Corona-Pandemie
Die Monolog-Liga
Wir waren zu dritt, sind näher gerückt, haben uns im Schatten eines Bäumchens auf die großen Stufen am Kirchriegel gesetzt. Dabei: Kühler Wein und kleine kantige Gläser. Ich hänge immer noch an der Vorstellung: Wir sind die Differenz. Was uns trennt, wissen wir sofort. Das ist leicht. Aber was teilen wir noch?
Es gab dann einige Gesprächsansätze. Was sich stereotyp durchzieht: Jedesmal wurde es kein Dialog, sondern mein Gegenüber legte sofort los, mir seine Ansichten darzulegen. Ich fragte an einer Stelle: „Was sind denn Deine Quellen?“ Der Hagere mit dem Vollbart und dem markanten Q auf seiner Kappe zückte das Mobile-Phone, während er begann mir seine Deutungen vorzutragen.
„Ich will es nicht mit dir diskutieren. Ich möchte nur Deine Quellen wissen.“ Er suchte und berichtete weiter. Selbst seine Gefährtin setze nun nach: „Deine Quellen. Er will Deine Quellen wissen.“ Der Mann sah zu mir auf und sagte: „ARD!“
Ich nehme an, er wollte freundlich sein, indem er mir eine halbwegs bekannte Schnittstelle anbot, Also ein „Mainstreammedium“, wie Q-Leute gerne sagen. (DasErste.de ist ein Gemeinschaftsangebot der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, ARD).
Leider, leider!
Ähnlich lief es auch mit anderen Leuten. Sie fragten nichts. Sie wußten schon und legten mit ihren Inhalten los. (Gut, kann man machen.) Hat sich je jemand heftiger nach Publikum verzehrt? Ich sah einmal mehr, dieses „Verkünden statt begründen“ drückt aus, wie wenig der Hagere und seine Leute erstens mit Dialog und zweitens mit Diskurs vertraut sind.
Sie wollen ihre Botschaften anbringen und damit wahrgenommen werden; daß sie „etwas wissen“. Eine Art von Monolog-Liga. Wie eine Marching Band, die marschiert und schmettert, egal, was im Weg herumsteht. (Okay! Zur Kenntnis genommen.)
Leider kein einziger origineller, womöglich anregender Satz darunter. Nichts, was ich nicht schon hundertfach gehört hätte. (Auch gut!) Aber da bin ich zickig und anspruchsvoll. Wenn es keinen Esprit hat, taugt es nur selten was. Da wird eben aus einem bescheidenen Informationspool geschöpft. Ich halte für möglich, daß hier jemand schon für Wissen hält, was vorerst bloß ein Bündel Infos ist, gewürzt mit ein paar Slogans.
Unter uns Chorknaben und Betschwestern: Es ist das Diskursniveau von Sechzehnjährigen, während hier die Hälfte des Aufmarsches mindestens den 50. Geburtstag längst hinter sich hat. Also Spätberufene mit Sendungsbewußtsein.
Wir zwei Alten
Ganz entzückend der Alte mit dem markanten Bart und dem breiten Slang. (Ich kanne ihn schon vom Sehen.) Naja, ich dachte bloß, er sei ein alter Zausel. Ungeimpft, wie man hören durfte. Wetterte sofort, was die Impfung für ein Gift sei, all die Nebenwirkungen, und Putin, und der Jude Zelenskyy, die amerikanischen Juden, so ging es dahin. (Ein bißl Antisemitismus ist in Österreich so normal wie das Amen im Gebet. Ich wette, der Mann hält sich nicht einmal für einen Antisemiten.)
Nun aber ich: „Ich hab alle Impfungen, Du keine. Stellen wir uns jetzt einmal nebeneinander“, schlug ich vor. „Wer von uns macht den flotterem Eindruck?“ Es war einen Hauch unfair, jedoch lustig, dachte ich kurz, denn er sieht etwas derangiert und zerknittert aus. Die Jahre haben ihm merklich zugesetzt.
Aber dann erfuhr ich, daß er jünger ist als ich. „Okay! Das ist interessant. Ich hätte Dich für den Älteren von uns beiden gehalten. Na, reden wir in zehn Jahren, falls wir zwei noch da sind, wie es uns ergangen ist; mir mit meinen Impfungen und Dir ohne.“
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