schrecklich schönes Rosa ... Kunst_Exile
CALMANT: 140. Geburtsjahr Marie Laurencin
Virtuelle Veranstaltung anlässlich des 140. Geburtsjubiläum französischer Künstlerin Marie Laurencin
(!883-1956 Paris, Paris)
am 31. Oktober 2023
CALMANT
Das Portrait von Marie Laurencin wird über ihre weniger bekannte, schriftstellerische Tätigkeit vorgestellt und anschließend wird die Thematik der "beunruhigende Wirklichkeit" für das Gespräch und die Kunst als regeneratives Exilraum" mit Zitaten aus Gedichten und Briefen von Laurencion angeleitet.
"Geschriebenes WortBildete zugleich Zuflucht und Verteidigung gegen eine beunruhigende Wirklichkeit“
M. Laurencin in Flora Groult "Marie Laurencin. Ein Leben für die Kunst. 1992. Knaur. S.31)
1905 veröffentlichte Laurencin erstmals eine Reihe von lyrischen Werken unter dem Pseudonym Louise Lalanne.
Ihr Tagebuch Carne de Nuit wurde 1947 in Genf, später auch in Belgien, 1957 veröffentlicht.
„Habe einen Schweizer Verleger für ein vages Erinnerungsbuch gefunden.
Es ist fast fertig.
Ich rede dort nur über den Regen.“
(M. L. in Flora Groult "Marie Laurencin. Ein Leben für die Kunst 1992. Knaur. S.17)
Zitate aus Laurencins Tagebüchern und Poesie habe ich im Buch von Autorin Flora Groult (jüngere Schwester von Benoite Groult) "Marie Laurencin. Ein Leben für die Kunst" 1992. Knaur, erstmals entdeckt.
Eine leichte Lektüre, dachte ich,
als ich das Büchlein in einem Altwarengeschäft neben der Straßenbahnhaltestelle für 50 Cent kaufte.
(Ich war auf dem Weg ins Spital wegen eine Mandeloperation).
Doch, was für ein Irrtum!
In den Textpassagen aus Laurencin´s Tagebuch, in ihren Gedichten, entdeckte ich eine Verwandte, die ähnliches erlebte. Also, keine leichte Lektüre, kein beruhigendes Calmant!
Im Gegenteil, ein inneres Aufruf, das beunruhigende zu hinterfragen,
die Vorhänge sanft zu öffnen, dem beunruhigenden mehrfaches Ausdruck verliehen,
Räume und Ausdrucksformen dafür zu schaffen, es hinaus zu schrei(b)en, hinaus zu atmen ...
Seite für Seite, Zeile für Zeile, kamen meine eigene, durch die Flucht vom Krieg am Balkan in den 1990-er entstandenen und dann „verschleierten“ Ängste und Leiden auf:
die Bilder der Zerstörung, das Verschwinden von allem was mir vertraut war (...)
Marie Laurencin konnte ihrem Leid mehrfaches Ausdruck verliehen.
Was nicht gemalt wurde, wurde geschrieben.
(...)
Über zwei Jahrzehnte fand ich immerwährend neue Inspirationen in Werken und Schriften von Laurencin für die Forschung zu Identitätsfragen und Kunst als regeneratives Exilraum.
Mit dem Titel CALMANT, nach einem Gedicht von Laurencin, wurde eine Projektreihe in den 2005-2009 Jahren, in Wien realisiert.
In Kooperation mit dem Institut Francais de Vienne, wurden die Projektaktivitäten welche ich in 2-jährige Zusammenarbeit mit Jan Vysocky (Audio) und Michael Kral (visuals) entwickelte, und davor mit Unterstützung von Christa Stippinger und Exil Verein in der Galerie Exil präsentierte,
in eine multimediale Präsentation mit Vernissage, Tanzperformance und Lesung von Laurencins Gedichten in zwei Sprachen (Deutsch, Französisch) im Palais Glam-Callas in Wien vorgestellt:
Zu diesem Anlass kam die französische Bestsellerautorin und Feministin Benoite Groult zum ersten Mal auf Einladung der französischen Botschaft nach Wien. Groult präsentierte bei dieser Veranstaltung ihr Buch La touche étoile und teilte ihre persönlichen Erinnerungen über ihre Patentante Laurencin, mit.
