Afritzer ist Servicemann beim ÖSV
Er sorgt für den richtigen Schliff
Der FIS-Weltcup 2023/24 startete erst kürzlich mit der Auftaktveranstaltung in Sölden in die neue Saison. Beim ÖSV ist dabei mit Servicemann Benjamin Rosian seit sieben Jahren auch ein Afritzer mit an Bord.
AFRITZ. Der 35-jährige Kärntner ist ausgebildeter medizinischer Masseur und hatte, abgesehen davon, dass er gut mit Olympiasieger Matthias Mayer befreundet ist, anfangs nur wenig mit dem Skispitzensport zu tun. „Ich war ein kompletter Quereinsteiger. Ich war immer schon ein guter Skifahrer und bin bis zum Alter von 15 Jahren auch vermehrt Rennen gefahren, dann aber mehr beim Fußball hängen geblieben. Nach der Ausbildung zum medizinischen Masseur kam ich dann recht zufällig als Guide eines sehbehinderten Sportlers zum österreichischen Skiverband und war als Vor- bzw. Begleitfahrer dieses Athleten aktiv“, erzählt Rosian. Durch damals geknüpfte Kontakte erfuhr er drei Jahre später, dass neues Personal gesucht wird und so wurde er schlussendlich Servicemann beim ÖSV. „Das ist jetzt sieben Jahre her. Angefangen habe ich damals im Europacup bei den Herren und dort im allerersten Jahr für Fabio Gstrein gearbeitet. Nach zwei Jahren bin ich zu den Damen gewechselt und habe Elisa Mörzinger sowie zwei weitere Athletinnen übernommen. Elisa hat dann einen Europacupfixplatz gewonnen und ein Weltcuppodest im Parallelriesentorlauf erreicht. So kam ich dann auch in den Weltcup und bin dort inzwischen hauptsächlich mit Julia Scheib unterwegs“, berichtet der Afritzer.
Das Leben als Servicemann
Beim ÖSV gibt es zwei Varianten im Bereich der Serviceleute: Entweder ist man im Poolservice tätig und für alle Marken und mehrere Läufer zuständig oder man ist nur für eine Firma wie zum Beispiel Atomic oder Rossignol tätig. „Die Athleten fangen alle mit Poolservice an. Wenn sie dann länger dabei und erfolgreich sind, bekommen sie von ihrer Skifirma einen fixen Servicemann zugeteilt. Wenn du mal Servicemann einer Marke bist, kannst du dir an sich sicher sein, dass du einen Spitzenathleten betreust, weil das fängt so bei den Top 15 im Weltcup an“, erklärt Benjamin Rosian. Die Hauptaufgaben des Kärntners drehen sich rund um das Equipment seiner Läuferin. „Das umfasst das Skituning, Kanten feilen, Wachs auftragen, Ski bestellen und dieses mit den Athleten zu testen. Abgesehen davon bist du ständig mit den Athleten in Kontakt, bist bei jedem Training und Rennen am Berg dabei, transportierst das Equipment und kümmerst dich laufend um die Sportler“, so Rosian. Dementsprechend sind auch seine Arbeitstage während der Saison und an Rennwochenenden sehr zeitintensiv. „Mein Arbeitstag fängt meist um sechs Uhr früh an, manchmal auch schon um vier oder fünf. Nach dem Frühstück geht es dann direkt zum Training und rauf auf den Berg. Dort beginnt man die Skier zu wachsen, geht zwischendurch zum Mittagessen und ist anschließend den gesamten Nachmittag über wieder im Skiraum und mit der Kantenpräparation beschäftigt. Ich habe die Stunden an sich noch nie gezählt, aber meist geht der Tag dann bis 20 oder 21 Uhr abends“, berichtet der ÖSV-Servicemann.
Tausende Kilometer
Wer jetzt denkt, dass die Skisaison im Profisport nur von Anfang November bis März geht, der irrt. Die Vorbereitung auf eine neue Saison startet für Rosian nämlich zumeist im Hochsommer und mit wochenlangen Trainings in Übersee, wie etwa in diesem Jahr in Ushuaia, am südlichsten Zipfel Argentiniens. „Im Sommer ist meine Aufgabe das neue Material zu bestellen und dieses zu bearbeiten. Mit einem komplett neuen Ski kannst du nämlich nicht gleich rauf auf den Berg. Dann geht es meist in der Schweiz los – so waren wie heuer im August eine Woche in Zermatt. Dort wird geschaut ob der Schuh passt und nirgends drückt, weil wenn du dann in der Folge ein Monat nach Ushuaia fliegst, sollte das schon halbwegs passen. In Argentinien, wo zu diesem Zeitpunkt Winter ist, waren wir dann von Mitte August bis Mitte September zum Training. Danach gab es rund zwei Wochen Pause, bevor es erstmals wieder auf die österreichischen Gletscher ging“, erzählt der Kärntner. Die eigentliche Rennsaison geht dann von Ende Oktober bis zum Weltcupfinale im März. Damit nicht genug geht es im April noch zu den Staatsmeisterschaften und abschließenden Terminen im Mai. Kein Wunder also, dass der ÖSV-Mann ein wahrer Weltenbummler ist. „Wir fahren fast alles mit dem Auto und sind so rund 50.000 Kilometer im Jahr unterwegs. Das geht bis rauf nach Finnland, Schweden und Norwegen, kreuz und quer durch Europa von Frankreich, über Italien, die Schweiz und runter nach Andorra. Als Servicemann hat man ständig das gesamte Material dabei, das käme beim Fliegen einfach viel zu teuer. Der Stress ist aber ein ständiger Begleiter, da du von Weltcuport zu Weltcuport fährst und praktisch 230 bis 250 Tage im Jahr auf Achse bist“, betont Rosian. So beginnen auch die Rennwochenenden nicht erst am Samstag, sondern meist schon mit Abschlusstraining und Hangbesichtigung unter der Woche. Am Ende ist man drei bis vier Tage vor dem Rennen am jeweiligen Austragungsort, muss aber auch zwischendurch sehr spontan sein. „Wenn das Wetter extrem schlecht ist, fährt man eben erst zwei Tage später weg als normal und hat auch mal mehr Zeit zu Hause zur Verfügung. Im Winter gibt es für uns sehr wenige freie Tage, das ist eben Spitzensport und dort ist die Luft sehr dünn – Montag bis Freitag und nine to five gibt es bei mir nicht“, sagt der Skiexperte.
