Die Textilfabrik fällt zusammen
Anderlfabrik, die vergessenen Erinnerungen

- Das Bürogebäude
- Foto: Julia Winkler
- hochgeladen von Julia Winkler
Die Zeit scheint in der alten Textilfabrik der Firma Anderl stehen geblieben zu sein. In den Webstühlen befinden sich noch angefangenen Strickerein, eingefädeltes Garn und selbst die Strickmuster sind noch in einige Webstühlen eingehängt. Ein jeder Trip, in die seit 2004 verlassene Fabrik, ist atemberaubend, es fühlt sich beinahe so an, als würde die Fabrik einem ihre Geschichte erzählen sobald man das Areal betritt. Für meinen Vater der hier aufgewachsen und 26 Jahre lang gelebt hat, ist jeder Ausflug ein nostalgischer Rückblick in seine Kindheit. Vom spielen mit den Kindern der Farbrik, die Besuche bei Johann Anderl über die Erkundungen in der Fabrik selber bis hin zu Erinnerungen an seine Eltern. Bereits in meinem vorigen Beitrag habe ich das Areal grob beschrieben. Heute widme ich mich genauer der Fabrik selbst.
Der Hof und die Einfahrt
Das erste das man bei der Einfahrt sah, war ein Portierhäuschen, welches leider nicht mehr auf seinen Platz steht. Auf der rechten Seite sind zwei große Scheunen, die als Lagerraum genutzt wurden. Daran angebunden war eine kleine Garage und neben der Garage ein kleiner Lagerraum und eine kleine blaue Scheune in der Feuerholz gelagert wurde. „Biegt“ man quasi nach links, steht man mittendrin im großen Hof.
Der Verkauf, die Lagerräume und die Büros
Auf der linken Seite war im Erdgeschoss und im ersten Stock die Hofweberei. Angeschlossen daran, kann man bis heute über eine Verbindung in den Lagerraum für die Hofweberei gehen. Dort wurden die Waren mittels Zugseil nach unten zu den LKWs geladen für den Weitertransport. Auf dem Dachboden liegen noch immer dir Kartonspulen für das Garn originalverpackt rum. Auf der Rechten Seite war im Erdgeschoss der Verkaufsraum und im ersten Stock die Büroräume. Die Wohnung von Johann Anderl war direkt an den Bürotrackt angeschlossen.
Die Wohnung von Johann Anderl
Seine Wohnung war sehr großzügig ausgestattet. Er hatte ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, eine Küche, ein Bad, ein WC und eine Raum wo sein Klavier stand. Mein Vater erinnert sich bis heute, wie seine Mutter für Herrn Anderl kochte, er ihn an den Wochenenden zum Essen einlud und wie er ihm immer etwas auf dem Klavier vorgespielt hat. Dies waren eine der schönsten Zeiten in der Fabrik. Leider sind die meisten Räume von Vandalismus betroffen und vieles wurde bereits beschädigt oder entfernt. Bis heute sind noch einige Möbelstücke mit kunstvollen Handschnitzereien zu finden. In manchen Räumen sind sogar noch Vorhänge zu finden.
Das ehemalige Heizhaus
Steht man im Hof, ist gleich vor einem das alte Heizhaus zu finden. Der Heiztank steht bis heute noch darin, wobei einige Bereiche schon ins rosten angefangen haben und das Gebäude nicht mehr betreten werden sollte. Weiter wie bis zum Eingang sollte man sich auf keinen Fall mehr vorwagen.
Das Alteisenlager
Direkt neben dem alten Heizhaus befand sich ein großes Alteisenlager. Dieses Lager war meist bis zur Decke voll mit Alteisen. Schon als mein Vater klein war, lagen hier Unmengen an Alteisen herum, heute ist der Raum komplett leer. Die neuen Besitzer werden wohl das Alteisen verkauft haben.
Die Webstühle oder auch „Weberstiere“ genannt
Geht man bei der Verbindungstür beim Verkauf gerade weiter, kommt man in den hinteren Teil der Anlage. Dort sieht man den Schlot, das neue Heizhaus und das große Büro mit der großen Fensterfront. Gleich links von einem, geht man in jenen Trakt, wo auf drei Etagen Weberstühle zu finden sind. Vom Erdgeschoss bis in den zweiten Stock ist alles voll mit den alten Webstühlen. Noch heute sieht es so aus, als währen die Mitarbeiter in ihrer Mittagspause gegangen und würden bald wieder zurückkommen und weiterarbeiten. In allen Maschinen befindet sich noch immer das Garn eingefädelt und man sieht welche Muster gerade gewebt wurden. Von einfachen Mustern bis hin zum Blaudruck (blaue Tücher mit einem weißen Muster) ist alles zu finden.
Von der Schlosserei und Näherei in die Tischlerei und Rauerei
Rechts neben den Eingang zum alten Heizhaus findet man eine Tür, diese führt in die Schlosserei und Näherei, daneben in die Tischlerei und Rauerei. Man muss genau hinsehen um die alten Geräte zuerkenne. Alte Nähmaschinen, eine alte Kreissäge aber auch eine alte Drechslerbank warten noch immer darauf dass auf ihnen weiter gearbeitet wird.
Das Appreturgebäude
In diesem Raum wurde die Ware erhitzt und weiterverarbeitet. Mein Vater erinnert sich bis heute, dass in diesem Raum im Sommer, trotz aller offener Türen und Fenster, die Hitze unerträglich war. Dennoch, im Winter muss es äußert angenehm gewesen sein.
Die Dendlerei und die Lageräume
In der Appretur steht noch immer die Holzstiege die in die Dendlerei führt. Dort hat die Mutter meines Vaters gearbeitet. Die Textilien wurden an den Enden zusammengenäht, sodass die Enden nicht mehr ausfransen konnten. Auch ein kleiner Lagerraum war zu finden.
“Take nothing but pictures, leave nothing but footprints”
Egal wie oft man sich die Fabrik ansieht, der Anblick raubt einem immer wieder den Atem. Jedes mal findet man etwas neues, ob es ein neuer Raum ist den man bis jetzt nicht kannte, oder ob der Vandalismus erneut zugeschlagen hat. Die Fabrik war einst in seiner Hochzeite ein Kronjuwel der Waldviertler Textilindustrie. Es ist schade dass die meisten Fabriken nicht mehr existierten. Was könnte einem das „alte Haus“ alles für Geschichten erzählen wenn es nur sprechen könnte.
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.