Biolandwirtschaft im Dilemma
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NÖ/TULLN/NEULENGBACH/ST. PÖLTEN/WIEN (wp). Geschäfte mit einem verurteilten Betrüger wurden von BioAustria jahrelang forciert. Nun bricht das System zusammen.
Geschäfte mit Betrüger
„Ich habe es satt, dass man als Biobauer ständig in die Schlagzeilen gerät und sich rechtfertigen muss, weil ein paar Kriminelle die Bio-Sache missbrauchen und von höchster Stelle gedeckt werden“, ärgert sich Josef Bräutigam aus Großweikersdorf. Er war eines jener BioAustria-Mitglieder, die bereits vor Jahren forderten, dass die Geschäfte mit Andreas Kocurek, der konventionelles Getreide als Biogetreide verkauft hatte und deshalb gerichtlich verurteilt wurde, beendet werden.
Kocurek steht an der Spitze der „Österr. Agentur für Biogetreide“ und lässt nun hunderte Biobauern durch die Finger schauen, weil er vertraglich vereinbarte Lieferpreise nicht einhalten kann (das Bezirksblatt berichtete). „Es ist nicht in Ordnung, dass Leute, die Verantwortung tragen, so sorglos mit dem Vertrauen von Biobauern umgehen“, meint NR Bgm. i. R. Johann Kurzbauer, in seiner Pension zum Biobauern geworden. „Hier ist alles daneben gegangen und die Biobauern sind die Leidtragenden.“ Eine Übergangslösung des ehemaligen BioAustria-Chefs Engelbert Sperl soll den Bauern einen Teil der ausstehenden Beträge sichern.
Rücktritt von Erlach gefordert
BioAustria NÖ hielt trotz aller Kritik und der Verurteilung von Kocurek an der Zusammenarbeit mit der Agentur fest bzw. ist mittlerweile sogar beteiligt. „Diese Optik ist äußerst schlecht“, empfindet Walter Klingenbrunner, Biobauer aus Michelhausen, „ich hätte nichts dagegen, wenn der NÖ-Obmann von BioAustria die persönlichen Konsequenzen zieht und zurücktritt.“
Das sieht NÖs BioAustria-Obmann Karl Erlach anders: „Die Zusammenarbeit mit Kocurek ist mit der Zeit gewachsen. Allerdings steht ein Rückzug aus dessen Firma auch zur Diskussion.“
„Handlungsbedarf gegeben“
Druck auf Erlach kam auch vom Bundesdachverband der BioAustria mit Sitz in Wien, aber: „BioAustria NÖ ist ein eigenständiger Verein, ich kann hier keine Vorschriften machen“, erklärt der oberste Bio-Chef Rudolf Vierbauch. Er will mit einer eigenen Vermarktungsgenossenschaft in ganz Österreich, „wo nur Bio-Bauern das Sagen haben“, durchstarten. „Wir brauchen funktionierende bäuerliche Vermarktungsstrukturen, die verlässlich für die Landwirte sind“, so Vierbauch. Politische Interessenvertretungen lehnt er in dieser neu zu gründenden Genossenschaft allerdings ab.
Mayer warnte jahrelang
Einer der heftigsten Kritiker, der bei Versammlungen immer wieder in eindringlichen Worten vor der nun eingetretenen Entwicklung gewarnt hatte, ist Franz Mayer aus Gemeinlebarn: „Ich habe schon lange eine Abkehr von unehrlichen Geschäften gefordert, man hat mich nur diffamiert und meine Warnungen in den Wind geschlagen.“ Mayer sieht in der Gründung einer von Bauern dominierten Vermarktungsgenossenschaft seine Forderungen bestätigt.
„Keine Betrüger!“
„Ich hoffe nur“, so Bräutigam, auch Lehrer in der Landwirtschaftlichen Fachschule Tulln, „dass in dieser neuen Genossenschaft nicht wieder dieselben Chaoten sitzen, die bewiesen haben, dass sie unfähig sind und mit Betrügern zusammenarbeiten.“ – Auch Kurzbauer hält die Genossenschaftslösung unter alleiniger Kontrolle durch die Bauern für sinnvoll.
Werner Pelz (Tel.: 0699 139 90 217 / MAIL: wpelz@bezirksblaetter.com)
***KOMMENTAR***
Seilschaften
BioAustria NÖ hat zu lange aufs falsche Pferd und auf Geschäfte mit einem verurteilten Betrüger, der konventionelles Getreide in Bioware „verwandelte“, gesetzt. Jetzt, wo es ums Gerschtl geht, ist der Druck der Bauern, die auf Geld von einer Tochterfirma von BioAustria warten, zu groß geworden. Frühere Warnungen von kritischen Bio-Bauern wurden von BioAustria jahrelang in den Wind geschlagen. Sowohl der jetzige Obmann Karl Erlach als auch sein Vorgänger hielten an der Verbindung zur Agentur für Biogetreide fest. Eine enge Seilschaft mit in Österreich wichtigen Personen hielt ihre schützende Hand über den maßgeblichen Mann bei der Agentur und Erlach. Das hilft nun nicht mehr, zu offensichtlich sind die Fehler der handelnden Personen. Schade, dass es so lange gebraucht hat, bis es zu einem Selbstreinigungsprozess kommt, denn die Leidtragenden sind wieder einmal die Schwächsten im Glied: die kleinen Bauern.
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