20 Jahre Radio Kulturhaus: Ein Rundgang durch die Zonen der Stille

- Hereinspaziert! Thomas Wohinz, Leiter des Radiokulturhauses, bittet zum Rundgang.
- Foto: Arnold Burghardt
- hochgeladen von Maria-Theresia Klenner
Das Radio Kulturhaus feiert heuer sein 20jähriges Bestehen. Wir baten Leiter Thomas Wohinz zu einem Rundgang.
WIEDEN. Bereits vor dem Eintreten ins Radiokulturhaus in der Argentinierstraße beginnt die Zeitreise in die Anfänge des Radios. Beim Aufziehen der messinggerahmten Glastüre, über der leuchtend der Retro-Schriftzug "Radiokulturhaus" angebracht ist, glaubt man, leise den jungen Charlie Parker spielen zu hören. Ernüchterung dagegen auf der anderen Seite der Türe: nicht der große Gatsby nimmt den Besucher in Empfang, sondern ein ORF-Mitarbeiter hinter einem modernen Empfangspult. Doch auch moderne Elemente wie Flachbildfernseher und grün leuchtende Notausgangsschilder haben gegen das einzigartige Flair des Gebäudes aus den 1930er Jahren mit Fliesen, die im Schachbrettmuster verlegt wurden, holzgetäfelten Wänden und Messinglampen keine Chance.
Nicht weniger charmant als Jay Gatsby begrüßt Thomas Wohinz, seit sieben Jahren Leiter des Radiokulturhauses, seine Besucher. Grund der Führung durch die heiligen Hallen des österreichischen Radios ist das 20jährige Bestehen des Radio Kulturhauses, das das Herz des Funkhauses bildet. "Das Funkhaus wurde 1939 eröffnet - von einer Regierung, die keiner mehr haben möchte", erklärt Wohinz die Geschichte des Hauses und zeigt auf ein Schwarzweißfoto des großen Sendesaales mit Reichsadler am Balkon. Damals war die RAVAG (Radio Verkehrs AG) bereits in Reichssender Wien umbenannt, dessen Dauer sich allerdings kürzer als geplant erwies: Am 6. April 1945 wurde die letzte Sendung des Reichssenders Wien ausgestrahlt. In den 50er Jahren sendete bereits der neu gegründete ORF aus den Sendesälen des Funkhauses und erheiterte sein Publikum sowohl mit leichter Kost wie "Was gibt es Neues" von Heinz Conrads als auch mit Konzerten von Symphonieorchestern.
Radio zum Anfassen
1997 wurde über den offenen Teil des Funkhauses die Marke Radiokulturhaus gestülpt und somit das Medium Radio sowohl entstaubt als auch zum Anfassen gemacht. Zehn Monate im Jahr finden Veranstaltungen von Konzerten bis Lesungen statt, die man entweder als Zuseher vor Ort als auch live im Radio verfolgen kann. Das Konzept ging dank der gebotenen Qualität auf.
"Wir nehmen den öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag sehr ernst. Achtzig Prozent unserer Sendungen haben einen Österreichbezug", erklärt Wohinz den Erfolg des RKH, wie das Radiokulturhaus offiziell abgekürzt wird. "Außerdem sind wir bekannt für unsere Uraufführungen und Einzelveranstaltungen. Das heißt, es gibt jede Veranstaltung nur einmal und meist zum ersten Mal, wie etwa eine CD-Präsentation einer Band bei einer Live@RKH-Veranstaltung", so Wohinz, während er eine Holztüre mit runden Fenstern öffnet. Dahinter verbirgt sich eine hölzerne Wendeltreppe mit Messinghandlauf. Im Keller des RKH geht es durch verwinkelte, enge Gänge ins Klangtheater. "Hier richtete André Heller bei der Eröffnung des RKH ein Museum ein. Wir haben es vor drei Jahren zu einem weiteren Veranstaltungsort umgebaut."
316 Veranstaltungen im Jahr
Und neue Veranstaltungsorte kann das RKH in der Tat gebrauchen. "Wir hatten 2016 20.000 Sendeminuten sowie 316 Veranstaltungen - und die mit einer 93 Prozent-Auslastung. Das Radio ist also nicht out, sondern genau das Gegenteil", beantwortet Wohinz die Frage nach dem Status des Radios im Zeitalter von Internet und Download.
Auch das RKH ist mit der Zeit gegangen und bietet Veranstaltungen mit Livestream auf seiner Homepage www.radiokulturhaus.orf.at an. "Der große Sendesaal wurde nun subtil mit ferngesteuerten Kameras ausgestattet, um Konzerte im Internet mitverfolgen zu können", erklärt der Radiofachmann und führt durch weitere Gänge in den großen Sendesaal, über dessen schweren Holztüren ein Schild mit der Aufschrift "Zone der Stille" prangt. Die Atmosphäre des Saales, der wie das ganze Gebäude unter Denkmalsschutz steht, lässt den Besucher in der Zeit um Jahrzehnte zurückfallen. Breite Sessel, deren Lederbezug mit großen Nieten am Stuhl befestigt sind, fügen sich in den holzvertäfelten Raum mit auffallenden Hängelampen ein.
Fünf Veranstaltungsräume
Vorbei an zwei kleinen Künstlergarderoben geht es von Studio 2 ins Studio 3, das mit seinen Wandbildern auch schon als Filmkulisse diente. Über Treppen und schmale Gänge geht es hinauf ins Radiocafé, das neben seinem Gastronomiebetrieb ein weiterer Sende- und Veranstaltungsraum ist - der fünfte neben Klangtheater, großem Sendesaal und den Studios 2 und 3.
Das Risiko der Liveübertragung ist übrigens an keinem Ort kein Thema. "In den ganzen zwanzig Jahren ist nichts schief gegangen. Die ORF-Technik ist genial und funktioniert immer, das Team ist eingespielt und fast schon pedantisch - daher gibt es auch keine Pannen bei Liveübertragungen." Diese Liveübertragungen stehen 2017 ganz im Zeichen des 20-Jahr-Jubiläums. Neben den gewohnt qualitativ hochwertigen Programmen von Ö1 und FM4 werden heuer Wegbegleiter wie Harri Stojka oder Franz Koglmann, die dem Haus in seiner 20jährigen Geschichte sehr verbunden waren, besonders ins Rampenlicht gestellt. "Es freut mich, dass wir für unsere Nostalgiereihe `Aus dem Archiv´ Chris Lohner als Moderatorin gewinnen konnten."
Zum Abschluss geht es vorbei an einer Bilderausstellung im Foyer durch Holztüren mit Pullaugenfenstern Richtung Ausgang. Durch die schweren Glastüren der 1930er Jahre gelangt man wieder ins Jahr 2017 - ob man will, oder nicht.






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