Klimakleber auf Autobahn
LVwG Tirol schmettert Klimakleber-Einspruch ab

- Klimakleber-Protest abgewiesen: "Durch das Verbleiben der Beschwerdeführerin am Versammlungsort nach Auflösung der Versammlung wird weder die Klimakrise abgewendet, noch bewirkt ihr Verbleiben und Wegtragen Lassen, dass Politiker unmittelbar konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz ergreifen."
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Die Klimakleberaktion auf der A13-Autobahn im Juni 2023 hatte ein Nachspiel beim Landesverwaltungsgericht Tirol. Der Einspruch einer Klimaaktivistin wurde als unbegründet abgewiesen. Aus dem Urteil: "Durch das Verbleiben der Beschwerdeführerin am Versammlungsort nach Auflösung der Versammlung wird weder die Klimakrise abgewendet, noch bewirkt ihr Verbleiben und Wegtragen Lassen, dass Politiker unmittelbar konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz ergreifen." Die FPÖ fordert strengere Strafen.
INNSBRUCK. Unter großer medialer Aufmerksamkeit blockierten Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation am 15. Juni 2023 die A13. "Wir unterbrechen den fossilen Alltag, um die Gesellschaft wachzurütteln", lautete das Motto der Klimakleber. Die Polizei schritt rasch ein. Bereits kurz nach der Blockade forderten zahlreiche Politikerinnen und Politiker ein härteres Vorgehen. (MeinBezirk Beitrag). Eine Aktivistin hat gegen die Strafe der Bezirkshauptmannschaft Einspruch erhoben. Wegen einer Verwaltungsübertretung wurde eine Strafe von 70 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen und 1 Stunde) verhängt. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat diese Beschwerde nun als unbegründet abgewiesen. Das Urteil bietet spannende Einblicke.

- Die Auflösung der Versammlung durch den Behördenvertreter wurde den Demonstranten durch Polizeibeamte erstmals um 10:47:55 Uhr und ein zweites Mal um 10:49:48 Uhr mitgeteilt. Die Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden ausdrücklich aufgefordert, den Versammlungsort sofort zu verlassen.
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Die Beschwerde
Die Aktivistin brachte zusammengefasst vor, dass sie an einer spontanen politischen Kundgebung teilgenommen habe, bei der mit Transparenten auf die Gefahren des Klimawandels hingewiesen worden sei. Sie sei nicht die Veranstalterin der Versammlung gewesen. Der Protest sei friedlich und gewaltfrei verlaufen. Ihr Verhalten sei durch die Ausübung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte gerechtfertigt gewesen. Die Auflösung der Versammlung sei nicht rechtmäßig erfolgt. Der friedliche, kurzfristig geringfügig verkehrsbehindernde Klimaprotest stelle keine Störung der öffentlichen Ordnung dar. Es liege ein rechtfertigender Notstand durch einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Nachteil aufgrund der Klimakrise vor, allenfalls ein entschuldigender Notstand oder ein Irrtum über dessen Vorliegen. Zudem sei das Anliegen des Klimaschutzes als hehres Motiv strafmildernd zu berücksichtigen.
Der Sachverhalt
Am Vormittag des 15.06.2023 nahm die Beschwerdeführerin an einer nicht angezeigten Versammlung. Die Beschwerdeführerin saß auf einem Fahrstreifen der Autobahn und hatte ihre Handfläche am Asphalt angeklebt und blockierte zusammen mit weiteren Aktivistinnen und Aktivisten drei Fahrspuren der Autobahn, um auf die Dringlichkeit von Maßnahmen gegen den Klimawandel hinzuweisen. Die Auflösung der Versammlung durch den Behördenvertreter wurde den Demonstranten durch Polizeibeamte erstmals um 10:47:55 Uhr und ein zweites Mal um 10:49:48 Uhr mitgeteilt. Die Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden ausdrücklich aufgefordert, den Versammlungsort sofort zu verlassen. Die Aktivitistin hat darauf keinerlei Maßnahmen gesetzt, um ihre Hand vom Asphalt zu lösen. Nachdem Polizeibeamte der Schnellen Interventionsgruppe (SIG) ihre Hand vom Asphalt gelöst haben, wurde die Beschwerdeführerin um 10:55 Uhr von einem Polizeibeamten weggetragen, da sie den Ort weiterhin nicht freiwillig verlassen wollte.
Die Auflösung der Versammlung
Im gegenständlichen Fall haben mehrere KlimaaktivistInnen, darunter die Beschwerdeführerin die Fahrbahnen auf der Autobahn blockiert, indem sie sich auf die drei Fahrstreifen gesetzt und zum Teil mit einer Hand am Asphalt angeklebt haben. Durch das Zusammentreffen einer Personengemeinschaft zu dieser Protestaktion an einer stark frequentierten Straße mit dem gemeinsamen Zweck die Bevölkerung aufzurütteln und den Gesetzgeber zu einem klimaschützenden Handeln bewegen, liegt – auch ohne Versammlungsanzeige - eine Versammlung im Sinne des Art 12 StGG, Art 11 EMRK und § 1 VersG vor.

