere Hinweise auf die Tätigkeiten von Etrich nach dem Ersten Weltkrieg fehlen auf der städtischen Tafel. Auch eine Zusatztafel, wie beispielsweise bei der Burghard-Breitner-Straße, gibt es nicht.

Die NS-Zeit

Etrich war von 1935 bis 1938 Mitglied der Sudetendeutschen Partei und trat zum 1. November 1938 offiziell der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 6.685.942). In seinem Aufnahmeantrag für die Reichsschrifttumskammer hieß es 1943, Etrich stehe bereit, um „nach dem Sieg der deutschen Waffen an der Lösung der großen technischen Probleme mitzuwirken, welche dem deutschen Volk durch den Raumgewinn im Osten erwachsen werden“. 1944 verlieh die TU Wien Etrich ein Ehrendoktorat.

Innsbrucker Nachrichten 20. Juni 1944
 | Foto: anno.onb.ac.at
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Die Stadt Salzburg schreibt in ihrem Projekt zu Straßennamen und die NS-Zeit: "Zwischen 1938 und 1943 veröffentlichte Igo Etrich nach eigenen Angaben insgesamt sieben Fachartikel in Klepzigs Textil-Zeitschrift. Um weiterhin fallweise publizieren zu können, suchte er im Sommer 1943 um Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer an. In dem bereits zitierten Lebenslauf, der dem Antrag beilag, strich er seine Leistungen als technischer Entwickler im Textilbereich hervor, die von immanenter Bedeutung für die Kriegswirtschaft des NS-Regimes waren: „Igo Etrich befaßte sich auch eingehend mit dem Problem der Fasergewinnung aus Grünflachs und brachte im Jahre 1940 ein Grünflachs-Aufbereitungs-System heraus, welches im In- und Ausland große Verbreitung fand und für die weitere Entwicklung der Leinenindustrie von großer Bedeutung zu werden verspricht. Im Jahre 1939 konstruierte Igo Etrich auch eine Hanfschwingturbine, welche die leistungsfähigste ihrer Art ist und nach dem Kriege, ebenso wie die Maschinen für die Flachsaufbereitung, wesentlich dazu beitragen wird, die großen, im Osten angebauten Bastfasermengen zu verarbeiten.“ Am Ende seiner Ausführungen sparte er nicht mit Eigenlob, das er im Sinne des Adressaten mit NS-Jargon unterlegte: „Durch seine Pionierarbeit auf dem Gebiet der Flugtechnik und der Textilindustrie ist Igo Etrich den größten deutschen Wegbereitern der Luftfahrt und der Bastfaserindustrie zuzuzählen. Er leitet heute als Betriebsführer seine beiden Flachsspinnereien und steht bereit, nach dem Sieg der deutschen Waffen, an der Lösung der großen technischen Probleme mitzuwirken, welche dem deutschen Volk durch den Raumgewinn im Osten erwachsen werden.“ Auch in der NS-Zeit war Igo Etrich als Pionier des Fliegens und damit als Wegbereiter der Deutschen Luftwaffe hoch angesehen. 1942 gab die Kriegswissenschaftliche Abteilung der Luftwaffe, Zweigstelle Wien, die Broschüre „Igo Etrich und seine ‚Taube‘“ heraus. Diese war die Grundlage für die Entscheidung der Technischen Universität Wien, dem Flugzeugpionier ein Doktorat honoris causa zu verleihen. Der Festakt fand am 16. Juni 1944 anlässlich des „Tages der Technik“ statt. Zahlreiche Zeitungsberichte über sein Leben und Schaffen erschienen in der Presse, die jedoch kaum propagandistischen Wortlaut aufwiesen. Der Reichssender Wien brachte am 20. Juni den einstündigen Radiobeitrag „Lebendiges Wort: Aviatik in aller Welt. Der Flugpionier Igo Etrich“. Bezüglich seiner wichtigsten Erfindung, der „Taube“, erfolgte in der NS-Zeit eine Korrektur von amtlicher Seite, die ihren Ursprung nicht im Bemühen um historische Korrektheit, sondern in der rassistischen Ideologie hatte. Das seit 1911 im Deutschen Museum in München als „Rumpler-Taube“ ausgestellte Flugzeug wurde „arisiert“, indem der Name des Flugzeugbauers Edmund Rumpler, der jüdischer Herkunft war, gestrichen und die Leistungen von Igo Etrich als Erfinder des Flugzeugtyps in den Vordergrund gestellt wurden. Von einem aktiven Engagement von Igo Etrich für die NSDAP oder eine ihrer Untergliederungen ist bislang nichts bekannt."

Ein Hinweis auf die Tätigkeit nach dem Ersten Weltkrieg oder eine Zusatztafel fehlen. | Foto: BezirksBlätter
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Kommissionsberichte

Im Auftrag der Stadt Wien hat eine Historiker-Kommission die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, von 2011 bis 2013 untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen. Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe war Igo Etrich von 1935 bis 1939 Mitglied der Sudetendeutschen Partei als auch ab 1939 der NSDAP. Er erhielt 1944 ein Ehrendoktorat an der Technischen Hochschule Wien.  Im Endbericht der Expertenkommission für Straßennamen in Graz wird Etrich in der Liste der Personen geführt, deren Namen als Namensgeber öffentlicher Verkehrsflächen als problematisch und sehr problematisch eingestuft wird.

Der schmerzliche Stachel der Geschichte
Die Etrichgasse verbindet den Grabenweg und die Valiergasse und ist rund 350 Meter lang. | Foto: BezirksBlätter
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