Familienflüsterer Dr. Streit
Raus aus der Patchwork-Falle

Der Familienflüsterer erklärt, wie Patchwork-Familien funktionieren können. | Foto: Pixabay
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Seine / Ihre Ehe oder Partnerschaft zerbricht, dann treffen sie sich: Sie lieben sich und planen zusammenzuziehen und zumindest ein Kind aus einer früheren Beziehung soll im gemeinsamen Haushalt mit dabei sein.
Das moderne Wort für Stieffamilie heißt seit Mitte der 1980ern Patchwork- oder Netzwerkfamilie. Das klingt cool und ist auch eine gute neue Lösung, bringt aber so seine Herausforderungen mit sich.
Wie finden sich die neuen Lebenswelten der Partner mit all ihren Geschichten und früheren Kommunikationsmustern? Wer hat was zu sagen in der Erziehung der mitgebrachten oder besuchenden Kinder? Wie umgehen mit den Ängsten und Sorgen der Kinder, die eigentlich gegen ihren Willen einen Elternteil nicht mehr im gemeinsamen Haushalt haben und Angst haben, den anderen zu verlieren? Wie umgehen mit Respektlosigkeit von Kindern gegenüber dem neuen Partner? Welche Rolle, welchen Platz haben die Kinder? Was, wenn nun ein neues Kind auf die Welt kommt? Und wie geht das mit den Großeltern, die möglicherweise zahlreich vorhanden sind?
Die Familienforschung belegt klar: Sich Zeit zu lassen mit der Gründung und dann Geduld zu haben, ist das Um-und-auf in Patchworkfamilien. Nur allzu schnell wird oft zusammengezogen und die Zeit unterschätzt bis alles funktioniert. Das dauert so zwischen drei bis sieben Jahre. Und es gibt No-Gos für Patchworkfamilien: 


  1. Den Ex-Partner außen vorlassen. 

  2. Die Kinder als Spielball der Gewalten zwischen Ex-Partner und im Haushalt lebendem Elternteil verwenden. 

  3. Tolerieren, dass Kinder Rollen übernehmen, wie etwa Repräsentant des Ex-Partners in der Familie. Dies führt in schöner Regelmäßigkeit zu groben Streitigkeiten zwischen den neuen Partner und psychischen Problemen der Kinder oder Jugendlichen.

Hier nun einige Tipps, wie Patchwork gelingen kann:

  1. Lassen Sie sich Zeit mit dem Zusammenziehen. Klären Sie die Umstände genau.
  2. Haben Sie Geduld, bis die Patchworkfamilie sich einrenkt. Das dauert schon so seine Zeit.
  3. Erkennen Sie den früheren Partner als eben diesen vorbehaltlos an und vor allem als Vater oder Mutter der mitgebrachten Kinder. Vor allem als Stiefeltern: Wertschätzen Sie seine / ihre Bedeutung als Vater oder Mutter.
  4. Nähern Sie sich als Stiefvater oder -mutter behutsam Ihrem Stiefkind an. Akzeptieren Sie gewisse Vorbehalte. Übereilen Sie nichts mit Erziehungsmaßnahmen.
  5. Beachten Sie, dass Ihnen das Recht zum Erziehen verliehen werden muss - und zwar von der leiblichen Mutter oder dem leiblichen Vater.
  6. Seien Sie in der neuen Familie offen, authentisch und klar. Geben Sie klare Regeln vor. Machen Sie das mit Ihrem neuen Partner. Diese Regeln gelten im neuen Haushalt.
  7. Achten sie auf einen respektvollen Umgang des Stiefkindes mit Ihrem neuen Partner, Ihrer neuen Partnerin. Sagen Sie entschieden Nein, wenn Kinder dazu tendieren, oft unbewusst in Rollen zu schlüpfen, die ihnen nicht zustehen: Stellvertreter des Vaters oder der Mutter in der neuen Familie, Prinz oder Prinzessin.
  8. Gönnen Sie Ihrem mitgebrachten Kind als Elternteil oft auch Qualitätszeit zu zweit. Wenn das Kind zu Besuch kommt, verbringen sie ausreichend Zeit allein mit ihm, um dann auch gemeinsame Zeit zu verbringen
  9. Trauen Sie allen zu, dass jeder seinen Beitrag leisten kann, und integrieren sie.
  10. So kann Patchwork gut gelingen und auch eine unglaubliche Bereicherung sein, denn die Vielfalt der Erfahrungen macht die Kultur des Lebens aus.
Der Experte für Familienfragen: Philip Streit | Foto: Jorj Konstantinov
  • Der Experte für Familienfragen: Philip Streit
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Der Experte
Dr. Streit Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater. Seit 1994 leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das auch jetzt für Sie unter 0316/77 43 44 da ist.
Web: www.ikjf.at
Haben Sie Fragen, wie sie ihr Leben gestalten sollen, brauchen Sie Rat? Ihre Fragen an Dr. Philip Streit gerne jederzeit an: redaktion.graz@woche.at

Der Familienflüsterer erklärt, wie Patchwork-Familien funktionieren können. | Foto: Pixabay
Der Experte für Familienfragen: Philip Streit | Foto: Jorj Konstantinov
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