Pack das Übel an der Wurzel
Wie schon einmal berichtet, würde ich in der Regel keinen Baum umschneiden. Doch seit einigen Jahren treibt unser Marillenbaum sein "Unwesen" in unserem Garten. Unwesen ist eigentlich der falsche Ausdruck. Er kämpft im wahrsten Sinne des Wortes um sein Überleben. Der Baum, den wir vor über 20 Jahren gesetzt haben, hat sehr selten getragen. Ab und zu hat er aber köstliche Früchte hervorgebracht, die man allerdings in der Regel an zwei Händen abzählen konnte.
Vor ein paar Jahren hat sich dann sein Stamm gespalten. Irgendwie dürfte er erkannt haben, dass das sein Ende bedeutet und er begann überall im Garten auszutreiben. In einem Umkreis von etwa 10 Meter um den Stamm begannen unzählige kleine Bäumchen aus dem Boden hervorzusprießen. Meine Frau mähte sie immer mit dem Rasenmäher ab. Das half zwar für ein paar Tage, doch wachsen diese Pflänzchen offensichtlich wesentlich schneller als Gras und sie stand von vornherein auf verlorenem Posten. Es war allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht bewußt. Letztes Jahr ging ich wie ich glaubte "professionell"an die Sache heran. Ich packte die vermeintliche Wurzel mit der Hand an und riss mit aller Kraft daran. Die dadurch hervorgerufene "Tiefenwirkung" reichte zwar um etwa 2 cm weiter als der Rasenmäher, doch das Ergebnis war stets dasselbe. Nach einer Woche ähnelte unser Garten wiederum einer Marillenbaumschule.
Es mussten härtere Maßnahmen ergriffen werden. So packte ich die Kombizange aus. Mit ziemlicher Anstrengung und intensivem Zeiteinsatz verließen etwa 3 cm tiefe Wurzelstücke den Boden. Und das fantastische Ergebnis: 2 Wochen kein Marillenbaum. Gefühlte 10 Mal spielte ich diese Prozedur durch. Stets mit dem gleichen Ergebnis. Irgendwie kam mir sogar vor, dass die Bäumchen mehr werden. Gleichzeitig hatte ich richtige Blasen an den Händen. Ich versuchte es mit Handschuhen. Dabei war aber das Gefühl für das Auffinden des Wurzelstückchens weg und die mühevolle Kleinarbeit dauerte noch länger.
Da mir das Gefühl blieb, irgendwie einen Beitrag zur Pflege unseres Heimes leisten zu sollen, setzte ich meine eigentlich sinnlose Tätigkeit wochenlang fort.
Vor einem Monat saß ich wieder frisch motiviert im Gras und begann dahin zu werken. Bei solch monotonen Tätigkeiten hat man natürlich auch viel Zeit zum Nachdenken. Neben anderen Überlegungen und Gedanken schoß mir da sinngemäß folgender Gedankengang ein: "Das ist völlig wirkungslos, was du da machst. Du mußt die Sache wirklich ernsthaft angehen. Sonst wird das nichts. Pack das Übel an der Wurzel!" Schon mehrmals war mir aufgefallen, dass Wurzelstücke, die schwer zum Abreissen waren, ganz fest an irgendetwas verankert waren, bei meinem Ziehen den ganzen umgebenden Rasen mitbewegten. Also dürfte etwas darunter liegen, was wesentlich tiefer reicht. Lange wollte ich mir nicht eingestehen, dass die Lösung eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit der Sache bedurfte. "Aber das würde ja bedeuten, dass der Rasen auch teiwleise zerstört würde." Das wollte ich auf keinen Fall.
Aber diesmal mußte ich Ernst machen und auf mein Gefühl hören. So ergriff ich einen Krampen und schlug so tief ich konnte und so nah ich traf am kleinen Marillenbäumchen in die Erde. Als ich dann den Krampen drehte, spürte ich einen festen Widerstand. 30 cm Wiese bewegten sich mit. Eine dicke Wurzel war gefunden. Schweren Herzens riss ich weiter an meinem Werkzeug und eine etwa 2 Zentimeter dicke Wurzel kam zum Vorschein. Mit aller Kraft zog ich daran und:
Die Wurzel wollte nicht enden. 20 cm, 50 cm, 1 m letztlich ein bis zu 2 Meter langes Stück kam da aus dem Boden hervor. 10 cm unter der Oberfläche zog sich offensichtlich ein ausgedehntes Netz von Marillenwurzeln durch unseren Garten. Ungläubig und staunend setzte ich mein Werk der Zerstörung fort und fand Wurzel um Wurzel. Daran hingen dem Verlauf der Wurzeln folgend sämtliche Bäumchen wie an einer Perlenschnur aufgereiht. In dem Augenblick war mir klar, warum meine mehrjährigen Bemühungen letztlich wirklich völlig sinnlos waren.
An jedem Stückchen, das ich mit der Kombizange ausgerissen hatte, bildete sich ein neuer Trieb und an dieser Stelle bildet sich eine richtige Knolle. Und die war es letztlich, die so weh tat, wenn man barfuß durchs Gras ging.
3 Schubkarren von Wurzeln wurden so in den letzten Tagen übervoll. Die Bäumchen, die jetzt noch wachsen, zeigen mir an, welche Wurzeln noch im Boden verblieben sind. Aber es werden täglich weniger. Früher hatte ich mich darüber geärgert , dass schon wieder ein Bäumchen wächst. Jetzt freue ich mich. Denn ich weiß, was ich zu suchen und zu tun habe. Und schon wieder ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass das Problem wirklich gelöst wird.
Im wirklichen Leben bekämpft man allzuoft auch nur, das was an der Oberfläche sichtbar ist. Der Mut das Problem an der Wurzel zu packen fehlt nicht selten.
Ein bisserl besser habe dabei auch verstanden, was Jesus in Matthäus 5:29,30 gesagt hat.
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