Kapfenberg Spezial
"Wir sollten stolz sein, auf das was wir hier haben"

Im Woche-Interview nimmt der scheidende Kapfenberger Bürgermeister Fritz Kratzer noch einmal Stellung zu verschiedensten Themen. | Foto: Ekatarina Paller
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  • Im Woche-Interview nimmt der scheidende Kapfenberger Bürgermeister Fritz Kratzer noch einmal Stellung zu verschiedensten Themen.
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Der scheidende Kapfenberger Bürgermeister Fritz Kratzer blickt im MeinBezirk.at-Interview noch einmal zurück auf seine Amtszeit.

  • Jetzt sind’s nur noch wenige Tage bis zu Ihrem endgültigen Abschied – wie ist die Stimmungslage?

FRITZ KRATZER: Derzeit gut. Ich glaube, ich habe es noch nicht ganz realisiert, darum ist auch die Gemütslage glaube ich noch ok. So ganz ohne Termine, das kann ich mir noch gar nicht vorstellen. Aber natürlich ist ein wenig Wehmut dabei, das gehört dazu.

  • Wann ist endgültig der letzte Tag für Sie?

Er wird wahrscheinlich in der Woche rund um den 20. Juni sein.

  • Worauf haben Sie als Bürgermeister immer großen Wert gelegt?

In erster Linie auf die Menschen, einfach in möglichst vielen Begegnungen mit möglichst vielen Menschen in Kontakt zu kommen. Um zu schauen, ist das, was wir planen richtig, oder geht das an den Menschen/der Bevölkerung vorbei. Wichtig war mir auch immer, die Stadt vorwärtszubringen.

Fritz Kratzer geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. | Foto: Ekatarina Paller
  • Ist Ihnen das auch gelungen? Haben Sie das Gefühl, das Ohr immer nah genug an den Menschen gehabt zu haben?

Ich hoffe! Möglicherweise nicht bei allen Generationen, das mag schon sein. Aber ich habe es zumindest versucht.
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  • Ihre Zeit als Bürgermeister kritisch betrachtet: Welche Schulnote würden Sie sich selbst für Ihre Performance geben?

[/b]Ich würde mir keine Schulnote geben, das traue ich mir gar nicht zu. Das müsste, wenn, dann eigentlich die Bevölkerung tun. Sich selbst einzuschätzen ist schwierig, außerdem ist das dann nur ein Eigenbild. Aber ich bin grundsätzlich zufrieden, weil vieles erreicht worden ist.

  • Haben Sie alles erreicht, was Sie sich vorgenommen haben? Was fehlt?

Ich glaube schon, dass ich viel davon erreicht habe, was ich mir vorgenommen hatte. Ich habe mir auch immer so Portionen an Projekten gesetzt, wo ich mir gedacht habe, die könnten schon aufgehen. Wir haben uns auch die Zukunftsvision 2030 plus vorgenommen, wo wir mehr als die Hälfte bereits abgearbeitet haben; und das obwohl noch lange nicht 2030 ist. Ich würde sagen, der neue Bürgermeister wird also neue Visionen brauchen. Was uns komplett in die Quere gekommen ist, war Corona, damit hat ja niemand rechnen können. Übrig geblieben ist auch ein wenig die Innenstadt, die Gastronomie, das Leben in der Innenstadt generell - da hätte ich mir mehr gewünscht, aber da hat eben auch Corona besonders zugeschlagen. Es fehlt einfach das pulsierende Leben - das ist meiner Meinung nach einerseits dem Trend, und andererseits Corona geschuldet. Aber es ist auch hier trotzdem einiges gelungen, so ist bspw. die ENI-Tankstelle weggekommen.

Es gibt Dinge, auf die er gern zurückblickt, an andere erinnert er sich weniger gern. | Foto: Ekatarina Paller
  • Es gibt Dinge, auf die er gern zurückblickt, an andere erinnert er sich weniger gern.
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  • Corona hat Ihre Amtszeit ja ganz besonders schwierig gemacht, was würden Sie aus jetziger Sicht anders machen oder würden Sie sagen, alles richtig gemacht zu haben?

