Sport als Lebensschule: Interview mit Franz Voves und Jochen Pildner-Steinburg (+Video)

Im Jahr 1972 begegneten sich Jochen Pildner-Steinburg (l.) und Franz Voves auf dem Eis, später dann oft am Flughafen Graz oder Frankfurt. Heute sind sie gute Freunde und weiterhin Eishockey-Liebhaber. | Foto: Jorj Konstantinov
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  • Im Jahr 1972 begegneten sich Jochen Pildner-Steinburg (l.) und Franz Voves auf dem Eis, später dann oft am Flughafen Graz oder Frankfurt. Heute sind sie gute Freunde und weiterhin Eishockey-Liebhaber.
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Den Ex-Landeshauptmann und den Unternehmer eint die Liebe zum Eishockey: Mit der WOCHE blicken sie zurück.

Der eine kennt das glatte Parkett der Politik, der andere weiß als Industriekapitän, wie man harte Verhandlungen führt. Was Franz Voves, den ehemaligen Landeshauptmann der Steiermark, und Jochen Pildner-Steinburg, Präsident der Graz99ers, Eishockey-Ligapräsident und Unternehmer, aber seit Jahrzehnten eint, ist nicht nur ihre gute Freundschaft, sondern auch die Liebe zum Eishockeysport, dem sie beide eng verbunden waren und sind. Für die WOCHE-Serie "Stadt in Bewegung" traf sich das Duo am Gelände der Karl-Franzens-Universität zu einem Gespräch mit Anstand und Abstand.

WOCHE: Sie kommen beide vom Eishockey. Kann man den Sport noch mit jener Zeit, als Sie gespielt haben, vergleichen?
Franz Voves: Mitte der 70er-Jahre war es schon üblich, sechs Mal die Woche zu trainieren. Ich habe beim ATSE Graz gespielt: Das Team hat aus vier bis fünf Studenten bestanden, der Rest war berufstätig und hatte schon Familie. Wir waren alle Amateure. Deshalb kann man das von der Athletik mit heute überhaupt nicht vergleichen. Wir haben damals zwar langsamer gespielt, mir kommt heute aber vor, dass es weniger Spielzüge zu sehen gibt.
Jochen Pildner-Steinburg: Spielzüge gibt es heute auch genug, es ist aber ein bisschen ein Schachspiel auf dem Eis geworden. Ein Spieler muss im Jahr 2021 in viel kürzerer Zeit auch viel schneller agieren. Leichter ist es heute aber auch wegen der Ausrüstung. Wenn unsere Handschuhe früher durchnässt waren, konntest du sie nicht mehr halten. Die Schuhe waren früher aus Leder, heute sind sie aus Karbon und federleicht.

Olympia- und WM-Teilnehmer im Eishockey: Franz Voves | Foto: Privat
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Wie sind Sie eigentlich zu diesem Sport gekommen?
FV: Ich habe früher im Nachwuchs bei Sturm im Tor gespielt. Erst später wurde das Eisstadion in Liebenau gebaut. Dann hat die Bundesanstalt für Leibeserziehung 20 jungen Burschen aus der Umgebung die damals unleistbare, schwere Eishockeyausrüstung zur Verfügung gestellt. Ich kam ebenso in den Genuss wie STS-Mann Gert Steinbäcker. Als damals 13-Jähriger hat mich der damalige tschechische ATSE-Trainer beobachtet und gesagt, du kommst morgen sofort zum ATSE. Und auf einmal war ich bei Sturm weg und habe mit 15 Jahren in der Kampfmannschaft debütiert.
JPS: Wir waren finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet, aber mein Vater hat geschaut, dass mein Bruder und ich Sport machen konnten statt sinnlos herumzusitzen. Ich habe dann beim GAK Eishockey gespielt und musste mich später entscheiden: Will ich Profi werden oder ein Unternehmen führen?
FV: Ich hätte nach meiner Olympia-Teilnahme zu den Kölner Haien wechseln können. Der Klub hätte mich aber zwei Jahre gesperrt, wenn ich gewechselt hätte. Eine Sportlerkarriere war auch bei mir nicht denkbar, da ich sehr früh eine Familie gegründet habe. Man muss sich vorstellen: Ich bin damals mit einer Tragetasche ins Sanatorium gefahren, um meine neugeborene Tochter nach Hause zu holen und habe zuvor noch meine letzte Prüfung auf der Uni geschrieben.

