In 1.362 Tagen ist nicht nur der Fasching zu Ende
Erst die Erhöhung der Parteienförderung, dann die Teilung in FPK und BZÖ, danach der Chefwechsel der SPÖ, nun die Selbstzerfleischung der ÖVP: Zumindest ein Viertel der Legislaturperiode ist vorbei, doch Kärntens Regierungsparteien setzen der alles überschattenden Haiderschen Nachlassverwaltung bloß ihre schamlose Nabelschau entgegen. Vollkommene Verantwortungslosigkeit im Hypo-Skandal und exhibitionistische Tragikomödien des unbedingten Machterhalts erzeugen ein Zerrbild des politisch Machbaren.
Speed kills: Dieses Zitat Andreas Khols zum Start der schwarzblauen Koalition vor zehn Jahren beschreibt eine Binsenweisheit der Machtausübung in Wahlperioden: Wer Grauslichkeiten nicht sofort erledigt, schafft es nie. Je näher der nächste Urnengang, desto weniger muten die Herrschenden den Wählenden ein wenig Wahrheit zu. Sie fürchten den Zorn des Bürgers am Stimmzettel.
In einem Land am Rande der Pleite sollten seine Regierenden 465 Tage nach ihrer Wahl sowohl den Offenbarungseid als auch dessen Folgenerklärung geleistet haben. Schließlich benötigen sie den Rest der Amtszeit, um wenigstens Vertrauen in ihre Ausgleichsfähigkeit zu erlangen. Doch in Kärnten bleibt alles ungefähr und dadurch umso gefährlicher. Landeshauptmann Gerhard Dörfler spricht für 2020 von einem „Nulldefizit“. Dieses Wort des Jahres 2001 ist längst als Oberschmäh des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser enttarnt. Denn die einmalige Vermeidung der Nettoneuverschuldung wurde mit der höchsten Abgabenquote (45,6 %) der Zweiten Republik erkauft. Heute liegt Österreich mit 43,7 % im entsprechenden Vergleich gleich hinter den skandinavischen EU-Staaten. Darüber reden Dörfler & Co. aber so wenig wie von Details der radikalen Sozialkürzungen, die zur Budgetsanierung notwendig sind. Stattdessen dienen die internen Konflikte der jeweils anderen Partei als willkommene Ablenkung von den wirklichen Problemen. Diese andauernde Unterschätzung der Intelligenz des Bürgers führt zu totaler Politikverdrossenheit.
Laut jüngsten Umfragen würde aktuell nicht einmal die Hälfte vom Stimmrecht Gebrauch machen. Auch das wären eidgenössische Verhältnisse, wie Finanzlandesrat Harald Dobernig sie so schätzt. Doch die seit 1970 unter 50 % liegende Wahlbeteiligung zum Schweizer Nationalrat erklärt sich aus dessen Machtarmut, dem Fiskalföderalismus der Kantone und einem starken direktdemokratischen System bis zur kommunalen Ebene.
Gäbe es in Kärnten so viele Volksbefragungen zu konkreten Anliegen, die dann auch wirklich aus dem Landessäckel ohne große Bundesbeteiligung zu bezahlen wären, sähe hier die gesamte politische Kaste anders aus. Sie baut auf Versprechungen, für die andere zur Kasse gebeten werden. Noch hat sie höchstens 1.362 Tage Zeit, diesen Stil grundsätzlich zu ändern. Dann spätestens ist die nächste Landtagswahl und nicht nur wieder ein Fasching zu Ende.
Peter Plaikner lebt als Medienberater und Politikanalyst u. a. in Klagenfurt und ist Lehrgangsmanager für Polit-Kommunikation an der Donau-Universität.
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