Sachwalterschaft neu ab 2018

- Richter Erhard Neubauer vom Bezirksgericht Hollabrunn steht voll hinter dem neuen Erwachsenenschutzgesetz. Fotos: Josef Messirek
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Das neue Erwachsenenschutzrecht bringt besachwalteten Personen eine deutliche Besserstellung.
BEZIRK (jm). Bei den 1. Retzer Justizgesprächen hielt BM Wolfgang Brandstetter ein Plädoyer für besachwaltete Personen, für die das neue Erwachsenenschutzrecht umfassende Verbesserungen bringt. Erhard Neubauer, Richter am Bezirksgericht Hollabrunn, referierte ebenfalls zu diesem Thema und gab den Bezirksblättern ein Interview über Hintergründe und Auswirkungen des neuen Gesetzes.
Warum ist ein neues Sachwaltergesetz notwendig geworden?
Neubauer: „Bisher erfolgte die Bestellung eines Sachwalters nach dem Alles-oder nichts-Prinzip. Man ging davon aus, dass die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit einer Person entweder voll gegeben war oder gar nicht“.
Was ist neu am Erwachsenenschutzgesetz?
Neubauer: „Es gibt 4 Abstufungen, also vier mögliche Arten der Vertretung einer unterstützungsbedürftigen volljährigen Person.
• Bei der Vorsorgevollmacht bestimmt der Betroffene jene Person, die für ihn Entscheidungen trifft, wenn sie selbst dazu nicht mehr imstande ist.
• Bei der gewählten Erwachsenenvertretung kann eine Person auch dann einen Erwachsenenvertreter bestimmen, wenn sie nicht mehr voll geschäftsfähig ist. • Unter einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung versteht man die Vertretung durch nächste Angehörige für maximal drei Jahre.
• Der gerichtliche Erwachsenenvertreter soll den bisherigen Sachwalter ersetzen. Seine Befugnisse sollen aber beschränkt sein und nach spätestens drei Jahren enden“.
Gibt es im Bezirk ausreichend Sachwalter?
Neubauer: „Leider nein. Wir haben massive Probleme, Sachwalter für die rund 500 Personen im Bezirk zu finden“.
Mit 500 Personen liegt der Bezirk um etwa 150 über dem österreichischen Durchschnitt. Warum gibt es bei uns so viele besachwaltete Personen?
Neubauer: „Die hohe Zahl ist damit zu erklären, dass es in Hollabrunn die Psychiatrie für das gesamte Weinviertel gibt, also vier Bezirke. Weiters haben wir im Bezirk zwei Pflegeheime, 300 Caritasplätze und die Justizanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.
Die Erwachsenenschutzvereine sollen ausgebaut und ein verpflichtendes ‚Clearing‘ eingeführt werden. Was bedeutet das?
Neubauer: „Das Gericht muss den Akt dem Verein übermitteln, wo beispielsweise ein Sozialarbeiter überprüft, ob und in welchem Umfang eine gerichtliche Erwachsenenvertretung notwendig ist und wer als ‚Sachwalter‘ tätig werden möchte bzw. könnte“.
Zur Sache:
Seit Jahrzehnten war in Österreich ein in vielerlei Hinsicht unzureichendes Sachwalterschaftsrecht in Kraft. Nun liegt endlich eine Reform vor, die Schutz vor Diskriminierung und Entrechtlichung bietet. Hunderte Fälle und Beschwerden langen bei VA Gertrude Brinek jährlich ein. Bisher wurden Sachwalterschaften als zu früh, zu umfassend, zu lange und de facto als Entrechtlichung erlebt. Das neue Gesetz soll mit 1. Juli 2018 in Kraft treten.
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