Selbsthilfegruppe
Mit dem Stottern nicht alleine sein

- Thomas Kupetz zeigt, wie man selbstbewusst mit dem Stottern umgehen kann.
- Foto: Privat
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Thomas Kupetz klärt über das Stottern auf.
LINZ. Circa ein Prozent der Erwachsenen wissen wie es sich anfühlt, wenn Wörter ins Stocken geraten. Einer davon ist Thomas Kupetz, Leiter der Stotter-Selbsthilfegruppe (ÖSIS) in Linz. Im Gespräch teilt er uns mit, wie man mit dem Stottern selbstbewusst umgehen kann.
Wann hat das Stottern bei Ihnen begonnen?
Kupetz: Ich habe mit elf Jahren zu stottern angefangen. Das ist eher untypisch, da viele meist in jüngeren Jahren damit beginnen. Ich vermute, dass es bei mir aus einem Zusammenspiel aus mehreren Faktoren hervorgegangen ist. Ich war damals eher schüchtern und zurückhaltend, hatte schulische Schwierigkeiten und fühlte mich von autoritären Unterrichtsstilen unter Druck gesetzt. Plötzlich war das Stottern da und wurde im Laufe der Zeit immer mehr.
Wie haben Sie gelernt mit dem Stottern umzugehen?
Ich habe mich sehr viel mit mir selbst auseinandergesetzt und mein Sprechen genauestens analysiert. Wann spreche ich flüssig? Wann stottere ich? Bestimmte Sprechtechniken und Mentales Training haben mir hier sehr geholfen. Eine Vorstellrunde im Sesselkreis war früher die absolute Horror-Vorstellung für mich. Heute begebe ich mich bewusst in solche Situationen, um mich immer wieder für vermeintliche Angstsituationen zu desensibilisieren. Ebenso höre ich total gerne inspirierenden Personen zu, die sich mit ihren Ängsten auseinandersetzen und lerne von ihnen. Ich spiele auch Volleyball und erkenne hier viele Zusammenhänge. Beim Sprechen, als auch beim Volleyball, spielen Technik, Training und Reflexion eine große Rolle. Heute spreche ich total gerne und kaum jemand vermutet, dass ich Stotterer bin.
Welchen Ängsten sind stotternde Personen ausgesetzt?
Viele haben Minderwertigkeitskomplexe und Zukunftsängste. In unserer Gesellschaft kursiert leider immer noch das Gerücht, dass Menschen die stottern eine Intelligenzminderung haben. Das ist sehr traurig. Ebenso machen sich viele Gedanken, bezüglich ihrer Berufswahl. Es gibt Personen, die einem komplett anderen Beruf nachgehen, weil sie dort kaum sprechen müssen, obwohl sie etwas völlig anderes interessiert. Leider ist auch Mobbing in Schulen oder am Arbeitsplatz immer noch ein Thema.
Welche Tipps haben Sie für Betroffene?
Reduziere dich nicht auf dein Stottern – deine Persönlichkeit macht so viel mehr aus! Mir selbst hat es sehr geholfen, dass ich mich früh mit meinen Sprechängsten auseinandergesetzt habe. Ich habe mich bewusst immer wieder in Sprechsituationen gewagt, um die Angst davor abzubauen. Das hat zwar anfangs immer viel an Überwindung gekostet, war rückblickend für mich aber der richtige Weg. Meiner Meinung nach geschieht Entwicklung immer dort, wo man bereit ist, sich aus seiner Komfortzone zu wagen. Weiters empfehle ich: Triff dich mit Personen, denen es ähnlich geht. Oft glaubt man der einzige Mensch auf Erden zu sein, der diese Erfahrungen durchmacht. Wenn man merkt, dass man nicht allein ist, hilft das immens. Daher kann ich eine Selbsthilfegruppe jedem nahelegen.
Wie sieht ein Treffen der Selbsthilfegruppe bei euch aus?
Wir treffen uns meist einmal im Monat. In erster Linie geht es uns um das Miteinander. Niemand soll das Gefühl haben mit seinem Stottern alleine zu sein. Beim Treffen tauschen wir uns untereinander aus und machen Sprech- als auch Wahrnehmungsübungen. Gelegentlich gehen wir auch Outdoor-Aktivitäten nach. Hier probieren wir dann unterschiedliche Sprechtechniken aus. Wie beispielsweise durch tönendes Sprechen etwas im Restaurant zu bestellen.
Wie kann man an der Selbsthilfegruppe teilnehmen?
Einfach vorbeikommen. Die Termine und Kontaktdaten findet man auf der Webseite. Eine Mitgliedschaft bei ÖSIS ist nicht erforderlich. Auch für Kinder und Jugendliche haben wir Angebote. Im Sommer findet beispielsweise ein Feriencamp am Attersee statt.
Was wünschen sich stotternde Personen von der Gesellschaft?
Zeit! Wenn man beobachtet, dass eine Person stottert, sollte man ihr unbedingt die Zeit geben ihre Sätze selbstständig zu beenden. Es ist nicht förderlich, wenn man den begonnen Satz für die Person fertig spricht. Ganz im Gegenteil. Es kann für den Betroffenen sogar noch mehr Stress bedeuten. Man sollte auch den Blickkontakt weiterhin aufrecht halten und nicht einfach wegsehen. Ist jemand im nahen Umfeld betroffen, sollte über das Stottern offen gesprochen werden. Etwas zu tabuisieren hat noch nie ein Problem gelöst.
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Was ist ÖSIS?
ÖSIS (Österreichische Selbsthilfe Initiative Stottern) ist ein Verein, der sich zur Aufgabe genommen hat, die Lebenssituation stotternder Menschen zu verbessern.
Alle Infos dazu findet man unter www.oesis.at
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