"Eine Leerstandserhebung löst kein Problem!"
Bei der Frage nach dem Umgang mit Wohnungsleerständen sind die Meinungen in Graz gespalten.
Schon seit Längerem laufen die Baumaschinen in Graz nicht nur im Sommer heiß, wenn wieder einmal die Straßen der Landeshauptstadt saniert werden müssen. Um dem Zuzug gerecht zu werden, schießen in den letzten Jahren vor allem Wohnbauten aus dem Boden wie die Schwammerl. Darf man Doris Pollet-Kammerlander glauben, entsprächen viele dieser Neubauten aber nicht den Bedürfnissen der meisten Grazer. „Der Wohnungsleerstand in Graz muss erhoben werden!“, lautete deshalb in der letzten WOCHE-Ausgabe die Forderung der Soziologin. Ihr Ziel ist es, das Problem in der Stadt zum Thema zu machen, um entsprechend darauf reagieren zu können.
Fehlende Rechtssicherheit
Eine Forderung, die in Graz aber nicht jeder unterstützt: „Eine Leerstandserhebung löst kein Problem!“, lautete etwa die Reaktion unseres Lesers Albert Tinnacher, der stattdessen eine Erforschung der Gründe für einen Leerstand aus Sicht der Vermieter beziehungsweise der Hausverwalter für sinnvoll hielte. „Wer mit Mietern schlechte Erfahrungen gemacht hat, wird warten, bis die ‚richtigen Mieter‘ nachfragen oder gefunden werden“, so Tinnacher, der auch die fehlende Rechtssicherheit für Vermieter als möglichen Grund für einen Leerstand nennt: „Allgemein ist bekannt, dass man Mieter nicht so schnell los wird – siehe ‚Mietnomaden‘ (Personen, die eine Mietwohnung beziehen, ohne die Miete zu bezahlen und nach Aufdeckung in die nächste Mietwohnung weiter ziehen, ohne ihre Mietschulden zu begleichen, Anm.). Warum soll sich ein Vermieter vorsätzlich schädigen lassen?“
„Effekt vernachlässigbar“
Ebenfalls gegen eine Erhebung des Wohnungsleerstandes ist die ÖVP, die im November 2015 bereits gegen einen entsprechenden Antrag der SPÖ im Gemeinderat gestimmt hat. Grund für die Ablehnung war laut Peter Stöckler, Wohnungssprecher der Grazer Volkspartei, dass in dem Antrag zur Erhebung des Leerstandes in der Stadt bereits eine mögliche Leerstandsabgabe mitgeschwungen sei. „Eine Erhebung alleine ist kein Problem, – auch, wenn man fragen muss, ob sich der administrative Aufwand lohnt. Wir sind aber auf jeden Fall strikt gegen weitere Abgaben. Deren Effekt auf den Wohnungsmarkt wäre in Graz wohl ohnehin vernachlässigbar“, so Stöckler, dem Daniela Gmeinbauer, ÖVP-Clubobfrau im Gemeinderat, zustimmt: „Wir sind gegen eine Leerstandsabgabe, weil Beispiele aus anderen Städten zeigen, dass das den Wohnraum nicht vermehrt hat. Da wurden zum Beispiel Scheinmieter eingesetzt, um die Regelungen zu umgehen.“
KPÖ: Leerstandsabgabe denkbar
Naturgemäß anders sieht man das im Büro von Wohnungsstadträtin Elke Kahr, wo eine Leerstandserhebung bereits seit vielen Jahren gefordert wird. „Ich fürchte nur, dass das Ergebnis dieser Ehebung vielleicht nicht zeitnah das bringt, was man sich vorstellt – nämlich eine Reduzierung von leerstehenden beziehungsweise ein Mehranbot von leistbaren Wohnungen“, so die Vizebürgermeisterin. „Wichtiger wäre meiner Meinung nach eine Mietrechtsreform mit Regelungen, die für niedrigere Mieten sorgen.“ Nichtsdestotrotz lässt die KPÖ gerade prüfen, ob und wie eine Leerstandserhebung in Graz sinnvoll wäre – im Gegensatz zur ÖVP könne man sich dann unter bestimmten Bedingungen auch eine Besteuerung des Leerstandes vorstellen.
Woche-Wissen
Man kann zwischen zwei Arten von Leerstand unterscheiden: Während der primäre Leerstand (z.B. eine leerstehende Wohnung zwischen zwei Mietern) notwendig ist, damit sich eine Stadt stetig weiterentwickeln kann, ist der langfristige Leerstand zu vermeiden, da benötigte Flächen ungenutzt bleiben und oft als Spekulationsobjekte missbraucht werden.
Schreiben Sie
Ihre Meinung ist gefragt: Sollte der Wohnungsleerstand in Graz erhoben werden? Wie sollte auf den Leerstand reagiert werden? Wie könnten leerstehende Wohnungen zwischengenutzt werden? Wie stehen Sie zu einer möglichen Leerstandsabgabe? Schreiben Sie Ihre Gedanken und Ideen an leserbrief
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.