Gastrozukunft Teil 3
Wohin geht die Innsbrucker Gastronomie

Viktoria Steger, Gastronomieberaterin aus Südtirol über die Innsbrucker Gastronomiezukunft | Foto: Foto: Privat
  • Viktoria Steger, Gastronomieberaterin aus Südtirol über die Innsbrucker Gastronomiezukunft
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Die Stadtblattredaktion hat vier Experten eingeladen, sich Gedanken über die Zukunft der Gastronomieszene in Innsbruck zu machen. Josef "Pepi" Hackl (Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der WK Tirol), Markus Stegmayr (Genussexperte), Viktoria Steger (Gastronomieberatung) und Patrick "Liebie" Liebhart (Gastronom in Innsbruck) geben Antworten auf die Fragen.

Teil 3: Viktoria Steger

Stadtblatt: Gastronomie in Innsbruck, was fällt Ihnen dazu ad hock ein?
Viktoria Steger: Die Gastronomie in Innsbruck und im Umfeld von Innsbruck ist sehr vielfältig undspricht eigentlich alle Altersgruppen an. Selbstverständlich sehnen wir junge Menschen uns andauernd nach neuen Konzepten, neuen Angeboten und gastronomischen Innovationen um. Die Universitäten, das Kongresszentrum, die Outdoor-Szene sowie der Tourismus bringen ein internationales Publikum in die Stadt. Hier besteht die große  Herausforderung für die Stadt und damit auch für Tirol, dass das Authentische, das Typische, die eigene Essens- und Küchenkultur erhalten bleibt, aber auch laufend auf den neuen Zeitgeist ausgerichtet ist, ja dem aktuellen Zeitgeist entspricht. Hier ist auch Innsbruck durch Megatrends wie Individualisierung und Neo-Ökologie damit konfrontiert, neue kreative Wege zu suchen, wie die eigene gastronomische Identität attraktiv und innovativ bespielt werden kann um den Bedürfnissen und Sehnsüchten der Einheimischen, der Studenten sowie der Touristen zu entsprechen und bestenfalls diese zu übertreffen. Meiner Meinung nach liegt jedoch die größte Herausforderung darin, die eigenen Landsleute für die Gastronomie, für die Tiroler Küche zu begeistern, so dass alte und neue Gastronomiekonzepte mit einer eigenen, starken und innovativen Identität inszeniert werden. Nur dadurch kann eine starke und nachhaltige Entwicklung der Gastronomie und der Tourismusbranche garantiert werden.

"Nur von der Tradition allein, kann niemand überleben. So wertvoll sie auch sein mag." Viktoria Steger

In den vergangenen Jahren gab es laufend Änderungen bei den rechtlichen Rahmenbedingungen, Paradebeispiel die Frage Raucher/Nichtraucher. Fehlt es an Rechtssicherheit?
Wenn man dies am Beispiel von Südtirol und Italien vergleicht, dann fehlt es hier wahrlich an Rechtssicherheit. Es ist ganz normal, dass die Gastronomie hier unterschiedliche Argumente einbringt. Eine klare Entscheidung mit einer zeitlich begrenzten Übergangsregelung, ist für die Wirtschaft und in diesem Moment für die Gastronomie entscheidend. Die Südtiroler Gastronomie hat von einer klaren Entscheidung durch den Gesetzgeber profitiert. Und aus einer scheinbaren Schwäche, eine Stärke gemacht.

Mit der Kommunalsteuer hat die Stadt eine Möglichkeit, aktiv im finanziellen Bereich auf Entwicklungen zu reagieren. Soll die Stadt bei Belastungen durch Baustellen und dgl. verstärkt damit arbeiten?
Der Gesetzgeber kann durch Steuerregulierungen die Wirtschaft immer, sei es positiv, wie auch negativ beeinflussen. Die Gastronomie und die einheimische Koch- und Esskultur ist für eine Tourismushochburg wie Innsbruck, von zentraler Bedeutung. Sei es für die einheimische Bevölkerung wie auch für Touristen. Und das Wohlbefinden, wird ganz entscheidend von der Gastronomie beeinflusst. Im positiven wie im negativen.

