Gemeindereportage
Auf an Ratscha in Radenthein
Unsere achte Gemeindereportage bringt uns in die Granatstadt. Johanna, Ingeborg und Annamaria erzählen über das Leben in ihrer Heimatgemeinde Radenthein.
RADENTHEIN. Wenn man sich mit Menschen unterhält, die Radenthein über Jahrzehnte hinweg begleitet haben, wird schnell klar: Vieles hat sich verändert – und manches ist zum Guten gewachsen. Wir haben uns mit Ingeborg Fritzer, Annamaria Zivkovic und Johanna Schretter in Radenthein "auf an Ratscha" getroffen.
Radenthein im Wandel
Ingeborg, die 66 Jahre alt ist, beschreibt ihre erste Begegnung mit Radenthein so: „Als ich das erste Mal in die Gegend kam, habe ich davor in Bad Kleinkirchheim gewohnt. Und als ich hier durchgefahren bin, habe ich gedacht, ‚Gott, was ist das für eine schirche Stadt? Da stinkt es, und überall ist Rauch vom Werk.‘“ Doch ihre Meinung hat sich geändert. „Heute, wenn ich hier wohne, bin ich richtig glücklich eigentlich, weil du kannst alles machen. Es gibt sportliche Möglichkeiten, wir haben einen See, und die Luft ist jetzt gut. Das Werk hat Filteranlagen eingebaut, und die Stadt hat sich schön entwickelt.“ Johanna, 76 Jahre alt, erinnert sich an eine Zeit, als die Luftverschmutzung in Radenthein noch viel schlimmer war. „Wir gingen früher zu Fuß zur Schule, und wenn wir heimgegangen sind, haben wir besonders abends gesehen, wie der Dreck aus den Fabriken herausgelassen wurde. Es gab keine Filteranlagen. Wenn man draußen saß, haben die Schwefelabgase sogar Löcher in die Strümpfe gebrannt.“
Vereinsleben
"Früher war das noch selbstverständlich, dass man in Vereinen mitgeholfen hat", erinnert sich Johanna. "Jeder war irgendwo dabei. Heute ist das schwieriger – „da hat Corona auch viel kaputt gemacht“, ergänzt Ingeborg. Nachwuchs fehlt, und viele fragen sich: Was ist, wenn die Alten nicht mehr da sind? Wer macht dann weiter? Trotzdem gibt’s Lichtblicke. Stolz ist sie auf die Annamaria, „die ist mit ihren Geschwistern in der Trachtengruppe“. Und nicht nur dort – „sie ist auch in anderen Vereinen aktiv, wie etwa der Stadtjugend. In der Trachtengruppe wird noch richtige Handwerksarbeit gemacht – vom Stricken bis zum Töpfern. "Heute lernen die Jungen diese Dinge in der Schule nicht mehr", sagt Johanna.
Treffpunkte in Radenthein
"Als wir jung waren, gab es in der Stadt viele Feste. Da haben alle zusammen gefeiert, und jeder kannte jeden. Die Gemeinschaft war stärker. Aber heute, da ist das alles weniger geworden. Viele gehen zum Arbeiten oder Studieren nach Villach", erzählt Ingeborg. Annamaria stimmt zu: "Die Jugend trifft sich meistens im Park oder man fährt nach Villach, da gibt es mehr Möglichkeiten. In Radenthein gibt es nicht mehr so viele Jugendliche." Ein Treffpunkt für alle in Radenthein ist heute der Stadtmarkt, bei dem die Trachtengruppe jeden Freitag vertreten ist. Johanna backt dafür jede Woche frische Krapfen oder andere Schmankerln. Besonders beliebt ist ihr "Wazen". "Die Leute mögen ihn, weil er gleichmäßiger gefüllt ist, als ein Reindling. Den Wazen gibt es eigentlich das ganze Jahr, Reindling heißt er dann nur zur Osterzeit", erklärt Johanna.
Alte Bräuche
Johanna erinnert sich an die alten Osterbräuche, die heute weitgehend verschwunden sind: „Früher hatten wir den Brauch, dass die Langschläfer in der Osterwoche einen speziellen Namen bekamen. Am Palmsonntag wurde der, der am längsten schlief ‚Palmeesel‘ genannt. Und an den anderen Tagen gab es verschiedene Namen: Am Montag war es die ‚Kraa‘, am Dienstag der ‚Sauspargel‘, und am Mittwoch der ‚Wochentüppel‘. Es war eine lustige Zeit, aber diese Bräuche gibt es heute kaum noch.“ Am Karfreitag gab es die ‚Karfreitagratschen‘, bei denen man mit Kochlöffeln und Waschhumpeln Lärm gemacht hat. Das war eine Art, die Frühjahrsstimmung zu begrüßen“, erinnert sich Johanna.
Lebenswertes Radenthein
Trotz aller Veränderungen und Herausforderungen sind sich alle drei einig: Sie leben gerne in Radenthein. Die Stadt hat sich zwar im Laufe der Zeit stark gewandelt, doch sie bietet heute wie damals Lebensqualität, Natur und ein Gefühl von Heimat.


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