Friedhof der Namenlosen
Gedenken an Opfer der Donau am Alberner Hafen

Der Alberner-Fischer-Verein gedenkt den Opfern, die nicht aus der Donau geborgen werden konnten, einmal im Jahr durch die Kranzniederlegung. Seit 1918 wird diese Tradition aufrechterhalten. | Foto: Manfred Sebek
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  • Der Alberner-Fischer-Verein gedenkt den Opfern, die nicht aus der Donau geborgen werden konnten, einmal im Jahr durch die Kranzniederlegung. Seit 1918 wird diese Tradition aufrechterhalten.
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Bis in die 1940er-Jahre fanden unbekannte Opfer der Donau die letzte Ruhe am Friedhof der Namenlosen in Simmering. Am ersten Sonntag nach Allerheiligen, dieser fällt heuer auf den 6. November, findet dort traditionell eine Gedenkfeier statt.

WIEN/SIMMERING. Es gibt sie noch: einzigartige Orte in Wien, die ihre ganz eigene Geschichte erzählen. So zum Beispiel im Hafen Wien. Im Alberner Hafen – dort, wo das Hafengelände schon wieder in den Auwald übergeht – findet man Wiens kleinsten und ungewöhnlichsten Friedhof. Ein schaurig schöner Ort, wie es ihn nirgendwo sonst auf der Welt gibt.

Am Friedhof der Namenlosen fanden die meist anonymen Opfer der Donau von 1840 bis in die 1940er-Jahre ihre letzte Ruhe. Von vielen weiß man weder den Namen, noch wie sie gestorben sind. Bei anderen wurde die Identität nachträglich geklärt.

Gedenkfeier am 6. November um 14 Uhr

Am Nachmittag des ersten Sonntags nach Allerseelen wird jedes Jahr der Opfer der Donau und der Toten auf dem Friedhof der Namenlosen gedacht. Die Mitglieder des Fischereivereins Albern versammeln sich dann, um ein von ihnen gebautes Floß, geschmückt mit Kränzen, Blumen und brennenden Kerzen, zu Wasser zu lassen. Mithilfe einer Zille, ein flachbodiges Wasserfahrzeug, bringt der Verein den Kranz dann in die Mitte der Donau.

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Auf dem Floß befindet sich auch ein symbolischer Grabstein mit der Inschrift „Den Opfern der Donau“. Auch eine in den Sprachen Deutsch, Tschechisch und Ungarisch verfasste Bitte, das Floß, wenn es am Ufer hängen bleiben sollte, einfach weiterzustoßen, befindet sich darauf. Die Gedenkfeier findet heuer am Sonntag, 6. November, um 14 Uhr statt.

Letzte Ruhestätte für Opfer der Donau

Ein Wasserwirbel fing hier neben morschem Treibholz auch an die 600 Leichen ein. Es handelte sich um Ermordete, Unfallopfer oder Opfer ungeklärter Kriminalfälle – meist unbekannte Tote aus der Donau, die hier angeschwemmt und gleich begraben wurden. Die frühesten Gräber fielen durch Überschwemmungen immer wieder der Natur zum Opfer, daher wurde der Friedhof der Namenlosen im Jahr 1900 an seinen heutigen Standort verlegt, jenseits des Schutzdammes.

Jedes Jahr bauen die Fischer ein Floß und schmücken es mit Kränzen, zahlreichen Blumen und brennenden Kerzen. | Foto: Manfred Sebek
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Die Grabstätten sind einfache, schmucklose Erdhügel, ohne Umrandung und ohne Grabstein. Geschmückt sind sie nur mit schlichten schmiedeeisernen Kreuzen – die einzigen Zeugen, die noch an die Opfer des Flusses erinnern. An manchen Gräbern findet sich noch ein Schild, auf dem „namenlos“, „unbekannt“, „männlich“, „weiblich“ oder ein Datum steht. Im Zeitraum von 1900 bis 1940 wurden am Friedhof rund 100 Wasserleichen beerdigt. Nur ein Teil davon konnte identifiziert werden.

1935: Neue Mauer und Kapelle

Im Jahr 1935 erhielt der Friedhof der Namenlosen bei den Arbeiten zur Verstärkung des Schutzdammes eine steinerne Umfassungsmauer sowie eine Kapelle. In der sogenannten Auferstehungskapelle finden auch heute noch regelmäßig Messen statt. Als dann im Jahr 1939 der Hafen Albern mit seinen Getreidesilos gebaut wurde, änderten sich durch die Hafenregulierung auch die Strömungsverhältnisse im Donaustrom.

Lange Zeit waren die Kreuze aus Birkenholz, doch diese hielten der Witterung nicht statt. Ab 1940 wurden vermehrt Gusskreuze verwendet, die aus aufgelassenen Grabgruppen beim Zentralfriedhof vorhanden waren. | Foto: Manfred Sebek
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Seither werden keine Leichen mehr an dieser Stelle angeschwemmt. Falls doch, dann werden diese Toten auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt. Auf dem Friedhof der Namenlosen fand nach offiziellen Quellen die letzte Beerdigung im Jahr 1940 statt. Der stillgelegte Friedhof der Namenlosen wird heute vom Hafen Wien sowie der Stadt Wien erhalten.

Vom Totengräber Josef Fuchs

Mit der Geschichte und der Erhaltung des Friedhofs der Namenlosen ist ein Mann untrennbar verbunden: der ehrenamtliche Totengräber Josef Fuchs. Er lebte von 1906 bis 1996 und hat den Friedhof mit großer Sorgfalt betreut.

Die Familie Fuchs betreut heute noch den Friedhof der Namenlosen. Hier sieht man Grabbetreuer Josef Fuchs und Gattin Rositta Liedl-Fuchs. | Foto: Manfred Sebek
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Er hat auch dafür gesorgt, dass – im Widerspruch zum Namen des Friedhofs – viele der Toten nicht ganz namenlos geblieben sind. Mithilfe von Abgängigkeitsanzeigen des Gemeindeamts Albern, die auch Personenbeschreibungen enthielten, konnte er viele Opfer identifizieren. Noch heute kümmert sich die Familie Fuchs ehrenamtlich um den Friedhof.

Friedhof der Namenlosen direkt zugänglich

Damit der Friedhof der Namenlosen nicht in Vergessenheit gerät, wurde im Jahr 2019 auch der Zugang zum Friedhof erneuert. Seitdem ist der Friedhof erstmals über einen gesicherten Fußweg direkt für Besucherinnen und Besucher zugänglich. Der Fußweg beginnt bei der öffentlichen Haltestelle, der Endstation der Buslinien 76A sowie 76B, und führt auf einer Länge von etwa 600 Metern direkt zum Friedhof.

Der Friedhof der Namenlosen befindet sich am Alberner Hafen und ist ein Geheimtipp für alle Geschichtsinteressierten. | Foto: Erich Weber
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Im Zuge der Arbeiten wurde auch die Auferstehungskapelle am Friedhofsgelände renoviert. Die Kapellen-Wände, das Altarbild und die Wände der Sakristei wurden restauriert. Damit wurde sichergestellt, dass die Menschen, die hier begraben wurden, nicht in Vergessenheit geraten. Denn hier erzählt jedes Grab seine ganz eigene Geschichte und zeugt von einem Schicksal, das in den Fluten der Donau ihr Ende fand.

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