Welche weiteren Maßnahmen würden Sie von der Stadt Innsbruck erwarten?
Die Stadt Innsbruck kann nicht selbst Gastronomie machen. Das werden immer freie UnternehmerInnen oder Unternehmensgruppen sein. Ich persönlich würde mir wünschen, wenn wieder vermehrt, authentische und nachhaltige Gastronomie auf der Grundlage der eigenen Kultur und der eigenen Tiroler Produkte entstehen würden. Das heißt für mich, die Stadt sollte alle Ressourcen und Möglichkeiten ausschöpfen, um junge Menschen für Gastronomie zu begeistern. Einerseits sollte sie neue, kreative Gastro-konzepte und -betriebe unbedingt fördern, aber gleichzeitig, noch viel wichtiger, muss den arbeitsamen Mitarbeitern in der Gastronomie sowie den zahlreichen Lieferanten und Landwirten dringendst mehr Wertschätzung und Anerkennung entgegengebracht werden. Dies bedeutet, die Stadt bzw. das Land muss dafür Sorge tragen, dass die Ausbildung ein erstklassiges Niveau erhält und dass die eigene Kultur, der eigene Boden und die eigenen einheimischen Produkte neben den vielen globalen Angeboten, hervorstechen.

Ein Standardsatz in der Diskussion ist: „Die Wirte können in zwei Gruppen eingeteilt werden: Diejenigen, die seit Jahren auf Gäste warten und so ihre eigene Zukunft verschlafen, während die anderen etwas Kreatives unternehmen, um Gäste zu gewinnen und zufriedenzustellen.“ Wie viel Spielraum gibt es noch für „Kreativität“ in der Innsbrucker Szene?
Kreativität und Innovation müssen laufend gefördert und unterstützt  werden. Kreativität ist nicht etwas kaufbares. Nein Kreativität, ist ein andauernder Prozess der Erneuerung und des Wachstums. Ja, um Neue, nachfrageorientierte und erwartungsübersteigende Produkte und Dienstleistungen zu schaffen. Die Gäste von heute und hierbei wiederum alle Altersgruppen, haben eine ungemein Sehnsucht nach Neuem. Selbst die Presse, ist andauernd auf der Suche nach kreativen Projekten, innovativen Konzepten und den hippesten Hotspots der Stadt. Darüber wird gesprochen, darüber wird diskutiert, darüber wird geschrieben und kommuniziert. Und das ist wiederum „das Salz & der Pfeffer in der Suppe“, das die gastronomische Bühne eines Gastbetriebes, ja die gastronomische Bühne einer Stadt ungemein belebt. Nur von der Tradition allein, kann niemand überleben. So wertvoll sie auch sein mag.

Convenience-Food, Delivery-Food-Dienste, Social Food, Migration Food, Polarized Eating - die Branche liebt Wortkreationen. Muss das sein?
Ja, es gibt wenige Wirtschaftszweige, die so stark der Globalisierung und denheutigen Megatrends ausgesetzt sind, wie der Tourismus und die Gastronomie. Und hier spielt das „Wording“, die intelligente Angebotsgestaltung und -vermarktung eines Produktes, einer Dienstleistung eine ungemein wichtige Rolle. Entscheidend ist, dass wir dieser globalen Entwicklung, eine starke authentische Evolution der eigenen Ess- und
Lebenskultur gegenüber stellen. Ja, es geht darum, dass Innsbruck, dass Tirol
nicht die eigene Kultur „vergisst“, ja „verliert“. Und dazu müssen wir unbedingt in eine Top Ausbildung investieren, die dem aktuellen Zeitgeist entspricht, damit junge Tiroler, die richtigen gastronomischen Antworten/Konzepte für die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft finden.

