Betroffene aus Wien erzählt
Beim Thema Long Covid ist noch viel zu tun

- Auch Kinder sind von Long Covid betroffen. Der Verein Long Covid Austria bietet ihnen nun auch eine eigene Plattform.
- Foto: Myriams-Fotos/pixabay
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Über 300.000 Menschen sind in Österreich geschätzt von Long Covid betroffen. Der Verein Long Covid Austria bietet ihnen Hilfe an. Doch man wünscht sich mehr Unterstützung und eine bessere Zusammenarbeit, wie eine Betroffene erzählt. Zudem gibt es nun auch ein eigenes Forum für betroffene Kinder.
WIEN. Seit zwei Jahren leidet Alexa Stephanou aus Wien an Long Covid. Sie hat sich mittlerweile mit der Situation einigermaßen arrangieren können. Allerdings mahnt sie, dass beim Thema Long Covid in Österreich nach wie vor einiges im Argen ist. Mit der BezirksZeitung hat Stephanou über den Verein Long Covid Austria, mangelnde Unterstützung und ihre privaten Erfahrungen gesprochen.
Frau Stephanou, wir haben uns im Jänner dieses Jahres schon einmal über die Situation von Long-Covid-Betroffenen unterhalten. Damals haben Sie sich einen Ausbau des Hilfsangebotes gewünscht. Hat sich in dieser Hinsicht in diesem Jahr schon etwas getan?
ALEXA STEPHANOU: Wenn ich es positiv ausdrücke, kann ich sagen, es hat sich etwas getan. Wenn man es sehr realistisch betrachtet, muss man allerdings sagen, dass viel geredet wird, aber sich wenig verändert hat. Die Politik hat durchaus gute Ideen, aber Hilfsangebote wurden so gut wie nicht ausgebaut. Es gibt seit dem Sommer zwei Clearing-Stellen. Eine in Wien und eine in Graz. Allerdings gestallten sich diese Stellen leider so, dass sie wiederum eine Hürde für Long-Covid-Betroffene darstellen.
Inwiefern?
Bei den Clearing-Stellen ist eigentlich das Angebot, dass Hausärzte, die mit Long-Covid-Patienten nicht weiter wissen, diese dorthin weitervermitteln können. Hier soll dann geklärt werden, ob es sich um eine Long-Covid-Erkrankung handelt. So sollen Betroffenen lange Wege von Arzt zu Arzt erspart werden. An sich eine super Idee und auch genau das, was wir wollten. Aber in der Praxis schaut es leider so aus, dass man hier bereits mit einer Long-Covid-Diagnose hin muss. Das ist leider eine Hürde, da sich viele Ärzte nach wie vor nicht zutrauen diese Diagnose auch zu stellen. Für diese Gruppe ist die Clearing-Stelle also nicht einmal zugänglich. Was noch hinzukommt, ist, dass Betroffene oft Angst haben oder schlichtweg nicht die Kraft erneut einem Arzt ihre Situation von vorne zu schildern, mit der Angst am Ende wieder nicht ernstgenommen zu werden.
Betroffene resignieren
Wie reagieren Betoffene darauf?
Viele der Betroffenen vertrauen auf die Empfehlungen unseres Vereins. Jedoch wurden wir bei der Erstellung dieser Clearing-Stellen nicht mit einbezogen. Wir vom Verein Long Covid Austria finden es schade und unverständlich, dass diese Stellen ohne Einbezug der Erfahrungen von Betroffenen geschaffen wurden. Das führt dazu, dass viele Menschen auch irgendwie resignieren, weil sie kein Vertrauen in die Wirksamkeit dieser Stellen haben.

