Neuerscheinung von Weltliteratur:
Matl präsentiert Brainins „Motl“
In den letzten beiden Jahrzehnten wurde die Hainburger Autorenrunde immer mehr Sammelort von bekannten Literaten aus dem In- und Ausland, insbesondere auch aus Deutschland, der Slowakei und Russland, was sich besonders in den Publikationen widerspiegelte.
So wurde durch Recherchen von Olga Murzina und Erwin Matl seit 2018 das literarische Erbe des größtenteils im Exil wirkenden österreichischen Dichters, Satirikers, Nachdichters und Übersetzers Boris Brainin wieder neu belebt. Der viele Jahre im russischen Gulag, später in Gefangenschaft und danach mit Rechtsminderung in Russland lebende Brainin wurde 1992 von Bürgermeister Dr. Zilk nach Wien zurückgeholt. In Österreich verfasste er die deutschsprachige Fassung seiner Memoiren „Erinnerungen eines Arbeitspferdes“, die 2019 erstveröffentlicht wurden, ausschnittsweise auch in der Autorenrunde-Anthologie „Menschlichkeit überwindet Grenzen“, beide im niederösterreichischen Pilum Literatur Verlag.
Unter seinem liebsten Pseudonym „Sepp Österreicher“ übersetzte Boris Brainin, fast neunzigjährig und schwer krank, im Jahre 1994 den biographischen Roman des weltberühmten jüdischen Dichters Scholem Alejchem„Motl, der Sohn des Kantors Pejßja; die Schriften eines Waisenknaben“ aus dem Jiddischen. Er dachte, dass dieses Werk noch nicht ins Deutsche übersetzt worden wäre.
Obwohl es schon eine solche Übersetzung gab (Grete Fischer im deutschen Insel-Verlag, 1965), entschieden sich Leopold Hnidek vom Pilum Verlag und Erwin Matl für eine „Neuerscheinung“ des bedeutenden Werkes der Weltliteratur. Bemerkenswert ist schon allein die Tatsache, dass sowohl der Roman selbst, als auch seine Übersetzung durch die unbändige Willenskraft zweier alter und kranker Männer entstanden sind, derer beider Leben durch Pogrome bestimmt wurden, nachdem sie beide im Russischen Kaiserreich, der heutigen Ukraine, auf die Welt kamen.
Wie diese Übersetzung das letzte große „Werk“ Brainins gewesen ist, so sind die letzten Kapitel der unvollendeten „Motl“-Erzählung unmittelbar vor dem Tod des Autors Scholem Alejchem im Mai 1916 entstanden. Fast zwanzig Jahre hatte der Autor den Wunsch, einen Roman über seine eigene Kindheit zu schreiben. Die letzten Teile davon schrieb Scholem Alejchem von seinem Krankenbett aus noch vier Tage vor seinem Tod.
Es ist Valeri Brainin, dem in Deutschland lebenden Sohn von Boris Brainin zu verdanken, dass er diese wertvolle Übersetzung seines Vaters bewahrt und Erwin Matl und Leopold Hnidek zur Verfügung gestellt hat.
Wie Tewje, der Milchmann, vielen bekannt als Titelheld im Musical Anatevka, ist auch der kleine Sohn des Kantors, Motl, ein liebenswürdiger, scherzender und weinender Held aus der Feder von Scholem Alejchem, mit dem man unbedingt Bekanntschaft schließen sollte.
Am 29. März 2023 um 19:30 Uhr wird in Anwesenheit der Familie von Boris Brainin dessen Übersetzung „Motl, der Waisenknabe“ im Wiener Theaterkeller (Hegergasse 9, 1030 Wien) vorgestellt. Neben dem Historiker Dr. Robert Streibel kommen auch Valeri Brainin, Erwin Matl und Leopold Hnidek zu Wort. Ausschnitte aus dem Roman werden vorgetragen von Gertrud Hauck und Helene Levar, beide Mitglieder der Hainburger Autorenrunde, die musikalische Umrahmung am Klavier erfolgt durch Miron Vatlin, dem Urenkel von Boris Brainin.
Erhältlich ist das Buch im Buchhandel sowie direkt beim Pilum Literatur Verlag. Zu entlehnen ist das Buch in der Haydn Bibliothek Hainburg.
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