"Fräulein Lieser"
Wiederentdeckung eines lang verschollenen Klimt-Bildes
Es war eines der letzten Werke von Gustav Klimt und galt lange als verschollen. Nun wurde das Porträt "Fräulein Lieser" wiederentdeckt. Das Bildnis wird im April in Wien versteigert und könnte eine hohe zweistellige Millionensumme einbringen.
WIEN. Das Auktionshaus im Kinsky in Wien kündigte vergangene Woche einen Sensationsfund an. Worum es sich dabei handelt, wurde dann im Rahmen einer Pressekonferenz am 25. Jänner enthüllt. Und wirklich: wie das Auktionshaus dann am Donnerstag verlautbarte, handelt es sich dabei um einen waschechten, lange als verschollen gegoltenen Klimt. Also durchaus eine Wiederentdeckung in der Kategorie "Jahrhundertfund".
Das Damenporträt "Fräulein Lieser" gehört zu den Spätwerken des bekanntesten Vertreters des Wiener Jugendstils und habe sich viele Jahrzehnte im Privatbesitz in Österreich befunden, so Claudia Mörth-Gasser, Spartenleitung Klassische Moderne im Kinsky. Gemalt wurde das Bildnis im Jahr 1917. Der Forschung war das Gemälde bisher überhaupt nur durch eine Schwarz-Weiß-Aufnahme bekannt. Insofern bekam das dargestellte "Fräulein Lieser" jetzt seinen allerersten öffentlichen Auftritt in Bunt.
Auch sonst stellt das Bildnis ein Mysterium dar. Zudem hat Klimt das Bildnis nie vollendet, weshalb es auch unsigniert blieb. Den Ausgangspunkt für die aktuelle Forschung bot der Name Lieser, der in den Herkunftsangaben der drei seit 1967 (zuletzt 2017) publizierten Werkverzeichnisse zu dem Gemälde als erster Eigentümer veröffentlicht wurde und in dessen Umfeld einst auch die Beauftragung für das Porträt erfolgt sein muss. Die Familie Lieser gehörte zum Kreis der vermögenden, großbürgerlichen Wiener Gesellschaft, in dem Klimt seine Mäzene und Auftraggeber fand. Die Brüder Adolf und Justus Lieser zählten zu den führenden Großindustriellen der österreichisch-ungarischen Monarchie.
Lücken in Klimt-Forschung
Soweit man in der Klimt-Forschung weiß, sollte es im Jahr 1925 eine Ausstellung geben, in der "zumindest geplant war, auch dieses Bild auszustellen". Aus dieser Zeit stammt die Schwarz-Weiß-Aufnahme des Werkes mit der Adressangabe "Im Besitz von Frau Lieser, Argentinierstraße 20". Danach verliert sich für einige Jahrzehnte die Spur.
Auch bleibt bis dato ungesichert, um welches weibliche Lieser-Mitglied es sich bei dem "Fräulein" im Bild handelt. Im ersten, 1967 veröffentlichten Werkverzeichnis der Gemälde Klimts von Fritz Novotny und Johannes Dobai wird die Dargestellte "Fräulein Lieser" tituliert. Die Autoren der Werkkataloge jüngeren Datums (Weidinger 2007 und Natter 2012) haben die Porträtierte als "Constance Margarethe Lieser" (1899–1965), Tochter des Großindustriellen Adolf Lieser, identifiziert. Neue Recherchen des Auktionshauses zu Geschichte und Provenienz eröffnen auch die Möglichkeit, dass Klimts Modell ein anderes Mitglied der Familie Lieser gewesen sein könnte: entweder Helene Lieser (1898–1962), die Erstgeborene von Henriette Amalie Lieser-Landau und Justus Lieser oder deren jüngere Tochter, Annie Lieser (1901–1972).
Restitutionsvergleich bei Verkauf
Das wiederentdeckte Bildnis wird jedenfalls am 24. April im Auktionshaus Kinsky in Wien zur Auktion kommen. Das Auktionshaus rechnet mit 30 bis 50 Millionen Euro. Aufgrund der nicht geklärten Umstände über den Verbleib des Porträts in der NS-Zeit, nach Ende des Zweiten Weltkriegs und bis hinein in die 1960er-Jahre, ist das Porträt auch ein Restitutions-Thema.
Der Verkauf des Werkes ist mit einer "Vereinbarung im Sinne der Washington Principles" verknüpft, die in Restitutionsfällen faire Lösungen vorsieht. Einerseits ist es die gegenwärtige Eigentümerin, die das Bild 2022 erbte, andererseits die Rechtsnachfolger der Familie Lieser. Es sei eine besondere Sache, so ein Bild in Wien anbieten zu können, so Im-Kinsky-Geschäftsführer Michael Kovacek. Das Werk soll 14 Tage vor der Auktion in Wien öffentlich präsentiert werden.
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