- Eine Corona-Infektion bildet oft nur den Ausgangspunkt eines langen Leidensweges.
- Foto: Fusion Medical Animation/unsplash
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Spürt man das auch bei der Arbeit im Verein?
Ja, sicher. Da denke ich etwa an eine Frau, die sich vor Kurzem an uns gewandt hat. Sie hat gemeint, dass der Kontakt zu Ärzten und Psychotherapeuten für sie einfach nicht ausreicht, es bräuchte vielmehr den Austausch mit Menschen, die das selbe erlebt haben. Das belastet die Menschen auch mental. Uns freut es immer, dass die Menschen unser Angebot gerne annehmen. Allerdings ist es auch ein Armutszeugnis für das österreichische Gesundheitssystem, dass dieses Leistung von der ehrenamtlichen Arbeit selbst an Long Covid erkrankter Personen abhängt. Wenn man hier zusammenarbeiten würde, könnten die Betroffenen es auch besser nutzen. Doch so trauen sich viele nicht - sie sind Arzt-müde und wurden schon zu oft zurückgewiesen.
Ein großes Problem..
Problematisch wird das ganze auch hinsichtlich der Zukunft. Denn wenn sich viele Menschen nicht zu den Clearing-Stellen hin trauen oder nicht hin können, heißt es im Umkehrschluss, dass die Nachfrage nicht da ist. Mit blutet das Herz, wenn ich das sehe. Es würde einfach nur eine regelmäßige und laufende Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsministerium und Betroffenen brauchen.
Das Angebot des Vereins Long Covid Austria wird aber in Wien aber auch österreichweit weiterhin gerne nachgefragt?
Ja. In Wien sicherlich noch am meisten, aber das Angebot wird mittlerweile eigentlich österreichweit gut angenommen. Wir haben auch schon rund 2.400 Mitglieder und es werden stetig mehr. Auch unsere neue Selbsthilfegruppe Long Covid Kids Austria bekommt zu unserem Bedauern stetig mehr Mitglieder. Nach wie vor sind wir mit Leib und Seele dabei, allen Betroffenen Hilfe anzubieten. Allerdings sollte es halt nicht so sein, dass die Hauptlast auf den Schultern der Betroffenen selbst liegt.
Seit Ihrer Corona-Erkrankung haben Sie mit Long-Covid Symptomen zu kämpfen, hat sich die Situation in den vergangenen Monaten etwas gebessert?
Es hat sich definitiv einiges verbessert. Aber nur weil ich gewillt war zusammen mit meinem Neurologen einige medikamentöse Experimente einzugehen. Dazu muss man den Mut haben oder so verzweifelt sein, dass man sagt: jetzt mach ich es einfach! Bei mir war es eine Mischung. Es gab vorher eine Phase in der ich resigniert habe, dann habe ich mich doch durchgerungen das nächste medikamentöse Experiment zu wagen. Seit Anfang des Jahres nehme ich nun dieses Medikament - und es hat bei mir doch vieles verändert. Ganz so wie früher bin ich aber immer noch nicht. Ich muss nach wie vor meine Tage gut einteilen. Falls man mal über die Strenge schlägt - egal ob soziale Kontakte, Bewegung oder bei der Ernährung - ist das deutlich zu spüren. Da muss dann ein Tag rasten her. Zudem habe ich weiterhin neurologische Schmerzen, einen massiven Tinnitus und Erschöpfungssymptome.
Es gibt Nachholbedarf
Problematisch auch für das Berufsleben...
Nach zwei Jahren habe ich mich soweit mit der Situation arrangiert, dass ich nicht mehr auf externe Pflege angewiesen bin und meinen Alltag selbst organisiere. Beruflich ist es aber nach wie vor schwierig. Ich muss früher als es meiner Gesundheit lieb ist, wieder anfangen zu arbeiten - einfach aus dem Grund, dass es sich finanziell sonst nicht mehr ausgeht ohne Unterstützung. In anderen Ländern haben sich mittlerweile andere Arbeitsverträge für Long-Covid-Betroffene ergeben. Hier braucht es flexiblere Systeme. Auch da gibt es in Österreich noch Nachholbedarf.

- Die Wienerin Alexa Stephanou hat nach einer Corona-Infektion im März 2020 noch immer mit den Folgen zu kämpfen.
- Foto: Michaela Panter Photography
- hochgeladen von David Hofer
Mittlerweile wurden die Corona-Maßnahmen gelockert. Wie steht der Verein hinter der neuen Verordnung, angesichts der Folgen der Erkrankung, die viele noch immer spüren?
Wir sind ein unparteiischer Verein und versuchen hier deshalb auch keine großen Meinungen einzelner Personen oder privater Natur zu vertreten. Es geht uns primär darum, dass Betroffenen bei uns geholfen wird. Wir wollen nicht polarisieren oder Menschen eine Meinung eintrichtern. Jeder soll etwa für sich entscheiden, ob er weiterhin Maske trägt oder nicht. Persönlich kann ich sagen, dass ich die Lockerung der Maßnahmen als nicht sehr vorteilhaft erachte. Allerdings verstehe ich auch, dass nach so einer langen Zeit viele Menschen einfach die Nase voll haben. Wichtig ist aber immer der respektvolle Umgang miteinander.
Auch hinsichtlich der Maskenpflicht?
Kein Verständnis habe ich etwa, wenn jemand, der eine Maske trägt, angefeindet wird. Ich trage sie beispielsweise nach wie vor überall, wo ich das Gefühl habe, dass mir die Menschen zu Nahe kommen oder die mindesten Hygienestandards nicht eingehalten werden. Das ist aber auch eine persönliche Sicherheitsvorkehrung, aufgrund meines bereits geschwächten Immunsystems. Zuletzt bin ich etwa an einer Erkältung erkrankt und war anschließend drei Wochen außer Gefecht gesetzt - und das möchte ich einfach nicht riskieren. Alle, die sich daran stören, wenn Menschen eine Maske tragen, sollen lieber zuerst Mal nachfragen, warum sie das tun, anstatt gleich jemanden anzupöbeln.
Was würde man sich von Seiten des Vereins noch an Hilfe wünschen?
Natürlich die bereits angesprochene Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium. Ich verstehe nicht, warum man von Seiten der Politik meist noch den Eindruck hat, dass der Wunsch vorherrscht, wenn nicht darüber geredet wird, dann existiert das Problem nicht. Es gibt in Österreich geschätzt 350.000 Betroffene. Eine Großzahl von ihnen ist eine Zeit lang oder langfristig arbeitsunfähig. Gott sei Dank gibt es viele, die es wieder überwinden, aber vor allem auch, weil sie sich frühzeitig selbst informieren, wie man sich zu behandeln hat und nicht weil es dafür bereits ein systematisiertes Vorgehen unseres Gesundheitssystems gibt.
Und sonst?
Was wir uns auch noch Wünschen würden, sind genaue Zahlen. Denn Long Covid wird nach wie vor nicht genau erfasst. Das ist sehr fahrlässig, da man später keine fundierten Rückschlüsse ziehen wird können. Österreich hat ja an sich ein gutes soziales System, wenn es nach einer Erkrankung um den beruflichen Wiedereinstig geht. Allerdings sollte es auch für den beruflichen Neueinstieg für Long-Covid-Betroffene Hilfe geben. Denn auch wenn man meist nicht mehr so belastbar ist wie vor der Erkrankung, sehnen sich die meisten Betroffenen nach einem Stückchen normalen Alltag, in der Hoffnung, irgendwann wieder stundenweise arbeiten zu können. Und dafür benötigt es ein Umdenken in der Arbeitswelt mit neuen, flexibleren Arbeitsverträgen.
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