Radetzkystraße: Bewohntes Haus wird abgerissen
Die Hälfte der Wohnungen in der Radetzkystraße 24-26 ist bewohnt: Trotzdem wurde begonnen, das Haus abzureißen.
LANDSTRASSE. "Unser Dach ist schon weg, und jetzt reißen sie wahrscheinlich auch noch den obersten Stock ab!", klagt eine Bewohnerin der Radetzkystraße 24-26. Im von Josef Kastan im Stil der Neogotik im Jahr 1847 errichteten Haus direkt am Donaukanal befand sich bis 2016 das weithin bekannte Café Urania. 2017 wurde das gesamte Wohnhaus, in dem neun von 20 Mietwohnungen mit unbefristeten Mietverträgen ausgestattet sind, eingerüstet und mit einer blickdichten Plane versehen. In den letzten Tagen ging es dann Schlag auf Schlag: Die Plane wurde entfernt und durch ein Baustellennetz ersetzt - dann kamen die Bauarbeiter und begannen, die 170 Jahre alte Fassade und das Dach langsam abzureißen.
Wohnen ist ein Grundrecht
Uli Pilgram, die Obfrau der Landstraßer Grünen, hat sich gemeinsam mit der Bürgerinitiative "Rettet das Fasanviertel" für die betroffenen Mieter eingesetzt und ist empört: "Stellen Sie sich vor, Sie wohnen jahrelang in einem Haus und plötzlich wird Ihnen die Wohnung über dem Kopf abgerissen. Das darf nicht sein! Wohnen ist ein Grundrecht und dafür setze ich mich ein."
Um diesem und ähnlichen Hausabrissen ein rechtliches Mittel entgegensetzen zu können, gilt seit 1. Juli die neue Bauordnung: Diese erschwert den Abriss von Häusern, die vor 1945 errichtet wurden. Bisher waren Abrisse bewilligungsfrei. Zudem brauchen abbruchwillige Bauherren eine Bestätigung der MA 19, "dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht". Offenbar wollen viele Hauseigentümer noch rechtzeitig vor Inkrafttreten dieser Bauordnungsnovelle Nägel mit Köpfen machen - und ziehen die Abbrucharbeiten vor.
"Schutzzonen wären einfacher!"
"Grundsätzlich ist die Gesetzesnovelle erfreulich, weil dadurch hoffentlich viele alte Häuser vor Spekulations-Abrissen gerettet werden können. Allerdings hätte man das auch mit einfachen Umwidmungen in Schutzzonen einfacher haben können", erklärt Markus Landerer von der Initiative Denkmalschutz, die sich in ganz Wien für den Erhalt schutzwürdiger alter Häuser einsetzt. Die aktuelle Gesetzesnovelle nennt die Initiative "janusköpfig": "Den Schutz alter Häuser hätte man mit Schutzzonen viel einfacher haben können, aber das wollte man im Rathaus nicht", beklagt Landerer.
Gebietsbetreuung bietet Rechtshilfe an
Rudolf Zabrana (SPÖ), der Vorsitzende des Bauausschusses im Bezirk: "Bei der Radetzkystraße haben wir letztes Jahr eine Schutzzone verlangt, die MA19 hat das aber abgelehnt. Am 25. Juni habe ich von der Baupolizei erfahren, dass eine Abbruchanzeige eingegangen ist. Leider sind aufrechte Mietverträge in einem Haus kein Hindernis, dass abgerissen werden kann, und so wurde vom Eigentümer nun mit einem Teilabriss begonnen. Die Baupolizei kontrolliert täglich, ob Risse in den Wänden auftreten - in diesem Fall müßte der Abbruch sofort eingestellt werden." Die Gebietsbetreuung hat die Mieter der Radetzkystraße 24-26 kontaktiert und wird ihnen Rechtshilfe anbieten, falls sie den Hauseigentümer auf Unterlassung oder Störung ihres Mietrechts klagen wollen.
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.