Familien in Not auf Warteliste
Pädagogen schlagen Alarm

Der neue Imster Kinderdorfleiter Christian Murer mit der pädagogischen Leiterin Andrea Worsch. | Foto: Perktold
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Die Pädagogen im Imster Kinderdorf schlagen Alarm. Es fehlt an Betreuungsplätzen für das Eltern-Kind-Wohnen. Eine Warteliste liegt am Tisch, die öffentliche Hand ist gefordert.

IMST. Seit dem 1. Jänner 2024 leitet Christian Murer das SOS-Kinderdorf in Imst. Er bringt jahrelange Erfahrung aus der mobilen Familienarbeit mit und will nun auch in Imst einen starken Fokus auf Prävention setzen. Damit Familien in schwierigen Lebenslagen eine Chance haben.
Die Pädagogische Leiterin im Eltern-Kind-Wohnen Andrea Worsch sieht dringenden Handlungsbedarf: "Es fehlt an Betreuungsplätzen. Wir sind mit einer Warteliste von neun Familien konfrontiert und könnten zwei Plätze im Kinderdorf anbieten. Die öffentliche Hand ist hier gefordert, entsprechende Mittel freizumachen."
In den 75 Jahren, die SOS-Kinderdorf nun besteht, hat sich die Gesellschaft geändert. Und mit ihr ändern sich auch die Anforderungen an SOS-Kinderdorf.
Familien geraten immer mehr unter Druck, denn Krisen, Krieg, Teuerungen und psychische Belastungen sind allgegenwärtig. Wenn sich Alltagsprobleme aufstauen, reicht oft eine einzige Zusatzbelastung, wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsverlust, Krankheit, Trennung der Eltern oder ein Todesfall in der Familie, um das Gesamtgefüge ins Kippen zu bringen. Am schlimmsten trifft es dabei immer die Kinder.
„Wir bemerken, dass in der aktuellen krisenbehafteten Zeit Eltern-Sein immer schwieriger geworden ist. Wenn Familien in schwierige Lebenslagen geraten, heißt das aber nicht automatisch, dass Kinder von ihren Eltern getrennt werden müssen“, so der neue SOS-Kinderdorfleiter Christian Murer.

An erster Stelle Prävention

Laut der Kinder- und Jugendhilfestatistik 2022 waren in Tirol 857 Kinder und Jugendliche in voller Erziehung betreut, das heißt fremduntergebracht (plus fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Dass die Zahl erneut steigt, statt sinkt ist alarmierend.
SOS-Kinderdorf setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Familien die notwendige Unterstützung erhalten, um stabil zu bleiben.
„Wir sehen es als unsere gesellschaftliche Aufgabe an, Familien in Krisen zur Seite zu stehen. Denn die Eltern bleiben immer die Eltern und spielen eine wichtige Rolle im Leben der Kinder“, so Murer.
Unterstützung gibt es etwa im Eltern-Kind-Wohnen. Hier ziehen ganze Familien in eine Wohnung von SOS-Kinderdorf und werden von einem Team an PädagogInnen im Alltag begleitet und betreut. So soll es gelingen, dass die Familien zusammenbleiben und langfristig wieder ein eigenständiges Leben führen können.

Hilfe zu holen ist wichtig

Doch in vielen Fällen ist die Hemmschwelle für Eltern groß, sich professionelle Hilfe zu holen. „Wir machen häufig die Erfahrung, dass sich Eltern schämen, wenn sie es aktuell nicht allein schaffen. Uns ist wichtig, dass Familien wissen: Es gibt Hilfe und Hilfe anzunehmen ist eine Stärke, keine Schwäche. Wir wollen Schutz und Sicherheit bieten, um Kindern ein Wachsen und Gedeihen zu ermöglichen und Familien eine selbstbestimmte Zukunft ermöglichen“, so die Pädagogische Leiterin im Eltern-Kind-Wohnen Andrea Worsch.
Aktuell leben sechs Familien in den Einrichtungen in Imst. Ende letzten Jahres wurde das Angebot aufgrund des hohen Bedarfs nun auch in Innsbruck mit zwei Plätzen erweitert.
„Die Erweiterung des Eltern-Kind-Wohnens ist ein erster wichtiger Schritt, um Familien unter Druck noch besser entlasten zu können.“

Sechs Familien werden betreut

Aktuell werden 43 Kinder und Jugendliche sowie 6 Familien (im Eltern-Kind-Wohnen) in Imst betreut. Die Angebote umfassen mehrere Wohngruppen für Kinder und Jugendlichen sowie Klein-WGs und SOS-Kinderdorffamilien. In der Krisenwohngruppe finden Kinder und Jugendliche in akuten Krisen ein vorübergehendes Zuhause, um abzuklären, was das Beste für das jeweilige Kind in der Situation ist.
Im Betreuten Wohnen werden Jugendliche in eigenen Trainingswohnungen in die Selbstständigkeit begleitet. Seit März 2022 finden auch rund 40 Kinder und Jugendliche gemeinsam mit ihren Begleitpersonen aus einer Betreuungseinrichtung in der Ukraine im SOS-Kinderdorf Imst ein stabiles Zuhause. 
Zur Person Christian Murer: Der gebürtige Steirer kam 2008 nach Innsbruck, um Sozialpädagogik zu studieren. Im September 2015 hat er in der Ambulanten Familienarbeit (AFA) als Pädagoge begonnen und seit Jänner 2022 war er gemeinsam mit René Huber Pädagogischer Leiter der AFA Tirol. Der zweifache Vater ist zudem ausgebildeter Coach und Supervisor.

Engagiert sich die öffentliche Hand genug in der Familien- und Jugendarbeit?

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