Wie schwierig gestalten sich die Personalkosten in Innsbruck? Und welche künftigen Herausforderungen (Ausbildung, Sprachen) werden an das Personal gestellt?
Bezogen auf die aktuellen Mitarbeiterkosten in Innsbruck, kann ich keine seriöse Auskunft geben. Für junge Menschen ist es allgemein sehr wichtig, dass sie eine Top Ausbildung absolvieren um im internationalen Wettbewerb um die begehrten Jobs konkurrierne zu können. Eine Top Ausbildung sollte sich heutzutage noch mehr auf die Erlernung von wertvollen persönlichen Fähigkeiten, sogenannte Soft Skills, wie Empathie, Anpassungsfähgikeit, Eigeninitiative, Durchhaltevermögen, kritischen Denkens, aber auch die Erlernung von diversen Fremdsprachen beinhalten. Durch die Entwicklungen der letzten Jahre und die vorherrschenden Megatrends wie Globalisierung, Urbanisierung sowie Konnektivität, muss einfach davon ausgegangen werden, dass die Gäste von heute höhere Ansprüche an Tourismusbetriebe sowie deren Personal haben. Auf einem bestimmten Qualitätslevel beinhaltet dies die Kenntnis von mehreren Sprachen, eine Top Ausbildung, ein sauberes Auftreten, ein internationales Mindset, eine gute Allgemeinbildung und nicht zu vergessesn, hervorragende Kenntnisse über die eigenen Produkte und deren Geschichte. Zudem möchte der Gast von heute rund um die Uhr eine hervorragende Dienstleistung erleben. Dass eine stets hervorragende Dienstleistung in sich ungemein schwierig ist, ja fast unmöglich ist, ist klar. Das liegt unter anderem an der Natur des touristischen Produktes. Hier sind die jeweiligen Institutionen, die Stadt, die  Ausbildungsstätten und die Wirtschaft und damit die Betriebe wahrlich gefordert, Antworten für die Zukunft zu finden.

Es gibt eine rückläufige Entwicklung bei der Anzahl der Gastrobetriebe. Wie viele werden es 2025 in Innsbruck sein?
6-7 Jahre sind in der Trendgastronomie eine kleine Ewigkeit. Tatsache ist, dass die gastronomischen Player am Weltmarkt alle wichtigen Städte der Welt besetzen möchten. Dadurch kommt die lokale, traditionelle Gastronomie – vor allem jene Betriebe die nicht andauernd innovieren (können) – enorm unter Druck. Wie schon vorher aufgezeigt, kann hier die Stadt, das Land, die jeweiligen Interessensverbände dagegen steuern. Es ist entscheidend, was die Stadt, was das Land will und worauf sie ihren Fokus legen. Innsbruck ist die Landeshauptstadt Tirols und hat dahingehend eine höchst positive/negative Leuchtkraft auf das ganze Land Tirol.

Abschließend: Gehen Sie selbst persönlich auch gerne in ein Lokal?
Aufgrund meiner Ausbildung an der Landeshotelfachschule in Bruneck, Studienaufenthalten in Innsbruck, Rom und Südafrika, die Mitarbeit im Familienunternehmen sowie eine persönliche Leidenschaft fürs Reisen, bin ich mit einer Vorliebe für gutes Essen, aufgewachsen. Ich persönlich koche ungemein gerne und probiere liebend gern neue Kreationen aus, das liegt wahrscheinlich daran, dass auch meine Eltern in bzw. mit der Gastronomie aufgewachsen sind. Ich würde schon behaupten, dass mir die Leidenschaft für gutes Essen sozusagen in die Wiege gelegt wurde. Ich darf mich überaus glücklich schätzen, dass ich bis heute bereits ungemein viele Betriebe, Gastro-Konzepte sowie Essenskultur weltweit kennen lernen durfte. Gutes Essen und Trinken in einem schönen Lokal ist wahrlich ein Erlebnis. Und dahingehend ist jeder Besuch in einem interessanten Lokal für mich ein ganz besonderes Geschenk.

Die gesamte Diskussion können Sie auf meinbezirk.at verfolgen und auch jederzeit mitdiskutieren. Den Beginn machte KommR  Josef Hackl, in Folge zwei gab es das Statement von Markus Stegmayr und den Abschluß bildet Patrick Liebhart.

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