Im Nachhinein betrachtet hätten wir natürlich viele Dinge anders machen können. Was ich nur gemerkt habe: das, was im Fernsehen immer wieder verkündet worden ist, hat die Menschen vollkommen verunsichert. Das ist oft in der Realität dann ganz anders abgelaufen. Ich war deshalb jeden Tag im Büro und habe gemerkt, es gibt aus der Bevölkerung täglich tausende Fragen - viele haben damit einfach nicht umgehen können. Die Menschen haben jemanden gebraucht, an dem sie sich ein wenig anhalten konnten, jemanden, der vor Ort Orientierung bietet. Und da haben wir versucht, dieses Vakuum zumindest ein bisschen aufzufüllen. Das war schon eine ganz besondere Zeit. Wir haben damals mit unserer Polizei auch vereinbart, dass es aus den Erlässen keine Strafen geben wird, wenn dann gab es nur Beratungen. Da haben wir quasi eigene Kapfenberger Regeln aufgestellt, eher so Regeln der Vernunft ausgegeben. Wir haben somit auf lokaler Ebene sehr viel ausgebügelt, was von oben herab vielleicht etwas zu streng gesehen wurde, weil wir vieles auch selbst gar nicht verstanden haben. Wir sind sozusagen einen "Weg der Vernunft" gegangen.

  • Sie kennen Kapfenberg ja wie Ihre eigene Westentasche – wie ist der typische Kapfenberger/die Kapfenbergerin so? Was macht ihn/sie aus? Was brauchen die Menschen hier besonders?

Der Kapfenberger braucht Orientierung, er braucht auch ganz besonders, dass man ihm zuhört. Manche, die hier hereinkommen, sind auf 180; wenn man ihnen dann zuhört, ändert sich vieles bereits im Gespräch. Viele wollen ihren Frust einfach nur irgendwo loswerden, Druck abbauen. Der Kapfenberger ist zu einem gewissen Teil auch ein bisschen ein Raunzer, aber es gibt auch irrsinnig viele Zufriedene; die hört man nur meist nicht.

  • War die Entscheidung, in die Politik zu gehen und später auch Bürgermeister zu werden, im Nachhinein betrachtet, richtig?

Das war damals ja ein Zufallsprodukt. Gitti Schwarz hat mich damals überredet, als Sportgemeinderat anzufangen. Damit hat alles begonnen, und ich habe es nie bereut. Es ist nur heftiger, als man es sich vorstellt. Es ist der Sprung vom Gemeinderat zum Stadtrat schon ein großer, dann auch zum Vizebürgermeister wieder ein großer – aber der Sprung zum Bürgermeister ist dann noch einmal größer.

Corona war mit Sicherheit die schwierigste Phase seiner Amtszeit. | Foto: Ekatarina Paller
  • Was braucht es, um Bürgermeister der Stadt Kapfenberg zu sein? Was muss ein solcher mitbringen?

Weitblick und man muss Menschen mögen; wenn man nicht zu Veranstaltungen gehen mag, ist man mit Sicherheit fehl am Platz. Und es darf einem nicht unangenehm sein, wenn einen die Leute auch im privaten Bereich ansprechen und mit irgendeiner Sorge konfrontieren. Du bist als Bürgermeister nie außer Dienst. Und du musst die Stadt weiterentwickeln wollen, du brauchst gute Netzwerke in alle Richtungen. 

  • Gerüchten zufolge hätte Ihr Rücktritt ja schon vor gut einem Jahr, im Mai 2023, stattfinden sollen. Warum glauben Sie, gab es diese Gerüchte?

Nachdem für viele klar war, dass ich zur nächsten Wahl nicht mehr antreten werde, haben manche gemeint, zwei Jahre vorher abtreten wäre wahrscheinlich gescheit. Und so ist dann vermutlich das Gerücht um einen Rücktritt im Mai entstanden, wo ja auch die Eröffnung der Stadthalle geplant war. Aber das hat es eh für alle Großereignisse geheißen: Eröffnung Stadthalle, Inbetriebnahme des Stahlwerks, Spatenstich für die FH - das waren alles Veranstaltungen, bei denen vermutet wurde, dass ich da meinen Rücktritt bekannt geben würde.

  • Wird es Ihrer Meinung nach je eine Fusion mit der Stadt Bruck geben?

Irgendwann, ja, davon bin ich überzeugt. Aber es gibt jetzt so viele Dinge, die wir gemeinsam machen können: von einer gemeinsamen EDV angefangen über ein gemeinsames Kulturprogramm bis hin zu Abstimmungen im Sport – das alles können wir ja jetzt schon machen, dazu müssen wir ja nicht unbedingt verheiratet sein. Aber die Zeit dafür ist im Moment noch nicht reif.