Benoite Groult unterstützte die Entwicklung von diesem Projekt in unseren Begegnungen in Paris, wo sie mir ihre private Brief- und Bilderkollektion von Laurencin zeigte, über ihr persönliches Verhältnis zum Schreiben als Akt der Emanzipation erzählte und in unserer Briefkorrespondenz über Laurencin, Alltag und Leben, schrieb..
Stadt Wien, MA7 unterstütze die Projektpremiere mittels einer Förderung.
Die Sammlung aus langjähriger Forschung und Projektaktivitäten wurde Im Buch CALMANT in 2015 veröffentlicht.
Die beunruhigende Wirklichkeit umgibt uns und trifft, mehr oder weniger,
immerwährend,
direkt oder indirekt.
Aus Dis_tanz sind wir als betrachtende ohnmächtig, verunsichert,
in eigenem Alltag mit Leid von unseren Nächsten hier und auch weit weg,
umringt.
Als ich in 1992 nach Österreich kam, wütete der Krieg in meiner Heimat Jugoslawien.
Umgeben von blumigen Wiesen niederösterreichischer AU, doch gedanklich mit Bildern der Zerstörung gefesselt,
mit Angst um meine Familie, Freunde,
ging ich den Weg neben Menschen die ihre Lebensfreude in der Natur zelebrierten
während die Schrecken des Krieges gespenstisch
in meinen Gedanken
wie die Feuerflammen tanzten.
Hier, und zugleich gedanklich ganz woanders ...
Ihre Kriegserlebnisse aus-Dis-tanz, im spanischen Exil, später aus Deutschland,
beschrieb Laurencin wie folgend:
„Ich habe den Eindruck, dass das was ich jetzt male, minderwertig ist. Es konnte nicht Krieg herrschen und ich ständig weiter rosafarbene, unbeschwerte, freie Frauen malen. Das muss ich mir sagen.“ (...)
„Seit einem Monat leide ich unter Anfällen von Neurasthenie. Sobald ich aufwache, kommt es mir vor, als würde ich halluzinieren und durch schmutziges Wasser waten, in dem Menschen und Tote schwimmen. Tränen steigen mir in die Augen.
Es ist erstaunlich, wie oft ich heimlich weine.“
„ Heute bin ich in der Stimmung, wo ich nach Deutschland gehen möchte, um dort vor Hunger zu sterben. Weil ich ein bisschen ermordet sterben möchte ..
Wenn Freunde sterben,
beklagen wir die Leere, die sie hinterlassen ...
Wenn man nichts besitzt, kann man sich gut mit dem Tod arrangieren ...
(M.L. in F.G 1992 . S..152- Brief an N.Groult aus der Schweiz)
Kann es uns gelingen, ein ruhiges, regeneratives Ort in der Kunst zu finden,
oder mit Kunst, so ein Ort selbst aufzubauen, zu kreieren, zu imaginieren?
Kann uns die "Rosa" von Laurencin dazu helfen, das schreckliche umzuwandeln, dem auszuweichen,
das unerträgliche,
als untragbar zu erklären,
es nicht mehr zu er-tragen
mit sanften Pinselstrichen, Pastellfarben und weichen Stoffen,
über das untragbare "zu streifen"
mit gespitzten Stift, die Bilder mit Worten schärfen,
umzuschreiben
erweitern
ausdehnen
umformen
übersetzen
anders sagen .. ?
Ich tupfe Rosa dahin, wo es mir gefällt
oben,
unten,
an der Stelle
eines schönen, lebendigen Mundes"
Marie Laurencin
in F.G. M.L. 1992 Knaur. S. 141)
„Da wir keinen Anteil am Leben hatten,
suchten wir ihn leidenschaftlich in Lektüre und Poesie.“
„Grün gebundene Bücher sehen aus wie ein Wald, in dem ich mich verliere“
Marie Laurencin
Umgeben von, mit Gewalt und Katastrophen geprägten Wirklichkeitsbilder und Nachrichten,
direkt oder indirekt betroffen
suchen wir nach Zufluchtsorten wo das Aufatmen noch möglich ist,
damit es besser gelingt,
damit es anders sein darf
dem Nächsten und einem selbst zu helfen,
dem schrecklichen zu entgegnen
lebend
mitlebend
Anmeldung, weitere Informationen zu Veranstaltung:
https://www.eventbrite.com/e/calmant-schrecklich-schones-rosa-140-geburtsjahre-marie-laurencin-tickets-746001740287?aff=oddtdtcreator
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