FACC-Chef Machtlinger
"Zölle sind nichts Gutes, sondern ein Rückschritt"

- FACC-CEO Robert Machtlinger im Gespräch mit MeinBezirk OÖ.
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Der Flugzeugzulieferer FACC erwirtschaftete im Vorjahr mit 884,5 Millionen Euro einen Rekordumsatz. 2025 will der Konzern mit Sitz im Innviertel um weitere fünf bis 15 Prozent wachsen. Im Interview mit MeinBezirk OÖ spricht FACC-CEO Robert Machtlinger über den Luftfahrt-Boom, den Standort Österreich, die Zölle der Vereinigten Staaten und die 1.500 neuen Mitarbeiter, die FACC einstellen will.
Interview: Thomas Kramesberger
Die Nachfrage nach Flugzeugen ist derzeit sehr groß. Warum eigentlich?
Machtlinger: Es gibt noch leichten Nachholbedarf aus der Covid-Zeit, speziell in den Märkten USA und Europa. Aber das große Wachstum, das nachhaltige Wachstum, kommt aus der Asien-Pazifik-Region – dort reisen die Menschen immer mehr. Wenn man zurückschaut auf die 1970er und 1980er-Jahre war der Wachstumstreiber Nordamerika, dann Europa, und in den letzten 20 Jahren wurde es mehr und mehr Asien. Der Gesamtmarkt der Luftfahrt verteilt sich 20 Prozent auf Nordamerika, 20 Prozent auf Europa und 60 Prozent auf die restliche Welt. Das „Center of Gravity“ geht also Richtung Osten.
Wie viele Flugzeuge sind bestellt, aber noch nicht ausgeliefert?
Derzeit gibt es einen „Backlog“ von etwa 17.000 Flugzeugen, der Fertigungsmenge von circa zehn Jahren. 2019 waren es etwas mehr als 13.000. Man sieht, dass die Airlines in den letzten fünf Jahren noch mehr bestellt haben. Wir nennen das Book-to-Bill. Es werden mehr Aufträge gebucht, als Flugzeuge verkauft und verrechnet werden.
Von den beiden großen Herstellern Airbus und Boeing hat Letzterer massive Probleme. Abstürze, Anhörungen im US-Kongress, Kritik aus der Politik. Wie wirkt sich die Boeing-Situation auf FACC aus?
Diese Thematik beschäftigt die gesamte Industrie seit 2018, als es zu den beiden tragischen Abstürzen kam. Aber das hat man technisch gelöst, der Flieger ist sicher und die Fertigung wird in höchster Qualität nach oben gefahren. Bei FACC haben wir 2017 noch mehr als 25 Prozent des Umsatzes mit Boeing gemacht, im Vorjahr lagen wir bei sieben Prozent. Das sind aber nicht Verträge, die verloren gegangen sind, sondern es wird mit geringerer Rate produziert.
Inwieweit spielt bei Boeing das Zoll-Thema mit?
Die von uns entwickelten Produkte sind mit unseren Zeichnungen zugelassen, ebenso ist der Standort für die Fertigung zugelassen. Man kann nicht einfach ein Produkt vom bestehenden Standort abziehen und in den USA bauen. So etwas hat eine jahrelange Vorlaufzeit. Wenn es um komplexe Komponenten, wie Triebwerksverkleidungen geht, hängt unter Umständen die Zulassung des gesamten Flugzeugs daran. Man müsste mit einer Fertigungsverlagerung eine Delta-Zertifizierung des Flugzeugs anstreben und das kostet dreistellige Millionenbeträge.

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Also ist es kurzfristig undenkbar, dass Produkte, die FACC baut, durch Firmen in den USA ersetzt werden?
Ja, wir nennen das Switching-Kosten, also Transferkosten. Die sind in der Luftfahrt sehr hoch und darum ist das Geschäft, wenn man es einmal hat und wenn man performt, relativ stabil. Mit unseren aktuellen Produkten sind wir sehr gut abgesichert. Aber die Zoll-Thematik beschäftigt uns natürlich trotzdem. Wenn die Zölle bleiben und neue Produkte entwickelt werden, dann sind diese für einen amerikanischen Kunden teurer. Denn die Importzölle zahlt der Kunde. Da kommt das globale FACC-Fertigungsnetzwerk ins Spiel – wir schauen immer ganz genau, wo wir was bauen. Bei zukünftigen Produkten muss man abwägen, ob Österreich für den amerikanischen Kunden noch preislich kompetitiv genug ist. Wenn die Innovation den Preisnachteil nicht mehr aufwiegt, muss mann überlegen, in den USA zu bauen.
Sie sprechen von einem US-Standort?
Wir überlegen das jetzt nicht wegen der Zolldiskussion. FACC hat schon Standorte in den USA, auch in Kanada haben wir einen Standort. Zudem gibt es unseren Standort hier in Österreich, mittlerweile auch in Kroatien, ebenso in Indien und China. Wir haben das alles gemacht, um möglichst nahe beim Kunden zu sein – und um bei geopolitische Themen reagieren zu können.
Bis wann müsste man die Entscheidung treffen, um in ein eigenes US-Werk zu investieren?
Wir haben ein sehr modernes Portfolio und es wird die nächsten Jahre keine wesentlichen neuen Flugzeugentwicklungen im Westen geben. Die werden wahrscheinlich ab 2028 starten und dann wird die Fertigung neuer Komponenten etwa 2033 beginnen. Bis dahin muss man wissen, wo die Werke stehen. Ein Werk hat eine Vorlaufzeit von 24 bis 36 Monaten. Also wir haben genügend Zeit zum Planen.
Also vor 2030 muss es eine Entscheidung geben?
Wir schauen uns das an. Wir haben ja ein Werk in Witchita, das können wir verdoppeln oder verdreifachen.
Sind die Zölle nicht trotzdem für die USA ein Schuss ins eigene Knie?
Also in unserer Branche mit Sicherheit, weil wir extrem arbeitsteilig und technologieabhängig sind. Man kann zwar sagen: 'Wir bauen ein eigenes Triebwerk, weil wir nicht mehr importieren wollen.' Aber eine Triebwerksentwicklung dauert zehn Jahre. Somit sind Zölle nichts Gutes, sondern ein Rückschritt.
Sie haben angekündigt, 1.500 neue Mitarbeiter einzustellen, 500 davon in Oberösterreich. Erweitern Sie in OÖ auch die Fertigung?
Die 1.500 bis 1.700 zusätzlichen Mitarbeiter benötigen wir aufgrund des Wachstums – 17.000 Flugzeuge sind bestellt, 42.000 braucht der Markt in den nächsten 20 Jahren. Wir sind in jedem Flugzeug vertreten, also wird FACC wachsen. Deshalb werden wir in den nächsten fünf Jahren zwischen 250 und 350 Millionen Euro investieren. In Oberösterreich bauen wir gerade unser Werk 4 aus – mit einem zweistelligen Millionenbetrag. Und in den nächsten fünf Jahren wird es Investitionen in weitere Kapazitäten geben müssen. Neben den Investitionen brauchen wir hier in OÖ etwa 500 zusätzliche Mitarbeiter. Die restlichen tausend Arbeitskräfte suchen wir in Kroatien, Indien, China und Amerika.