Ein Mann, viele Aufgaben
Abseits der Hauptaufgaben rund um den Ski, umfasst der Job als Servicemann aber viel mehr. „Man ist nicht nur Servicemann, man ist auch Mentalbetreuer, weil man eben ständig - etwa auch am Start, immer am Athleten dran ist. Man ist laufend über Funk mit dem Team verbunden, bekommt alle Änderungen auf der Piste mit und kann so ständig auf diese reagieren. Man glaubt auch gar nicht wieviel ein Unterschied von ein oder zwei Grad Celsius dann auf der Piste ausmachen. Hier ist es dann meine Aufgabe am Start noch alles zu ändern und auch das Finetuning am Material vorzunehmen. Zumeist entscheidet man aber bei der Besichtigung vorm Rennen welchen Ski man nimmt, wie die Kante beschaffen sein muss und wie die Abstimmung sein soll. Vorab bespricht man alles mit seinem Athleten und richtet so für ein Rennen rund fünf Paar Ski, woraus man dann den finalen Rennski auswählt“, erläutert Rosian. Insgesamt sind im Ski Alpin Service des ÖSV rund 30 bis 35 Personen tätig. Benjamin Rosian ist Teil des WC3-Teams, welches Athleten aller Disziplinen umfasst. „Das ist sozusagen eine Kombigruppe die rund 15 bis 16 Aktive umfasst. Mit dieser Gruppe waren wir heuer auch im Sommer in Argentinien und sind ständig untereinander in Kontakt“, so der Afritzer. Wenn das Team unterwegs ist und Pisten für das Training benötigt, gibt es manchmal auch kritische Stimmen von Außenstehenden. „Bei uns im Weltcup geht mit Naturschnee eigentlich nichts mehr. Die Pisten fangen sofort zu brechen an und so wird immer mit Wasser präpariert, dass es knallhart wird und teilweise könnte man mit Eisschuhen die Piste runterfahren. Ungeübte haben da keine Chance sich zu halten. Deshalb sind auch die Pisten beim Training gesperrt – weil wenn du die Touristen auf so eine Piste rauflassen würdest, könntest du unten im Ziel gleich mit der Rettung warten“, betont der Skifachmann.
Besonderes Erlebnis
Angesprochen auf das bisher größte Erlebnis nennt der Servicemann den ersten Weltcup-Podestplatz von Elisa Mörzinger im Parallelriesentorlauf in Sestriere. „Das war schon etwas sehr Besonderes, weil das war damals nicht zu erwarten. Aber so ist es oft im Skisport. Manchmal passt einfach alles super zusammen und dann kann jeder schnell sein. Ein besonderer Moment war auch letztes Jahr die Ski-Weltmeisterschaft in Courchevel mit Julia Scheib, da sie zuvor zwei Jahre lang verletzt war“, schwärmt Rosian von seiner bisherigen Zeit beim ÖSV. Einzig die Olympischen Spiele fehlen ihm noch, hier hofft er aber auf 2026. Vorher steht aber die aktuelle Saison und nächstes Jahr die Weltmeisterschaft in Saalbach-Hinterglemm am Programm. „Im Endeffekt sollte man bei jedem Rennen gleich motiviert sein und den Ablauf beibehalten. Wenn ich im Weltcup mit Nummer 40 in die Top 10 oder 20 reinfahre, muss ich auch zufrieden sein, schließlich geht es auch darum, die Startnummer zu senken und so immer früher zu starten. Bei einer WM kribbelt es am Start aber schon ein wenig mehr. Dort zählen eben doch nur die ersten drei Plätze“, so der Kärntner. Rennen mit einzigartiger Atmosphäre sind aber auch während der Saison ein Thema. Für Benjamin Rosian war etwa der Nachtslalom in Schladming ein solches Rennen: „Schladming ist sicher das beste Rennen wo ich dabei war, da ist die Stimmung einfach so massiv. International bin ich ganz gern am Kronplatz in Südtirol, denn dort stimmt einfach alles von Organisation über Kulinarik bis zum Hotel. Mein erstes Weltcuprennen war allerdings der Slalom in Kitzbühel, das war natürlich auch ein Erlebnis dort oben am Start zu stehen“, so der ÖSV-Servicemann abschließend.
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