Gleisdorf
Auf den Spuren des Barock-Komponisten Johann Georg Zechner

Der umtriebige Gleisdorfer Peter Unger, besucht Klöster und Stifte im Donauraum, wo sich Abschriften der Zechner-Werke befinden und erstellt aus den in Einzelstimmen verfügbaren Werken die Gesamtpartitur. | Foto: Hermine Arnold
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  • Der umtriebige Gleisdorfer Peter Unger, besucht Klöster und Stifte im Donauraum, wo sich Abschriften der Zechner-Werke befinden und erstellt aus den in Einzelstimmen verfügbaren Werken die Gesamtpartitur.
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In einem spannenden neuen Portrait wollen wir einen berühmten Barock-Komponisten und Orgelexperten würdigen: den 1716 in Gleisdorf geborenen Johann Georg Zechner. Ausgangspunkt für die Recherche- und Interviewarbeit zu dem Beitrag ist die als gemeinnütziger Verein betriebene "Johann Georg Zechner Gesellschaft", die sich mit der Erforschung des Lebens und musikalischen Wirkens des zu seiner Zeit bedeutenden Komponisten beschäftigt.

Peter Unger mit dem hochkarätigen Gastdirigenten des Zechner-Ensembles, Josef M. Doeller.  | Foto: Hermine Arnold
  • Peter Unger mit dem hochkarätigen Gastdirigenten des Zechner-Ensembles, Josef M. Doeller.
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GLEISDORF. Johann Georg Zechner war lange Zeit ein Vergessener, obwohl seine Werke weite Verbreitung fanden und vor allem seine Kirchenmusikwerke das Repertoire seiner Zeit des Barock (und der beginnenden Klassik) wesentlich mitbestimmten. Sein kompositorisches Schaffen umfasst nach heutigem Wissensstand rund 300 Werke, davon über 70 Messen. Durch die großartigen Initiativen der „Johann Georg Zechner Gesellschaft“ soll der große Sohn Gleisdorfs wieder aus der Vergessenheit geholt und seine Werke zu neuem Leben erweckt werden.

Die "Johann Georg Zechner Gesellschaft" führt das in Bibliotheken und Archiven vorhandene Notenmaterial mit wissenschaftlichen Kooperationspartnern zusammen, erstellt Partituren aus den nur als Einzelstimmen vorhandenen Werken und bringt jährlich Werke des Komponisten Zechner zu einer Wiederaufführung in der barocken Gleisdorfer Marienkirche.

Die Marienkirche diente auch als Treffpunkt für unser Gespräch mit unseren Interviewpartnern Peter Unger und Josef M. Doeller. Dort befindet sich auch die „neue“, 1994 geweihte Orgel, die Johann Georg Zechner gewidmet ist, auf der schon bedeutende Zechner-Werke zur Neuaufführung kamen.

Die Wieder-Entdeckung Zechners

Die eigentliche Gründung des gemeinnützigen Vereins der „Johann Georg Zechner Gesellschaft“ erfolgte im Jahre 2019. Aber schon seit 1976 hat der Johann-Joseph-Fux-Chor unter der Leitung von Josef Hofer zahlreiche Zechner-Werke in der Marienkirche aufgeführt. Zur Orgelweihe 1994 wurde unter anderem auch die große Orgelsolomesse in C-Dur von Zechner aufgeführt. So richtig intensiviert haben sich die Aktivitäten zugunsten des Zechner-Projektes aber 2013, also 3 Jahre vor dem 300. Geburtstag von Zechner.

Vorstandsmitglied der Zechner-Gesellschaft, Peter Unger, der bereits 35 Zechner-Werke „spartiert“ hat - also die zu einem Werk vorhandene Einzelstimmen zusammengeführt und in moderne Notenschrift gebracht - erzählt von den Anfängen:

Foto: Hermine Arnold

Ich selbst war Mitglied des Johann Joseph Fux-Chores in Gleisdorf unter der Leitung von Josef Hofer. Der J.J.-Fux Chor ist aus dem Gesangsverein Gleisdorf hervorgegangen. Hofer hat herausgefunden, dass der wesentlich jüngere Zeitgenosse des aus Hirtenfeld bei St. Marein bei Graz stammenden kaiserlichen Hofkapellmeisters J.J. Fux, Johann Georg Zechner, in Gleisdorf geboren wurde. Deswegen wurden auch Zechner Werke in das Programm des J.J.-Fux Chor einbezogen. Josef Hofer ist maßgeblich daran beteiligt, dass Johann Georg Zechner wieder in Gleisdorf aufgeführt wird und er hat auch den Orgelneubau in dem wunderschönen barocken Originalgehäuse angeregt.