- Nachdem Polizeibeamte der Schnellen Interventionsgruppe (SIG) ihre Hand vom Asphalt gelöst haben, wurde die Beschwerdeführerin um 10:55 Uhr von einem Polizeibeamten weggetragen, da sie den Ort weiterhin nicht freiwillig verlassen wollte.
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Im Beweisverfahren hat sich zweifelsfrei ergeben, dass die Auflösung der Versammlung durch den Behördenvertreter erfolgte und durch Polizeibeamte den Versammlungsteilnehmern laut und verständlich kundgetan wurde. Eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Auflösung der Versammlung wurde nicht eingebracht, sodass im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Auflösung der Versammlung im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterbleibt. Die zu diesem Zeitpunkt anwesende Beschwerdeführerin leistete der zwei Mal ausgesprochenen Aufforderung, den Versammlungsort zu verlassen, keine Folge. Sie hat weder selbständig Maßnahmen zum Loslösen ihrer angeklebten Handfläche gesetzt, noch hat sie nach dem Ablösen der Hand vom Asphalt durch Polizeibeamte freiwillig die Autobahn verlassen, sondern musste von Polizeibeamten weggetragen werden. Somit liegen die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 19 VersammlG iVm § 14 Abs 1 VersammlG vor. Hinsichtlich des Verschuldens wird aufgrund des passiven Verhaltens der Beschwerdeführerin, die zuletzt sogar vom Verhandlungsort weggetragen werden musste, obwohl sie die Auflösung der Versammlung und die Aufforderung zum Verlassen des Versammlungsortes wahrgenommen hat, von einem vorsätzlichen Handeln ausgegangen.
Soweit sich die Beschwerdeführerin auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit beruft, ist darauf hinzuweisen, dass nach behördlicher Auflösung der Versammlung dieses Vorbringen ins Leere geht. Dass der Beschwerdeführerin nicht ausreichend Zeit eingeräumt wurde, um den Versammlungsort zu verlassen, dafür hat sich im Beweisverfahren kein Hinweis ergeben, vielmehr hat die Beschwerdeführerin keinerlei Maßnahmen gesetzt, um von sich aus der Verpflichtung zum Verlassen des Versammlungsortes nachzukommen.
Nach der Auflösung der Versammlung war es der Beschwerdeführerin als einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen jedenfalls zumutbar, sogleich den Versammlungsort zu verlassen und auseinanderzugehen. Das Verbleiben am Versammlungsort ist weder das einzige Mittel zur Gefahrenabwehr, noch handelt es sich um das schonendste Mittel, zumal zahlreiche Mittel des legalen Protests bestehen. Die Beschwerdeführerin kann sich daher nicht auf strafbefreienden Notstand berufen. Ein Entschuldigungsgrund liegt somit nicht vor. Die belangte Behörde warf der Beschwerdeführerin die Verwaltungsübertretungen somit zu Recht vor.
Zur Strafbemessung
Unter Beachtung dieser Strafzumessungsgründe ist die verhängte Geldstrafe in Höhe von Euro 70,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage und 1 Stunde) jedenfalls schuld- und tatangemessen sowie aus general- und spezialpräventiven Gründen erforderlich. Eine Ermahnung iSd § 45 Abs 1 Z 4 VStG kommt schon alleine deshalb nicht in Betracht, weil die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes des Versammlungsgesetzes, sowie das Verschulden der Beschwerdeführerin nicht als geringfügig angesehen werden kann.

- Die zu diesem Zeitpunkt anwesende Beschwerdeführerin leistete der zwei Mal ausgesprochenen Aufforderung, den Versammlungsort zu verlassen, keine Folge. Sie hat weder selbständig Maßnahmen zum Loslösen ihrer angeklebten Handfläche gesetzt, noch hat sie nach dem Ablösen der Hand vom Asphalt durch Polizeibeamte freiwillig die Autobahn verlassen, sondern musste von Polizeibeamten weggetragen werden.
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Strengere Strafen
Die Vorfälle rund um die Blockade der A13 durch Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ waren ein unzumutbares Ärgernis für die Autofahrer, erklärt die FPÖ in einer Aussendung. „Es kann nicht sein, dass eine „Aktivistin“ nun nach dieser gefährlichen Straßenblockade mit einer lächerlichen Strafe von 70 Euro davonkommt, während ihre Komplizen straffrei bleiben. Diese unverhältnismäßigen Konsequenzen sind ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich an die Gesetze halten und im Straßenverkehr auf Sicherheit angewiesen sind“, kritisiert FPÖ-Landesparteiobmann LA Markus Abwerzger. Die Blockade der Brennerautobahn hatte nicht nur zu massiven Verkehrsbehinderungen geführt, sondern auch das Leben vieler Menschen gefährdet. Die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft Innsbruck keine strafrechtlichen Konsequenzen wegen vorsätzlicher Gemeingefährdung erkannte, sei schlichtweg unverständlich. Hier wird ein gefährliches Signal gesendet: Wer sich mit einem „achtenswerten Beweggrund“ hinter einem Protest versteckt, kann ohne ernsthafte Konsequenzen agieren. „Ich fordere eine spürbare Strafverschärfung für solche Aktionen! Die Freiheitlichen hatten bereits Anträge im Nationalrat dazu eingebracht, um die „Behinderung der Hilfeleistung“ mit bis zu sechs Monaten Haft zu bestrafen – und ich unterstütze diese Initiative weiterhin voll und ganz.“
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