Grundsätzlich ist er mit seiner Amtszeit und allem was geschafft wurde, zufrieden. | Foto: Ekatarina Paller
  • Kapfenberg ist in vielen Themenbereichen gut aufgestellt; wo könnte man noch besser werden?

Ich glaube nachbessern müssen wir auf jeden Fall im Gesundheitsbereich, im Bereich der Pflege und mit Sicherheit auch beim Thema Wohnen.

  • Werden Sie sich nun komplett aus der Politik zurückziehen oder bleiben Sie ihr in irgendeiner Form erhalten?

Ich werde mich vollkommen zurückziehen. Ich werde nur in jenen Bereichen noch greifbar sein, wo die Funktion auf die Person hin beschlossen ist, d.h. da werde ich eine Übergangszeit brauchen, bis ich ausscheiden kann, bspw. bei Funktionen in Aufsichtsräten. Ich bin für meinen Nachfolger da, wenn er mich braucht, aber ich werde ihm sicher nicht ungefragt von der zweiten Reihe in die Suppe spucken.

  • Was wird Ihnen künftig fehlen?

Die Menschen, die Veranstaltungen, die Termine und dass man Menschen helfen kann, wenn sie Hilfe brauchen.

  • Woran werden Sie gern zurückdenken? Worauf sind Sie besonders stolz?

An die Erfolge werde ich mich natürlich gern zurückerinnern, bspw. die Stadthalle, an den Spatenstich vom Stahlwerk, an Stefan Pierer, der immer ein offenes Ohr gehabt hat, wenn Kapfenberg weiter bauen wollte, an viele Begegnungen mit interessanten Menschen, an berührende Momente – da gibt's schon sehr vieles.

  • Woran erinnern Sie sich weniger gern?

Na ja, wenn ein Hochhaus brennt, daran erinnert man sich nicht so gern, weil da bricht Chaos aus; oder wenn ein Haus brennt, wo ein Munitionslager drinnen ist und wo es ununterbrochen Explosionen gibt - solche Erinnerungen habe ich nicht so gern.

  • Glauben Sie, einen Pensionsschock zu erleben?

Nein, das glaube ich nicht. Ich habe privat einige Dinge aufzuholen, ich habe ein Enkelkind in Wien und das jetzt mit der Schule beginnt – da werde ich mit Sicherheit gebraucht, ich habe einen schönen Garten, den ich pflegen sollte und ich werde für Freunde und Familie einfach wieder mehr Zeit haben.

Fritz Kratzer freut sich jetzt auf mehr Freizeit und vor allem auf die Zeit mit seiner Enkelkind. | Foto: Ekatarina Paller
  • Fritz Kratzer freut sich jetzt auf mehr Freizeit und vor allem auf die Zeit mit seiner Enkelkind.
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  • Für welche Hobbys werden Sie ab sofort mehr Zeit haben?

Radfahren und Skifahren.
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  • Welcher Herausforderungen warten auf Ihren Nachfolger Matthäus Bachernegg?

[/b]In erster Linie budgetär schwierige Zeiten. Überall sind die Preise gestiegen, das trifft natürlich auch die Gemeinden; andererseits hat man aber kaum Spielraum bei diversen Gebühren, die kann man ja nicht ins Unermessliche steigern. Die Gemeinden werden mit all diesen Dingen allein gelassen.

  • Was kann/soll er besser machen als Sie?

Alles, von dem er meint, er kann es besser machen. Aber das muss er selbst beurteilen.

  • Was möchten Sie den Kapfenbergern zum Abschied noch sagen?

Meine größte Sorge ist die Spaltung der Gesellschaft. Wir haben versucht, bei allen Schwierigkeiten wie Corona, etc. immer die Gemeinsamkeit zu finden. Wir sind eine Stadt, in der wir zusammenhalten, so schaffen wir viele Dinge. Das größte Gift ist, wenn die Gesellschaft auseinanderdriftet. Wenn Kapfenberg weiterhin so gut zusammenhält, wird noch vieles schaffbar sein. Wir müssen einfach weiterhin zusammenstehen, für unsere Stadt und stolz sein, auf das, was wir hier haben.

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