Baumrodungen
Wenn für den Hochwasserschutz Naturraum weichen muss
Um Schutz vor Hochwasser zu bieten werden die Grazer Bäche sukzessive ausgebaut. Dass dies auch auf Kosten von Naturraum geht, ist klar, sorgt jedoch für Kritik, vor allem wenn der Umbau bis auf das Privatgrundstück spielt.
GRAZ/ANDRITZ. Das Frühjahr steht bevor, doch anstelle von Blumen für den Garten, werden Sandsäcke eingelagert. Es folgt das große Zittern und die Frage: Wann kommt das Hochwasser? Was als Handlung eines Katastrophenfilms funktionieren könnte, ist Realität für viele Grazerinnen und Grazer. Um Schutz vor Überschwemmungen zu sichern, werden seit Jahrzehnten die Bäche der Stadt ausgebaut. Doch der Klimawandel mit Starkregenereignissen und zunehmende Bodenversiegelung machen den Kampf schwer. Auch der Bachausbau ist nicht frei von Kritik.
Wenn Schutz Naturraum kostet
Ein Beispiel liefert der Bezirk Andritz. "Ich wohne seit meiner Kindheit in Andritz und der Schöckelbach sorgt immer wieder für Probleme – in den letzten Jahren haben diese jedoch zugenommen, was nicht zuletzt mit der zunehmenden Bodenversiegelung in dem gesamten Bezirk zu tun hat", berichtet uns eine Anwohnerin von Andritz (Name der Redaktion bekannt). Insbesondere das Hochwasserereignis von 2021 ist noch frisch im Gedächtnis. Umso unverständlicher stehen viele Andritzerinnen und Andritzer den derzeitigen Rodungsarbeiten entlang des Schöckelbachs gegenüber.
Hier mussten zwischen Rotmoosweg und Radegunderstraße im Zuge des Bachausbaus zahlreiche Bäume weichen. "Als Anwohnerin in diesem Gebiet bin ich zwar dankbar für die getroffenen Hochwasserschutzmaßnahmen der letzten Jahre, aber die radikale Abholzung an einem Ort, an dem der Bach bereits tief und breit ist, empfinde ich als äußerst unverhältnismäßig", macht eine Leserin gegenüber MeinBezirk.at ihrem Ärger Luft.
Auf Nachfrage erläutert Michael Brauchart vom Referat für Gewässer und Hochwasserschutz der Stadt Graz, dass Alternativmaßnahmen geprüft worden seien, man aber in bestimmten Abschnitten nicht um eine Verbeiterung herum käme. Um die Rodung der Bäume zu kompensieren, wurde aber ein ökologisches Begleitprogramm erarbeitet. So sollen für 800 gefällte Bäume 5.000 neue nachgepflanzt werden. Für die Bewohnerinnen und Bewohner ein schwacher Trost. "Auch wenn das Setzen zahlreicher neuer Bäume und Büsche im Zuge des Projekts geplant ist, wird es Jahrzehnte dauern bis die Ufer des Schöcklbaches wieder annähernd so dicht bewachsen sein werden", heißt es.
Ausbau auf privatem Grund
Ähnlich gelagert, jedoch weitaus privater wird es unterdessen beim Hochwasser-Ausbau am Stufenbach. Ein Abschnitt des Baches fließt über das Grundstück von Anton Germann. Dieses soll nun für den Fall eines 100-jährigen Hochwasser ausgebaut werden, weshalb die Stadt Graz den entsprechenden Grundabschnitt erwerben möchte. Germann fürchtet um den dortigen Naturraum. "Wir hatten noch nie Hochwasser auf unserem Grund. Ich habe noch selbst den Bach Anfang der 90er Jahre auf Aufforderung der Stadt hin ausgebaut. Das soll auf einmal nicht mehr ausreichen?", ärgert sich Germann gegenüber MeinBezirk.at.
Bisherige Kaufvorschläge hat er abgelehnt. "Ich bin für Hochwasserschutz, aber es ist frustrierend, dass nach diesen Plänen unser schöner Naturraum im Garten verschwinden muss. Da muss es doch eine andere Lösung geben", so Germann.
Weiterer Ausbau
Von Seiten der Stadt gibt man sich diplomatisch. "Wir versuchen bei solchen Grundstücksablösen immer eine Lösung zu finden, die alle Beteiligten zufrieden stellt", erklärt Brauchart. Man müsse den Hochwasserschutz ganzheitlich betrachten, um Gefahrenstellen zu entschärfen, mache das auch den Ausbau von Abschnitten nötig, wo es selten zu Hochwasser kommt. Am Schöckelbach habe man schon viel erreicht, der Ausbau wird allerdings in den nächsten Jahren noch weiter gehen.
Bis sich aber auch eine Lösung für Bodenversiegelung und nicht versickerndes Hangwasser findet, müssen die Andritzerinnen und Andritzer wohl weiterhin Sandsäcke bereit halten.
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