Das Lawinenunglück vom Mitterberg jährt sich zum 100. Mal
Am 19. Februar 1916 wurden in Mühlbach 245 Soldaten verschüttet, 58 von ihnen starben.
Im ersten Weltkrieg spielte der Gebrauch der Skier in der Kriegsführung eine maßgebliche Rolle. Der Mitterberg bei Mühlbach war zu jener Zeit ein Zentrum der militärischen Skiausbildung. So waren auch im Winter 1916 Oberst Bilgeri, verantwortlicher Leiter dieses Ausbildungskurses, und 315 Soldaten zum Skiunterricht am Mitterberg stationiert.
Warnungen ignoriert
Schon am 13. Februar hatte es stark zu schneien begonnen. Am 19. Februar erreichte der gemessene Neuschnee beim Wirtshaus am Mitterberg (dem heutigen Arthurhaus) bereits eine Höhe von 3,12 Meter.
Die eindringlichen Warnungen der Hüttenwirtin Therese Radacher und deren Sohn Peter, die Übungen besser am lawinensicheren Hochkeil abzuhalten, wurden ignoriert. Ausbildungsleiter Oberleutnant Loos ordnete dennoch eine – wie es damals hieß – „militärische Ubikation“ in der Sonnseite, in der Nähe der Almhütten an.
Augenzeuge berichtet
Die Ereignisse der nächsten Stunden schilderte der Augenzeuge Vorzimmerer Egger, der beim Bergbau arbeitende, wie folgt: „In Durchführung des erhaltenen Auftrages (Abschaufeln der Dächer) begab ich mich mit zehn russischen Kriegsgefangenen zum Gasthof Mitterberg. Das Wetter hatte sich gelichtet, es war um die Mittagsstunde klar, weitsichtig und warm geworden. Der Sturm hatte sich gelegt. Nachmittags um 13 Uhr begannen wir mit der Arbeit. Nach etwa 45 Minuten Arbeit sah ich zufällig gegen den Kälberriedl und erinnerte mich des Lawinensturzes 1897 und an die Lawinenverbauung an der ich selbst mitgearbeitet hatte.
Links, unmittelbar neben der Kirchsteinhütte sah ich einen Zug Soldaten, während vor dem Hause eine Menge Skier senkrecht in die Schneefläche eingerammt waren. Plötzlich sah ich oberhalb der Lawinenmauer Schneewolken aufsteigen, die Fernsicht verschwand und ich verspürte einen mäßigen Luftdruck, ohne ein besonders heftiges Geräusch zu hören. Nach einigen Sekunden aber kam plötzlich ein gewaltiger Luftstoß, der mich in die stehende Schneewand einklemmte, ich hörte noch ein furchtbares Schreien und Krachen von Gebälke und dann lautlose Stille.
Etwa eine Minute nachher war noch ein neuerlicher, aber weniger starker Luftdruck wahrnehmbar. Nach Erzählungen der Russen seien dieselben zum Teil über das Dach hinweggefegt worden, einer will etwa 10 Meter geschleudert worden sein.
Die Lawine war knapp vor der Kirchsteinhütte und etwa einen Meter vor der Gasthoftüre zur Ruhe gekommen, die Höhe des Lawinenflusses erreichte nahezu die Höhe des ersten Stockes.“
250 Schaufeln im Einsatz
Dem Umstand, dass die Bergwerksleitung die Arbeiter an jenem Tage nicht in die Gruben fahren ließ, sondern obertags zum Schneeschaufeln schickte, war es zu danken, dass binnen kurzer Zeit über 250 Knappen mit Schaufeln am Unglücksort eintrafen und sofort mit den Rettungsmaßnahmen begannen.
Bergmännische Suche eingeleitet
Der Lawinenkegel mit einer Stauhöhe von acht bis zwölf Metern wurde in bergmännischer Manier „mit Stollen und Quergängen, mit Luftlöchern und Zimmerung“ – wie es im Bericht geschrieben steht – durchsucht.
58 Soldaten tot geborgen
Nach den abgeschlossenen Rettungsarbeiten wurde die traurige Bilanz gezogen: Insgesamt wurden 245 Soldaten verschüttet, ohne fremde Hilfe konnten sich davon 79 befreien, 109 wurden noch lebend ausgegraben, davon 72 Mann in schwerverletztem Zustand. Für 58 Soldaten kam jede Hilfe zu spät, sie konnten nur mehr tot geborgen werden, einer davon erst im Frühjahr bei Aufräumungsarbeiten in der völlig zerstörten Schweizerhütte. Die Toten wurden in einem Massengrab in Bischofshofen beerdigt.
Beatmungsgeräte im Einsatz
Es ist sicher, dass ohne dem Umstand, dass binnen kürzester Zeit 250 Retter mit dem Werksarzt Hartmann an der Unglücksstelle eintrafen, die Rettungsarbeiten fachmännisch durchgeführt wurden (sogar Sauerstoff-Beatmungsgeräte aus dem Bergbau kamen zum Einsatz) ein Mehrfaches an Toten zu beklagen gewesen wäre.
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