Klagenfurt
Edin Mustafic: Ein Revoluzzer, der die Welt verändern möchte
Erst Werbefotograf, dann Künstler: Edin Mustafics Fotografien hinterfragen, beleuchten und bewegen.
KLAGENFURT. Der Fotograf Edin Mustafic stellt einzelne Momente in den Mittelpunkt, um abstrahierend große gesellschaftliche Themen zu behandeln. Nicht durch großen Aufschrei, sondern vielmehr durch subtile Unterwanderung werden soziale Gegebenheiten offengelegt. Mit Leerstellen, offenen Fragen und subjektiven Lösungsansätzen.
(K)ein Widerspruch
Es klingt zunächst wie ein Widerspruch. So gesellschaftskritisch und provokant Fotograf Edin Mustafic auch sein mag, seine Fotos scheinen nicht die lauten, schreienden Situationen in der Welt zu zeigen, zumindest vordergründig. Bei genauerem Hinsehen wird vieles klarer, sobald sich die losgelösten Momente allmählich als die brennenden, uns alle angehenden Themen entlarven. Ruhig und leise nimmt sie Mustafic aus dem Gesamtzusammenhang heraus und lässt den Aufschrei und die Empörung untergründig, aber mit voller Wucht, aus dem Bild treten. Seine Fotografien existieren losgelöst von Raum und Zeit, lassen sich aber gleichzeitig recht genau und präzise in unserer Lebenswelt verorten. Durch den zweiten Blick, der schonungslos Missverhältnisse anspricht und aufdeckt, ohne sie explizit benennen zu müssen: „Es ist nicht mein Stil, mit dem Finger auf Missverhältnisse zu zeigen, daher nehme ich einzelne Inhalte isoliert heraus und verschiebe sie auf eine abstrakte Ebene, wo vieles erst bei genauerem Hinsehen klar wird. Ich arbeite bevorzugt im Studio, wo ich meine Motive aus ihrem gewohnten physischen, sozialen und kulturell geprägten Kontext extrahiere, um sie in einem Zustand der Isolation zu erleben“, beschreibt Mustafic seinen künstlerischen Zugang. Bei genauerer Auseinandersetzung wird das augenscheinlich, was Mustafic subtil mittels Symboliken und Muster ansprechen, hinterfragen und durchwegs auch anklagen will. Als Revoluzzer, der die Welt zum Besseren verändern oder zumindest etwas bewegen, ja aufrütteln möchte, ließ er die kommerzielle Werbefotografie hinter sich und fokussiert sich seit dem Jahr 2015 ganz auf die Kunst. Sein Erfolg wird durch die Beteiligung an internationalen Messen und Ausstellungen wie der "Art Madrid" bekrönt und seit 2019 auch mit einer gemeinschaftlich mit seiner Frau geführten Galerie Panoptikum, die derzeit noch ausschließlich online läuft, aber in den nächsten Jahren einen Sitz am Wörthersee erhalten soll und sich der Förderung von gesellschaftskritischer und ästhetisch wertvoller Kunst verschrieben hat.
Das Gemeinsame extrahieren
Was den gebürtigen Salzburger interessiert, sind Muster unserer Welt, die das Gemeinsame herausstellen und zeigen, wie wir alle denken und ticken: „Im Grunde genommen, versuche ich einen gemeinsamen Nenner in unserer Welt zu finden – das verbindende ‚Etwas‘, das uns allen gleich ist.“ Seine Themen spiegeln den Zeitgeist wider und sind so breit gefächert wie die Gesellschaft es selbst sein kann. Vom Kapitalismus über die sozialen Medien bis hin zu psychischen Problemen, findet alles gesellschaftlich Relevante seinen Platz. Mustafic spielt mit den uns bekannten Sehgewohnheiten, lädt Bildwelten mit starken Symbolen auf, lotet Grenzen aus und beobachtet, welchen Inhalt die Betrachter mit Mustern unserer Welt ausgestatteten Bild zuschreiben. Aber auch wie sich diese zeitlich verändern und möglicherweise aufgrund der großen Zeitspanne zwischen Produktion und Rezeption nicht mehr erkannt und eingeordnet werden können. Wiewohl die Fotografie sein Hauptbeschäftigungsgebiet ist, gilt es nicht als sein alleiniges Metier. Sofern Mustafic ein Thema fotografisch nicht zufriedenstellend bearbeiten kann, begibt er sich in andere Kunstsparten wie den installativen Bereich hinein und sucht neue Formen auf, um das Aufgesuchte künstlerisch ausdrücken zu können.
Zugeschriebene Bedeutungen
Experimentierend mit Schärfe und Unschärfe, macht er Grenzen des Realen und Irrealen sichtbar und führt diese gleichzeitig ad absurdum. Und das nicht nur im technischen Sinne, sondern auch in der Auseinandersetzung mit dem uns umgebenden Gesellschaftlich-Realen. Mustafic spielt mit Bedeutung und Sinn, wie in einer von ihm in diesem Zusammenhang ganz passend benannten Serie „Denotation und Konnotation“, wo es um das Spiel mit Mustern und Inhalten geht und die Frage aufgeworfen wird, wie Inhalte entstehen, ja wie man mittels Bildeffekten ganze Gedankengänge auslösen kann. Eine verhüllte Frau spricht dabei untergründig, aber von Mustafic nicht minder stark formuliert für Religionsfreiheit. Die Befreiung und Selbstbestimmung der Frau wird dabei kritisch formuliert, die Blumen verleihen dem ganzen einen lächerlichen Unterton, um die Provokation auf die Spitze zu treiben. Sein oberstes Ziel ist trotz Abstraktion die Beibehaltung von Authentizität, die vorherrschend bleiben soll. Besonders ersichtlich in seiner Fotoreihe „Anatomie eines emotionalen Überfalls“, die Bezug auf das Gefühl nimmt, das im Burn-Out Prozess aufgebaut wird. Ist man in Emotionen befangen oder wird von ihnen fortgerissen? „Diese Fotoserie soll authentisch vorführen, wie man in den Problemen gefangen ist und nicht rauskommt. Es beginnt langsam und steigert sich allmählich bis hin zur Ekstase.“ Ganz in Analogie zu Mustafic Fotografien, die sich zunächst ruhig anmuten und sich im Laufe der Auseinandersetzung steigern. Immer und immer weiter bis zur Unkenntlichkeit. Die wiederum Brücken schlägt zur gesellschaftlichen Realität.
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