Psychologie / Körpertherapie / Psychosomatik
Psychosomatik und somatoforme Störungen am Beispiel des Reizdarmes
Bei somatoformen Störungen handelt es sich um langanhaltende körperliche Beschwerden, bei denen keine organische Ursache gefunden werden kann. Allerdings entsteht jede somatoforme Störung durch physiologische Prozesse, die jedoch von psychologischen Prozessen beeinflusst werden (etwa von negativen Stimmungslagen, zu viel Schonung oder Vermeidung). Diese psychologischen Prozesse sind durch Psychotherapie behandelbar.
Es handelt sich um medizinisch unerklärte Körperbeschwerden. Dazu zählen:
- Somatisierungsstörungen
- Undifferenzierte somatoforme Störungen
- Somatoforme autonome Funktionsstörungen
- Somatoforme Schmerzstörungen
Die Betroffenen haben in der Regel einen jahrelangen Leidensweg hinter sich und sind entmutigt von zahlreichen medizinischen Untersuchungen, die keine Ergebnisse gebracht haben. Sie leiden zudem erheblich unter ihren Beschwerden. Ungefähr jeder fünfte Mensch in Österreich und Deutschland leidet an somatoformen Beschwerden.
Die betroffenen Personen scheuen oft eine Psychotherapie, weil sie davon überzeugt sind, dass nur Ärzt*innen ihnen helfen könnten. Sie fühlen sich falsch verstanden und nicht ernst genommen, wenn sie wegen körperlicher Beschwerden zu Psychotherapeut*innen weiterverwiesen werden. Allerdings hilft Psychotherapie ja auch Menschen, die unter chronischen körperlichen Beschwerden und Schmerzen leiden, die nicht somatoform sind (die also sehr wohl körperliche Ursachen haben).
Chronische Erkrankungen stellen eine massive Belastung dar. Sie dauern Jahre oder das ganze Leben an und können entweder gar nicht geheilt werden oder nur schwer.
Die Diagnose einer chronischen Erkrankung wird als ein existentiell- einschneidender Schicksalsschlag erlebt und die Erkrankungen bedürfen der fortdauernden medizinischen Behandlung. Besonders weit verbreitet sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, chronische Lungenerkrankungen, Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, psychische Störungen, Diabetes mellitus und nun auch Long-Covid. Die Krankheiten beeinflussen und beeinträchtigen die Lebensqualität, die Arbeitsfähigkeit und die Sterblichkeit massiv. Im höheren Alter treten zunehmend Mehrfacherkrankungen auf (Multimorbidität).
Das Reizdarmsyndrom
Beim Reizdarm handelt es sich um eine funktionelle Störung des Darms, d.h. dieser kann seine eigentliche Funktion nicht mehr wahrnehmen. Es kommt zu Beschwerden beim Stuhlgang, bei der Stuhlfrequenz und der Stuhlkonsistenz (Verstopfung oder Durchfall). Auch Blähungen und Bauchschmerzen sind typische Symptome.
Viele Menschen leiden darunter, nicht ganz ernst genommen zu werden, weil oft keine physiologischen Ursachen gefunden werden. Dennoch bestehen die quälenden Symptome weiterhin fort und werden von den Betroffenen als real und körperlich erlebt. Der Darm arbeitet tatsächlich anders als bei Menschen ohne Reizdarmsyndrom. Der Reizdarm hat ein anderes Tempo und es kommt zu Krämpfen. Das Darmgehirn kann überreizte Nerven aufweisen. Das Darmgehirn sitzt überall in der Darmwand. Es ist ein komplexes Geflecht aus mehr als 100 Millionen Nervenzellen.
Die Darmschleimhaut verursacht immerfort ein Sekret. Das Sekret von Reizdarmpatient*innen ist jedoch anders. Das Schleimhautsekret überaktiviert die Nervenzellen der Darmschleimhaut, wobei vieles hier noch unerforscht ist.
Werden keine rein physiologisch-medizinischen Ursachen für den Reizdarm gefunden, dann können auch psychologische Belastungen einen Reizdarm begünstigen oder bedingen. Ärger, Wut, chronischer Stress, massive Belastungen über einen längeren Zeitraum lassen die Reizdarm-Symptome sich verschlimmern.
So kann Stress etwa die Magensaftproduktion anregen. Auch die Darmbewegungen nehmen dann zu. In einer Psychotherapie kann man lernen, anders und konstruktiver mit Stress umzugehen, in früher zu erkennen und zu regulieren, sodass die körperlichen Beschwerden seltener werden. Einige Erkrankungen treten gehäuft mit dem Reizdarm auf, darunter befinden sich das Chronische Erschöpfungssyndrom, Angststörungen, Depressionen und chronische Schmerzen.
Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision (Existenzanalyse)
Wichtiger Link:
Reizdarm Selbsthilfe Interessengemeinschaft
Renate Becker
Heinrich-Kraak-Straße 37
33617 Bielefeld
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