Landesgericht St. Pölten
Terror – Deradikalisierung missglückt
Nur wenige Wochen nach seiner Haftentlassung soll ein 20-jähriger Nordmazedonier Jugendliche zum „wahren Glauben“ bekehrt haben. Zum dritten Mal wurde er nun am Landesgericht St. Pölten wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation verurteilt.
ST. PÖLTEN. Sein Äußeres wies kaum noch Ähnlichkeiten mit dem Angeklagten vom August 2023 auf, vor allem der markante Bart fehlte. Damals fasste er zwei Jahre Haft, davon 16 Monate bedingt aus. Ende Oktober wurde er auf Bewährung entlassen. Er sei durch zahlreiche Gespräche mit geschulten Betreuern zum Umdenken gekommen und so deradikalisiert worden, so die Bewertung seiner Betreuer im August 2023.
Doch bereits ab Dezember soll der Beschuldigte laut Staatsanwalt Michael Lindenbauer junge Burschen um sich geschart haben, die ihn als ideologisch-religiöse Führungsfigur anerkannten. Auf zwei der neuen Anhänger (14, 15 Jahre) wartet nächste Woche der Prozess. Diesmal traten sie als Zeugen auf. Aufgrund ihrer stark relativierten Aussagen fragte Richterin Doris Wais-Pfeffer die beiden St. Pöltner:
„Haben Sie Angst vor ihm? Wollen Sie ihn schützen?“
„Was hat er Ihnen vom IS erzählt?“, fragte Wais-Pfeffer weiter.
„Nur, dass wir uns davon fernhalten sollen“,
behaupteten die Jugendlichen völlig konträr zu ihren Einvernahmen bei der Polizei, wonach er sie für den Kampf der Terrororganisationen IS und Hamas gegen Ungläubige gewinnen wollte. Während der Angeklagte erklärte, dass die Burschen auf ihn zugekommen seien, erinnerten diese sich daran, dass der 20 Jährige sie im Bus angesprochen habe.
Übereinstimmend gaben sie an, dass er sie dazu brachte, ihre Hosen über den Knöchel zu tragen, wobei er selbst zur Schere gegriffen habe.
„Wenn ich die Hose nicht über den Knöcheln trage, werde ich in der Hölle brennen!“,
habe er einem der Burschen weisgemacht. Dem anderen habe er empfohlen, die Hose wieder hinunter zu krempeln, wenn er zur Polizei geht. Die Hose über den Knöcheln zu tragen ist ein Zeichen der Zugehörigkeit zum radikalen Islam, ebenso wie das Tragen eines Siegelringes, den der Beschuldigte auch öffentlich am Finger hatte und ebensolche Ringe an seine Anhänger, denen er als Lehrer auftrat, verkaufte.
Der Nordmazedonier, der sich mit seinen Graffitis im März nach seiner ersten Verurteilung im Jänner 2023 am Bahnhofsareal in St. Pölten abermals als radikaler Moslem outete, bestritt diesmal im Wesentlichen seine Absicht, Leute zum radikalen Islam zu bekehren. Hauptsächlich war er bemüht, sichergestellte Bücher, Videos, Chatnachrichten und anderes einschlägig belastendes Material zu verharmlosen.
„Sie haben originelle Erklärungen“,
meinte dazu Wais-Pfeffer.
Verteidiger Roland Schöndorfer versuchte, aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Zeugen das Verhalten seines Mandanten zu relativieren. Mit fünf Jahren Haft kam dieser bei einer Strafdrohung bis zu zehn Jahren noch relativ günstig davon, wobei auch auf den Widerruf der fast 20 monatigen bedingten Vorstrafen verzichtet wurde. Der Schöffensenat wertete die Aussagen des Angeklagten als völlig unglaubwürdig und absurd. Das Urteil ist vorerst nicht rechtskräftig.
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