Nahversorgung ist unersetzlich
Naheliegend (VII): Carla, Gleisdorf

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Erst die Vorgeschichte. Ich war in den 1960ern ein kleines Kind mit sehr knappem Taschengeld, im Sozialbau zu Hause. Dort lebte eine kontrastreiche Mischung von Leuten, worunter nur wenige auffallend bessergestellt waren.

Das zeigte sich im Alltag aber kaum, außer, daß zum Beispiel ein Ford Capri unter dem teuren Flugdach geparkt war, während die ganzen Käfer, Kadetten, Austins und anderer Kleinkram dem Wetter ausgesetzt blieben.

Also: knappes Taschengeld. Da konnte ich meine Kaufkraft steigern, wenn ich mich beim „Altwaren-Tandler“ umsah, in der „Warenhalle“ oder in einem Laden, dessen Schild „Antikes“ verriet, was freilich keinen Warenbestand aus der Antike meinte.

Auch der Hinweis „Romanhefte“ oder „Tauschzentrale“ verhieß günstige Angebote. Die Menschen hinter der Budel solcher Geschäfte gehörten ungefähr dem gleichen Milieu an wie ich. Das ergab vertraute Umgangsformen. Meist etwas verschrobene Typen zwischen verstaubten Beständen.

Ich erinnere mich daran gerne, weil genau diese Läden eine Erweiterung meiner Welt bedeuteten. Das schloß ein wuchtiges Docuverse ein. Die billige Ecke der Gutenberggalaxis. Groschenromane. Schundhefte. Das war meine Akademie, sobald ich lesen konnte.

Szenenwechsel

Den Slogan finde ich genial: „erste wahl aus zweiter hand“. Der Laden ist geräumig, hell und aufgeräumt, keine verstaubte Wunderkammer. Das bedeutet, Second Hand hat inzwischen einen ganz anderen Zusammenhang erhalten.

Geld zu sparen ist immer noch eines meiner Motive, um dort Dinge zu kaufen. Nein, falsch, weil ungenau. Ich will mein Geld ja ausgeben. Aber dort kann ich meine Kaufkraft erhöhen, wie ich das schon als Kind tun mochte.

Praktisches Beispiel: für den Elektroherd will ich schwere Töpfe mit dicken, glatten Böden. Was ich im Carla für zwei Töpfe ausgebe, reicht im Fachhandel nicht einmal für einen. Dann aber kommt auch sowas Unsägliches in Frage, wie der Bierhumpen mit Deckel. Nein, den brauche ich nicht zum Biertrinken, der kommt wegen seines Aufdrucks in meine Sammlung von Automobilia.

Der abgebildete Spyker Phaeton repräsentiert eine historische Automarke aus den Niederlanden, die wohl nur noch Petrol Heads kennen. Um aber Bier aus einem ordentlich Krug zu trinken, hab ich im Laden ein großes, ganz unspektakuläres Glas gefunden, wie es Brauereien an Wirtshäuser liefern.

Es ist eine sehr klug forcierte Entwicklung, daß Gebrauchsgegenstände und Nutzloses, daß allerhand Ressourcen in einer Gemeinschaft so lange kursieren, bis sie verschlissen, nicht mehr verwendbar sind. Ich finde es erfreulich, daß diese Art Geschäft vom Geruch der Ärmlichkeit befreit wurde und dort ein Warenangebot besteht, das ich für gleich wichtig halte wie das jeder anderen Branche.

Ich mag überdies, einem persönlichen Spleen folgend, die Vorstellung, daß Dinge in meinem Besitz eine Vorgeschichte haben, mit dem Leben anderer Menschen in Berührung waren. So denke ich immer noch gelegentlich, wenn ich einen der zwei Töpfe auf meinen Herd stelle: Wem hat der gehört? Was war das für eine Existenz?

Da mir allerdings viel zu viel Dinge gehören, muß ich auch laufend wieder was aus dem Haus schaffen. Ich mag es sehr, daß Nützliches und Verwendbares wo abgegeben werden kann, denn ich hab keine Lust, via Ebay eine Groschengeschäft abzuwickeln und dafür Menschen zu treffen, die mir nichts bedeuten. Ich schenk das Zeug lieber her, als es zu verticken.

Das ergibt manchmal lustige Effekte in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Das hat stets eine Adresse im Carla. Und jedesmal werde ich gefragt: „Wollen Sie den Rucksack zurückhaben?“ Jedesmal antworte ich: „Wie soll ich sonst das nächste Mal was herbringen?“

+) Carla, Gleisdorf
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