Seit 1977 hat Peter Unger – als Notenwart des damaligen Chores - das entsprechende Notenmaterial der Werke von Fux und Zechner handschriftlich für den Chor adaptiert. Daraus ist eine langandauernde Leidenschaft geworden. Mittlerweile hat Unger auch ein Zechner Werkeverzeichnis erstellt, das auf die Aufzeichnungen des Stiftes Göttweig aufbaut und die weiterführenden Erkenntnisse von Friedrich W. Riedel (1964) und Werner Deutsch (1994) mit einbezieht. 

Zechner Vokalensemble

Seit Josef Hofer den J.J.-Fux Chor an Franz Jochum übergeben hat (Vorläufer des jetzigen chorforum.gleisdorf), werden die Zechner-Werke mit einem rund 20-köpfigen „Zechner“-Vokalensemble aufgeführt. Das Ensemble besteht aus einem fixen Kern, der je nach Anforderung des Werkes mit Musikern zu dem jeweiligen Projektchor zusammengestellt wird. Niemand geringerer als Josef M. Doeller leitet das Zechner Vokalensemble als Gastdirigent. Doeller war unter anderem Kapellmeister bei den Wiener Sängerknaben, leitete die Grazer Dommusik und ist Dozent für Chor- und Orchesterdirigat sowie Kirchenmusik am Institut für Kirchenmusik und Orgel an der Universität für darstellende Kunst Graz. Seit 2023 ist er freiberuflich tätig.

Herr Doeller, wie ist Ihr Zugang zu Zechners Musik?

Foto: Hermine Arnold

Ich beschäftige mich zuerst mit dem Text und analysiere, wie der Text musikalisch umgesetzt wurde. Es gilt auf die Rhetorik zu achten, wo ist es lyrisch, wo wird es heftig? Beim Magnificat des demnächst zur Aufführung gelangenden Zechner Werkes finden sich ganz interessante rhetorische Stellen, wie z.B. „er stürzt die Mächtigen vom Thron“. In der dazugehörigen Musik sind genau dort die Silben betont, die man sonst nicht betont. Dadurch wird die Macht der „1“ und der „3“ im Takt vom Thron gestürzt, sie wird der „2“ und der „4“ übergeben. Damit wird analog zum Text auch die musikalische Ordnung umgestoßen. Mein Auftrag als Chorleiter ist es, solche rhetorischen Dinge herauszuarbeiten.

Zechners Aussage: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ – symbolisiert gleichermaßen eine Sozialrevolution. Langsam aufsteigende Linien werden mit einem Crescendo hervorgehoben. Damit wird die Musik bildlicher.

Ich schätze den Zechner sehr! Die Tonsprache ist sehr schön. Sie ist ähnlich wie bei J.J.-Fux., bei dem Zechner studiert hat. Und im Übrigen schreibt Zechner auch ganz tolle Fugen. Seine Fugen sind von Bach‘schen Format.

Von der Archiv-Recherche bis zur Partitur

Von Zechner gibt es leider keine Autographe, also eigenhändig geschriebene Zechner-Originalnoten. Man findet aber Abschriften in rund 50 Klöstern, im Umkreis der großen Donauklöster von Klosterneuburg bis Ottobeuren, wie auch im Raum zwischen Wien, Prag, Augsburg und München.

Peter Unger fährt jeden Sommer in ein bis zwei Archive von Klöstern oder Stiften, um sich nach weiteren Zechner-Werken umzusehen, die Potenzial für eine Neuaufführung in Gleisdorf haben. Unger hat dabei schon in Melk, Lambach, Kremsmünster und St. Lambrecht verweilt, um mit den sehr hilfsbereiten Archivaren zu sprechen und die entsprechenden Unterlagen zu kopieren oder zu fotografieren. Unger führt die handschriftlichen Abschriften der Einzelstimmen zur Partitur zusammen.

Abschrift zur Einzelstimme "Canto", die Peter Unger mit allen anderen vorhandenen Einzelstimmen "spartiert", also zu einer Partitur zusammengeführt hat. | Foto: Peter Unger
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Franz Zebinger, renommierter Kumberger Komponist, Organist, Musikpädagoge und Vorstandsmitglied des Zechner-Vereins, übernimmt hier abschließend eine wesentliche Rolle. Er setzt zum Gesamtwerk den Generalbass aus und überprüft damit auch final die Richtigkeit der Einzelstimmen für das Gesamtwerk, denn bei den vielen handschriftlichen Abschriften in den Klöstern haben sich durchaus Fehler eingeschlichen.