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FACC betreibt auch ein Werk in Kroatien. Nun wird ein Teil der Inneneinrichtungs-Produktion dorthin verlagert. Warum?
Die Kabine hat geringere Materialkosten, weil wir nicht mit Karbon arbeiten, sondern mit Glasfasern. Und in diesem Bereich sind die Personalkosten wesentlich höher. Die Flugzeugkabine, wenn man sich jetzt auf den Preis pro Systemgewicht bezieht, nur halb so teuer wie eine Strukturkomponente. Also Strukturkomponentenfertigung kann man in Österreich profitabel darstellen. Kabinenausstattung ist in Österreich aufgrund der Kostenstruktur schwierig.
Bei FACC explodiert der Umsatz, gleichzeitig hat sich die Firma ein Spar- und Effizienzprogramm verordnet. Wie geht das zusammen?
Der Umsatz ist schön, mit dem kann man gut planen und das hilft über Volumeneffekte. Aber das große Thema, das wir in Österreich haben, sind die Standortkosten. Nachdem wir 100% exportieren und in einem globalen Fertigungsnetzwerk verglichen werden, können wir dem Kunden nur globale Inflationskosten weitergeben. Wenn man jetzt die Personalsteigerungskosten in Österreich etwa mit Deutschland vergleicht – da hatten wir hierzulande doppelt so hohe Steigerungen in den letzten fünf Jahren.
Das bedeutet für uns 50 Millionen zusätzliche Personalkosten im Vergleich zum Jahr 2020, die der Kunde nicht bezahlt. Der bezahlt uns die normale Inflation, der global sieht, aber nicht die spezielle, österreichische Personalkostenthematik. Genau aus diesem Grund müssen wir diese Sondereffekte, die wir am Standort haben, kompensieren. Über Effizienzmaßnahmen, Sparmaßnahmen, Automatisierung, Digitalisierung, ein Bündel an Maßnahmen, die die Kosten in zwei Jahren um 80 Millionen reduzieren.

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Aber der Standort Österreich steht nicht zur Debatte?
Überhaupt nicht. Die Kapazitäten, die wir haben, können wir nicht einfach woanders hin verschieben. Das würde ein paar hundert Millionen Euro kosten. Also müssen wir wirtschaftlich sein und jeden Stein umdrehen. Jeder arbeitet mit, die gesamte Belegschaft arbeitet mit. Wir machen das sehr kontrolliert und transparent.
Stichwort: Standort. Was erwarten Sie von der Politik? Welche Stellschrauben muss man drehen, damit es für die Industrie wieder einfacher wird?
Wir brauchen eine Vision für den Standort, wie es mit Standortkosten weitergeht. Um in Österreich hunderte Millionen zu investieren, benötigt man Planungssicherheit. Es geht ganz wesentlich um Energie- und Personalkosten, da braucht es eine Entlastung der Arbeitergeberseite, und das Dritte ist die Bürokratie.
Ist es für FACC denkbar, in den Verteidigungsbereich einzusteigen, es wird ja ganz Europa massiv aufgerüstet.
Persönlich finde ich positiv, dass Europa militärisch eigenständiger werden will. Für FACC ist der zivile Markt das Kerngeschäft. Der Militärbereich ist ganz anders, das beginnt schon bei den Fertigungsmengen. Wenn man etwa die A320 anschaut, die bauen wir bald 75 Mal im Monat. Im Militärbereich reden wir von maximal 40 Flugzeugen pro Jahr, die man ausstattet. Zudem benötigt man eine militärische Zulassung und es müssten Fertigungsbereiche abgetrennt werden. Das würden wir sogar tun, wenn es ein Volumen gäbe, das größer als 100 Millionen pro Jahr wäre. Sonst würde sich das Ganze nicht rechnen. Also wir beobachten das, nur derzeit gibt der zivile Markt für uns einfach viel mehr her.
Und wie sieht es bei Drohnen aus – das Thema beschäftigt FACC ja schon länger.
Im Drohnengeschäft haben wir vier große Projekte in der Umsetzung – mit mehr als 100 Millionen US-Dollar an Entwicklungsaufträgen. Bei den ersten beiden Projekten sind wir auch bereits in der Serienfertigung.

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