Dorf 4.0: Volkskultur
Ein ruhiger Winkel in einem Irish Pub als Konferenzzimmer für ein ungewöhnliches Treffen. In der Kleinregion Gleisdorf wird an einem Blick auf die Volkskultur gearbeitet, der auf die Höhe der Zeit gerichtet ist.
Dazu kam aktuell eine sehr kontrastreiche Runde zusammen. Dabei lag neben „Lernen von Las Vegas“ (einem Klassiker der Architekturtheorie) auch Hermann Bausingers „Volkskultur in der technischen Welt“ auf dem Tisch.
Doch es ging dann über einige Distanz um ein anderes Thema, mit dem sich Ursula Glaeser vom „KulturBüro Stainz“ (KBS) gerade intensiv befaßt.
Wegkreuze, Wandkreuze, Hauskreuze. Oder aber: Kapellen, Bildstöcke, Wetterkreuze, Gipfelkreuze. Das sind bloß einige Beispiele von speziellen Zeichen im öffentlichen Raum. Natürlich Glaubenszeichen, aber bei genauerem Hinsehen noch viel mehr.
Und was weiß Valentin Eggbauer vom Fischbacher „Museum für bäuerliches Handwerk“ darüber? Eine Menge. Aber was interessiert das Micky Tieber, den Frontman der „Alltagsklassiker“? Er ist mit unseren Straßen und den verschiedenen Wegmarken gut vertraut. Schließlich Heimo Müller vom „Blogmobil“? Der IT-Fachmann kommt ursprünglich von der Volkskunde.
Also: Wegmarken. Die erwähnten Glaubenssymbole. Mit diesen Artefakten im öffentlichen Raum wird Sozialgeschichte und Kulturgeschichte erzählt. Was sind wichtige Orte? Wo hatte jemand besonderes Unglück? Etwa der Jäger, den ein Schuß aus der eigenen Flinte tötete. Oder der Bauer, dem sein Traktor, auf den er vom Ochsengespann umgestiegen war, zum Verhängnis wurde.
Schlechtes Wetter, gute Ernte, fremde Plagen und vertrauter Kummer. Ich habe hier zu anderer Gelegenheit notiert: „Brauchtum kommt nicht vom Event-Management, sondern aus dem Leben der Leute.“ [Quelle] Was säumt unsere Wege und Straßen? Was wird im öffentlichen Raum sichtbar? Welche Geschichten erzählen sich auf diese Art?
Wenn sich derzeit immer mehr Menschen fragen, was denn unsere Identität sei, unsere Kultur, die sich in unserer Heimat ausdrücke, dann ist doch ganz erstaunlich, wie einem dämmern kann: Wir haben verlernt, die vorhandenen Zeichen, zu lesen. Wir erfahren diese Geschichten nicht, weil wir die Symbole nicht mehr verstehen.
Das drückt sich auch im Verschwinden all der Gegenstände aus, hinter denen Eggbauer her ist und die er teilweise für sein Museum zu erhalten versucht. Das erzählt sich aber auch in jenem „rollenden Kulturgut“, für das sich Tieber und seine Leute engagieren.
Die „Youngtimer“, klassische Automobile an der Schwelle zum „Oldtimer“, repräsentieren Technologie- und Sozialgeschichte einer versinkenden Ära der ersten Massenmotorisierung Europas.
Sie stehen (besser: fahren) für eine Zeit, in der die Menschen der 1950er Geburtsjahrgänge als erste Generation unserer Geschichte überhaupt in einer Kombination aus Sicherheit, Freiheit und Wohlstand aufwachsen durften, die es davor nie gegeben hat, die heute schon verspielt ist.
Ahnen Sie nun, wie schillernd dieses aktuelle LEADER-Projekt „Volkskultur 4.0: Eine Positionsbestimmung“ sich anläßt, da erfahrene Leute aus ganz verschiedenen Genres zusammengreifen, um das 20. Jahrhundert zu durchleuchten und unseren (volks-) kulturellen Stand der Dinge zu erkunden?
Übrigens: Diese Konferenz ist nur einer von mehreren Schritten, um in einer längerfristigen Zusammenschau nachvollziehbar zu machen, welche Verknüpfungen sich zwischen Volkskultur, Popkultur und Gegenwartkunst im vorigen Jahrhundert ergeben haben.
+) Siehe dazu: „Warum Volkskultur?“ [link]
+) Weiterführend: Projekt „Mensch und Maschine“ [link]
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