Bis zu 220 Patienten pro Tag

- Dr. Thomas Stanitznig aus Velden
- Foto: Praxis Dr. Thomas Stanitznig
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Stichwort Ärztemangel – wir haben vier Hausärzte in der Region befragt, warum sie ihren Beruf schätzen, was die aktuellen Herausforderung sind und ob sie nochmal Hausarzt werden würden.
VILLACH/ VILLACH UMGEBUNG. Dr. Andreas Löberbauer ist seit wenigen Jahren Hausarzt in Arnoldstein: „Meine Tätigkeit ist sehr abwechslungsreich und man darf Menschen aller Altersgruppen behandeln. Gerade die Gespräche mit vielen meiner älteren Patienten (90plus) sind oft sehr lehrreich für mich, gerade, was das Setzen wirklicher Prioritäten im Leben betrifft.“ Neben körperlichen Erkrankungen kommen zu ihm auch viele Patienten mit „teilweise wirklich bedrohlichen, psychosoziale Probleme und zwar in allen Altersgruppen, bei allen Geschlechtern und in allen sozialen Schichten. Ich denke, dass wird sich so schnell auch nicht ändern.“ Die aktuell größten Herausforderung seien, die täglich große Zahl an Patienten (140 bis 220) zu bewältigen, und dennoch noch ausreichend Zeit für jene Patienten zu haben, die diese auch wirklich benötigen. Löberbauer: „Das gelingt leider nicht mehr immer.“ Würde er heute wieder Hausarzt werden? „Die Antwort hängt vom Arbeitstag ab, an dem sie mich fragen, zumeist beantworte ich sie jedoch mit ja. Die letzten zweieinhalb Jahre waren auch für die meisten niedergelassenen Ärzte wohl sehr fordernd, wie generell für alle Mitarbeiter des gesamten Pflege- und Gesundheitsbereichs niedergelassen, mobil oder stationär.“
Vom Krankenhaus zum Hausarzt
Dr. Hoss Jabarzadeh ist Bezirksärztevertreter und Hausarzt in Villach. „25 Jahre lang war ich im Krankenhaus Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin, dann wollte ich einen anderen Weg gehen und Probleme im Anfangsstadium sehen, nicht erst auf der Intensivstation. Ich wollte den Patienten näher sein, die Arbeit als Hausarzt ist ganz anders als die im Krankenhaus. Auch bin ich jetzt selbständig.“ Viele seiner Patienten kommen, aufgrund seiner Spezialisierung, zu ihm aufgrund einer Schmerztherapie oder mit chronischen Leiden (Herz, Lunge, Kreislauf). Jabarzadeh: „Durch Corona sind auch psychische Erkrankungen enorm gestiegen, die Leute wollen einfach einen Ansprechpartner haben zum Reden, eine Lösung finden wie man aus den Krisen rauskommt.“ Wie sein Kollege sagt auch er: „Die große Herausforderung sind die vielen Patienten pro Tag, bis zu 140, da bleiben oft nur drei bis fünf Minuten pro Patient, das ist sehr wenig. Viele Kassenstellen bleiben unbesetzt, weil Kollegen nicht diese Massenabfertigung durchführen wollen.“ Gerade deswegen will er aber Kassenarzt bleiben, denn: „Nicht jeder kann sich einen Privatarzt leisten.“ Hausarzt würde Dr. Jabarzadeh aber wieder werden: „Aber nicht so spät, ich war ja schon 50. Ich würde jungen Kollegen den Einstieg sofort raten, dann kann man Patienten von Anfang an betreuen, 30, 40 Jahre… Außerdem kann man heute auch Facharzt für praktischer Arzt werden. Und die Arbeitszeiten sind trotzdem familienfreundlicher als im Krankenhaus.“
"Manager meiner Patienten"
Ebenfalls Bezirksärztevertreter und Villacher Hausarzt ist Dr. Gerd Clement: „Ich habe schon während des Turnus im LKH Villach entschieden, mich als Hausarzt niederzulassen. Ein Hauptgrund war die Vielfältigkeit des Aufgabenbereiches, von durchaus herausfordernden medizinischen Tätigkeiten bis zum normalen Gespräch, wo sich Patienten ganz einfach das Herz ausschütten konnten. Ich sehe mich als Manager meiner Patienten, die teilweise seit über 40 Jahren mir die Treue halten. Auch haben sich viele Bekanntschaften entwickelt, nach so vielen Jahren weiß man, wie es dem Hund geht, dass das Enkerl maturiert hat und mehr.“ 26 Jahre lang war er Chefarzt der BPD Villach und hat versucht den Mittelweg zwischen Beamten und niedergelassenem Kassenarzt zu gehen. „Immer noch sind die Pandemie und die damit verbundenen Probleme das Haupthema. Aber ich würde sofort wieder Hausarzt werden, es ist für mich der schönste Beruf - der Kontakt mit vielen Personen und viel Dankbarkeit, wenn alles geklappt.“
Auch gutes Gespräch hilft
Mehr als Arzt, denn als Mediziner sieht sich Dr. Thomas Stanitznig aus Velden: „Deshalb arbeite ich sehr gerne direkt mit den Menschen, oft mit den gesamten Familien. Auch die regelmäßigen Hausbesuche sind da für mich ein wesentlicher Teil einer umfassenden, allgemeinmedizinischen Versorgung.“ Zu zwei Drittel kommen die Leute mit akuten oder chronischen medizinischen Problemen zu ihm. „Zu einem Drittel kann ein gutes Gespräch helfen. Je einsamer die Patienten desto wichtiger sind die Gespräche. Zu beobachten ist, dass nicht nur die älteren Menschen einsam sind, sondern auch immer mehr junge Leute davon betroffen sind.“ Auch in seiner Praxis gibt es viele Fragen in Zusammenhang mit COVID, ebenso vermehrt Herzkreislaufprobleme. Würde er wieder Hausarzt werden? „Ja! Ich würde mir für meine Kollegen und mich nur mehr Akzeptanz für die hausärztliche Tätigkeit und weniger Selbstverständlich was das Fordern medizinischer Leistungen betrifft wünschen.“




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