Wohnsitzaffäre
Verfassungsexperte zweifelt Vorgehen der Grazer KPÖ an
In der Wohnsitzaffäre der Grazer KPÖ äußert der anerkannte Verfassungsjurist Peter Bußjäger starke Bedenken gegenüber dem Vorgehen der Stadt Graz und von KPÖ-Stadtrat Manfred Eber.
GRAZ/STEIERMARK. Es ist ein leidiges und doch immer wieder spannendes Thema: Müssen Politiker auch zwingend dort wohnen, wo sie ein politisches Mandat annehmen? Oder gilt die durch die politische Tätigkeit intensive Arbeitszeit als ausreichend, um so etwas wie einen Lebensmittelpunkt zu konstruieren? Rein rechtlich ist es laut Wahlrecht so, dass der Hauptwohnsitz in jener Gemeinde liegen muss, in der man tätig ist – dieser wiederum definiert sich vor allem über den Lebensmittelpunkt, eine sehr schwammige Formulierung.
Zwei prominente Anlassfälle der letzten Wochen haben diesem Thema wieder einiges an Zündstoff verliehen: Zum einen geht es dabei um den neunen SPÖ-Chef in Niederösterreich Sven Hergovich, der aufgrund seiner Tätigkeit als AMS-Chef in Wien gewohnt hat. Der will allerdings Kritikern gleich allen Wind aus den Segeln nehmen, er wird, so heißt es, in den nächsten Tagen mit Lebensgefährtin, Sack und Pack von der Bundeshauptstadt nach St. Pölten übersiedeln.
Die KPÖ und ihr "Seiersberg-Stadtrat"
Weniger klar ist die Lage beim in Graz tätigen KPÖ-Stadtrat Manfred Eber. Wie er selbst recht freimütig eingesteht, hat er seinen Hauptwohnsitz zwar in einer Grazer Wohnung gemeldet, mehrheitlich wohnt er allerdings in einem Haus in Seiersberg (Bezirk Graz-Umgebung). Das sei rechtlich irrelevant, behauptet in diesem Zusammenhang die KPÖ. Dabei beruft man sich auf den Grazer Magistratsdirektor Martin Haidvogl, der den Lebensmittelpunkt von Eber in Graz sehen würde – auch bezugnehmend auf den ehemaligen ÖVP-Stadtrat Werner Miedl. der 2008 aus diesem Anlass zwar zurücktrat, zwei Jahre später rechtlich rehabilitiert wurde.
"Wohnsitz kann nicht beliebig sein"
Um hier für Klarheit zu sorgen, hat MeinBezirk.at bei einem der renommiertesten österreichischen Verfassungsjuristen, Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck, nachgefragt. Bußjäger sieht die Grazer Vorgehensweise sehr kritisch: Eine Erklärung, dass man seinen Lebensmittelpunkt ohnehin in Graz habe, sei zwar ein Indiz, aber auch nicht mehr. Es sei sehr wohl Aufgabe der Behörden, dies zu hinterfragen. Aus seiner Sicht wäre es Auftrag des Gemeinderats hier tätig zu werden. "Es müsste im Gemeinderat ein Antrag gestellt werden, dass der betreffende Politiker seines Amtes verlustig wird, dann ist es Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs dies zu prüfen."
Kärntner im steirischen Landtag?
Klar sei jedenfalls, so Bußjäger, dass der Wohnsitz nicht beliebig gewählt werden könne. Würde man nämlich das "Grazer Modell" fertigdenken, könnte dies zum Beispiel dazu führen, dass jemand, der angrenzend an die Steiermark in Kärnten oder Niederösterreich wohnt, aber in der Steiermark arbeitet, auch im steirischen Landtag sitzen könne. Natürlich könne man darüber diskutieren, ob die Wahlordnung noch zeitgemäß ist oder ob es Änderungen, vor allem in Ballungsräumen, braucht. Schlussendlich sei im vorliegenden Fall eines abzuwägen, so Bußjäger abschließend: "Ist es mir wichtig, dass jemand, der in Graz an der politischen Willensbildung teilnimmt, auch in Graz wohnt?"
Zur Vorgeschichte in Graz:
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