Prof. Franz Zebinger, Vorstandsmitglied der Zechner-Gesellschaft und wichtiger Basso Continuo-Spezialist im Einsatz bei der Erstellung der Zechner-Gesamtpartituren  | Foto: BUKV
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Die Expertise von Franz Zebinger bringt Fehler in den Einzelstimmen durch das Herausfiltern von Unstimmigkeiten zu den im Generalbass zum musikalischen Ablauf vorgegebenen Harmonien zum Vorschein. Zebinger korrigiert die entsprechenden Stellen in der Partitur, sodass einer Neuaufführung nichts mehr im Wege steht.

Über das Leben Johann Georg Zechners

Zechner wurde schon sehr jung wahrscheinlich in Wien zum Organisten und Komponisten ausgebildet und fand seine zweite und musikalische Heimat im niederösterreichischen Benediktinerstift Göttweig und in der Wachauer Doppelstadt Krems-Stein. Im Alter von 20 Jahren war er bereits Organist im Stift Göttweig, danach wechselte er als Organist nach Krems, wo er in der Stadtpfarrkirche auch als Regens Chori wirkte. In dieser Zeit absolvierte er auch das Theologiestudium und wurde zum Priester geweiht. 1753 erhielt er in Stein ein Benefiziat, wo er sich als einer der frühesten freischaffenden Komponisten in der Musikgeschichte ganz dem musikalischen Schaffen widmen konnte.

Große Beliebtheit

Zechner hegte gute Beziehungen zum wesentlich älteren Johann-Josef-Fux, der nicht weit von Gleisdorf geboren war und Berühmtheit als Kaiserlicher Hofkapellmeister in Wien erlangte. Bemerkenswert ist – so der Musikhistoriker Prof. Dr. Otto Biba: „Die Verbreitung Zechners Werke hat die auch sehr gute Verbreitung jener von Fux sogar noch übertroffen.“ Und das, obwohl Fux in höchstmöglicher Funktion am Kaiserhof etabliert war, Zechner aber in der niederösterreichischen Provinz wirkte.

Immer wieder findet man Werke Zechners, wenn man in Musikaliensammlungen Altösterreichs oder der habsburgischen Länder aus dem 18. Jahrhundert stöbert. Leider gibt es aber keine Originalnoten aus Zechners Hand, sehr wohl aber findet man viele Abschriften in allen namhaften Donauklöstern. Peter Unger berichtet von 6 bis 8 Abschriften einzelner Werke, auf die er bei seinen Recherchen gestoßen ist.

Die Johann Georg Zechner Gesellschaft:

Der Verein wurde im Juli 2019 von einem Proponentenkomitee, bestehend aus Josef Hofer, Claus Pressl, Peter Unger, Markus Strobl und Werner Deutsch gegründet.

In den Vereinsstatuten findet man seinen Auftrag: "Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn ausgerichtet ist, bezweckt die Erforschung und Aufarbeitung des Lebens und Werkes von Johann Georg Zechner (1716-1778), eines in Gleisdorf geborenen Barockkomponisten, sowie die Ausforschung, wissenschaftliche Aufarbeitung und Verbreitung des vorhandenen Notenmaterials in verschiedenen Bibliotheken, Kloster- und Stiftsarchiven etc.
Diese Tätigkeiten sollen auch auf zeitlich und räumlich benachbarte Künstler und Komponisten ausgedehnt werden."

Konzert „Vesperae solennes“

Deckblatt zur Abschrift des Werkes "Dixit Dominus et Magnificat Solennissimus", das Peter Unger im Stift Lambach ausgehoben hat. | Foto: Peter Unger
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Die JGZ-Gesellschaft lädt alle Interessierten zum Konzert „Vesperae solennes“ für Soli, Chor und Barockorchester unter der Leitung von Josef M. Doeller.

Wo? Marienkirche Gleisdorf
Wann? 26. Oktober 2024, 19 Uhr

Das Johann Georg Zechner Vokalensemble Gleisdorf bringt unter der Leitung von Josef M. Doeller die Vertonung des Vesperpsalms 110 (Dixit Dominus) von Johann Georg Zechner zur Erstaufführung in Gleisdorf.

Im ursprünglichen Notenmaterial (einer Abschrift aus dem Archiv des Benediktinerstiftes Lambach, Archivnummer 1047) ist dieser Psalm mit dem Magnificat aus dem Lukasevangelium ergänzt.

Dieses Material wurde von der Johann Georg Zechner Gesellschaft ausgehoben und aufführungsgerecht in moderne Notenschrift transkribiert.

Das Vokalensemble wird unterstützt von namhaften Solisten und Instrumentalisten.

Kontakt Peter Unger:

peter@unger-art.com

Tel: +43 664 1009288
www.johanngeorgzechner.at
Zechner Werkeverzeichnis

Hermine Arnold
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