Hilfe, mein Kind ist schüchtern: Wie Eltern am besten reagieren

Zuerst möchte ich Sie beruhigen: Schüchternheit ist keine psychische Erkrankung. Schüchternheit ist vielmehr eine Angelegenheit des Temperaments.
Schüchterne gehören zu den zehn Prozent der Kinder, die schneller von Umwelteindrücken überwältigt sind und den Rückzug als gute Bewältigungsstrategie sehen. Darin liegt viel Potenzial. In der Ruhe liegt die Kraft, sagt ein Sprichwort.
Manchmal hören Kinder auf zu sprechen. Dies geschieht oft nach traumatischen Ereignissen, wenn sie sich sehr schämen oder isoliert fühlen. Das nennt man Sprachverweigerung oder Mutismus. Schweigen ist eine machtvolle Antwort. Dies kann jeder bestätigen, der schon einmal ein schweigendes Kind erlebt hat.

Schüchternheit an sich ist kein Problem. Wir können sie aber zum Problem machen, indem wir unsere Kinder dazu drängen, aktiv zu sein, zu sprechen oder ihnen alles abnehmen, auch das Sprechen.

Wie können Sie Ihr Kind unterstützen?
1. Verbinden Sie sich mit ihm, machen Sie etwas gemeinsam ohne gleich drauflos zu plappern. Betrachten Sie etwa eine schöne Szene. Sie werden sehen, die Worte kommen von selbst.
2. Schaffen Sie auch kleine Möglichkeiten für Sozialkontakte: Fördern Sie Aktivitäten mit einem Freund. Jedes Kind hat zumindest einen Freund.
3. Begleiten Sie Ihr Kind zu einer neuen Situation, etwa einer Party oder in die Schule. Nehmen Sie ihm aber das Hineingehen nicht ab oder zerren es gar dorthin.
4. Verlassen Sie mit Ihrem schüchternen Kind nie eine neue, herausfordernde Situation. Muten Sie ihm zu, damit umzugehen. Helfen Sie, aber lösen Sie die Situation nicht für ihr Kind.
5. Nutzen Sie Momente, in denen Sie sich nahe sind, um über Erfahrungen mit Schüchternheit zu sprechen. Lassen Sie Ihr Kind erzählen.
6. Suchen Sie Situationen, in denen Ihr Kind zeigen kann, was es kann, etwa im Sport. Schaffen Sie kleine Herausforderungen. Schüchterne Kinder wünschen sich oft Mutproben. Genießen Sie dann gemeinsam den Erfolg.

Dr. Philip Streit
ist Psychologe und Psychotherapeut.
Er leitet das Institut für Kind, Jugend und Familie.
Ihre Frage können Sie
per E-Mail an die Redaktion schicken: elisabeth.poetler@woche.at

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