Für den GAK auf dem Eis unterwegs: Jochen Pildner-Steinburg | Foto: Privat
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JPS:
Damals hast du vom Eishockey ja nicht leben können, heute ist das ein Ganztages-Profijob. Wir haben uns seinerzeit das Studentenleben aber nicht nehmen lassen und unsere Feste gefeiert.
FV: Also die Posaune neben der Uni habe ich schon sehr gut kennengelernt (schmunzelt). Das soll aber nicht heißen, dass wir den Sport nicht ernstgenommen haben. Vor einem Spiel waren wir sicher nicht unterwegs.

Sie waren bzw. sind beide Spieler und Eishockeyfunktionäre: Hilft die doppelte Sichtweise?
FV: Im Alter von 28 Jahren hat mir mein damaliger Generaldirektor bei der Merkur Versicherung, wo ich gearbeitet habe, gesagt, ich soll ATSE-Obmann werden. Er hat mir aufgezählt, welche Sponsoren er an Land ziehen wird. Sportlich sind wir in der damaligen zweiten Liga Meister geworden und wollten aufsteigen. Dann erfahre ich, dass die Sponsoren abgesprungen sind. Erklär' das den Spielern! Danach wollte ich kein Funktionär mehr sein. Aber Hand aufs Herz: Heute muss man jedem dankbar sein, der das macht. Nur, weil einer ein guter Spieler war, ist er aber noch kein guter Präsident.
JPS: Früher kamen die Funktionäre meistens aus dem Eishockey, mit Ausnahme von Hannes Kartnig. Der war zuerst Sekretär beim GAK und ist später zum EC Graz gewechselt, weil er einmal in seinem Leben Präsident sein wollte.

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Sie sind beide dafür bekannt, auch unkonventionelle Entscheidungen zu treffen ...
JPS: Als der GAK-Eishockeyverein pleite ging, weil der damalige Präsident einen Präservative-Sponsor aus moralischen Gründen abgelehnt hat, haben Ernst Schöffel und meine Wenigkeit etwas völlig Undenkbares gemacht. Wir haben einen Verein der Sportunion mit einem ASKÖ-Verein fusioniert. So ist übrigens der EC Graz als Vorgänger der 99ers entstanden.
FV: Ich habe mit den Gemeindezusammenlegungen dann in meiner Zeit als Politiker auch etwas Verpöntes gemacht (lacht). Später habe ich dann mit der Sanierung der alten Unionhalle samt Hallenbad begonnen. Da haben viele aufgeschrien und gesagt, der Voves war doch beim ASKÖ! Ich habe ihnen geantwortet: Im Sport gibt es keine Parteipolitik.

Stichwort Politik: Wird Sport ausreichend gefördert?
JPS: Was das Sportsponsoring betrifft, sind wir in der Steiermark Notstandsgebiet. Wir haben in der steirischen Industrie, und das sage ich als ehemaliger IV-Präsident, Unternehmen, die nicht einmal wissen, was es für Sportarten gibt. Der fragt dann: "Warum soll ich auch nur eine Industrieanlage mehr verkaufen, wenn ich Geld in den Sport stecke?" Mit dem Franz als Landeshauptmann hat sich dann einiges zum Positiven verändert, auch Hermann Schützenhöfer hat die Arbeit dann prolongiert. Zum Glück ist auch die Stadt Graz auf den Zug aufgesprungen. Leider jammern wir aber heute ständig über mangelnden Schulsport und künftige Couchpotatoes, die sich nicht mehr bewegen können, tun aber nichts dagegen. Nach der Coronakrise wird es eine Adipositaskrise geben! Es gibt heute selbst in der Gesundheitsbranche Firmen, die nicht einen Euro in den Sport stecken. Da kommt mir das Grauen.
FV: Die Leute müssten begreifen, dass der Sport eine Lebensschule ist. Du lernst dort mit Niederlagen, aber vor allem auch mit Siegen umzugehen und dass du ohne das Team nicht funktionieren kannst. Diese Dinge habe ich in meiner gesamten Karriere immer wieder gebraucht. Die gelernten Berufspolitiker haben auch zwei Jahre gebraucht, bis sie mein Angebot, den Standort Steiermark zu verbessern, angenommen haben. Ich wollte immer gestalten, nicht verwalten – genau dafür brauchst du, wie im Sport, Teamwork. Jedenfalls in einer Regierung!

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