Neue Bühne Villach
Die Reise der Verlorenen

- Im neuen Stück wirken - für die neuebuehnevillach - ungewöhnlich viele Schauspieler mit.
- Foto: Patrick C. Klopf
- hochgeladen von Birgit Gehrke
Am 28. Jänner feiert das Stück von Daniel Kehlmann in der neuebuehne Villach seine Premiere. Regisseurin Mercedes Echerer über die traurige Aktualität des Themas.
VILLACH. Zwei, maximal vier Schauspieler sind es meistens, welche in der neuebuehne Villach den Stücken ihr Leben einhauchen. Bei „Die Reise der Verlorenen“ ist das anders. Insgesamt wirken 15 Schauspieler mit. Für Mercedes Echerer selbst ist es keine Premiere, schon 2019 bei „Tage des Zorns“ führte sie in Villach Regie.
WOCHE: Wie haben Sie die schwere Thematik des Stückes, welches auf dem Buch „The Voyage of the Damned“ basiert, inszeniert?
Mercedes Echerer: Es ist eine wahre Geschichte. Knapp 1.000 in Nazideutschland verfolgte Menschen haben Ausreisegenehmigungen erhalten – für die meisten wahrscheinlich eine der letzten Möglichkeiten dem Terror zu entkommen und zu überleben. Sie haben dafür bezahlt, auswandern zu dürfen, ihre Einreise in die neue Heimat Kuba aber wird Ihnen verboten. Aus „Passagieren“ werden plötzlich Flüchtlinge und kein Land ist bereit, sie aufzunehmen. Es wurde viel Verhandelt zwischen einzelnen Regierungen und jüdischen Hilfsverbänden. Neben den politischen Argumenten spielten wirtschaftliche wie mediale Tatsachen eine wesentliche Rolle: „Wir müssen das Richtige tun, wir sind nicht abhängig von der öffentlichen Meinung“, so einer der Verhandler. „Sie vielleicht nicht“, konterte ein Vertreter der kubanischen Politik, der wiedergewählt werden will und die internationale Diplomatie wollte weder die rechte noch linke Presse verärgern. Die Flüchtenden wurden somit zum politischen Spielgeld. Das erinnert mich an aktuelle Umstände….
Haben wir nichts aus der Geschichte gelernt?
Migrationsbewegungen gibt es seit Menschengedenken, die primären Fluchtgründe Krieg, Verfolgung und Katastrophen leider ebenso. Warum sind wir dann überrascht, wenn Flüchtlingsströme auch zu uns kommen könnten. In der Regel erkennen wir die Krisenherde früh genug, bereiten uns aber nicht ausreichend vor. Zum Beispiel wird die Aufteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU seit Jahren hitzig diskutiert, eine solidarische Lösung ist immer noch nicht in Sicht.
Spielt das Stück nur auf dem Schiff?
Die meiste Zeit, ja. Einzelne Szenen spielen in Hamburg, Havanna, New York und London.
Ist die Spieldauer des Stückes länger als normal?
Ja, es dauert zwei Stunden mit Pause. Ich habe versucht, auch ein bisschen vom Leben auf dem Schiff zu erzählen. Wie sind die Menschen einander begegnet – Verfolgte und die Mannschaft am Schiff. Man war einerseits zahlender Passagier, andererseits Flüchtling ohne Perspektive. In der Crew waren nicht alle Nazis, es gab auch kritische Köpfe. Allen voran Kapitän Schröder. Er hat alles in seiner Macht Stehende versucht, um die Menschen zu retten. Unter den Passagieren aber war die Angst vorherrschend. Trotzdem hat ein Leben an Board stattgefunden und es gibt sogar den einen oder anderen humorvollen Moment.
Verlässt man das Stück trotzdem nachdenklich?
Das hoffe ich! Das Interesse an Geschichte, von der wir als Menschen bekanntlich lernen können, intensivierte die Arbeit im Ensemble enorm. Wenn nur ein Funke davon ins Publikum überspringt, würde mich das sehr freuen. Was mir bei diesem Stück und generell im Leben so wichtig ist, ob man die Qualität einer Informationsquelle erkenn kann, oder nicht. Was wurde tatsächlich gesagt oder getan, und was wurde verschwiegen, was ist Propaganda und wo beginnt die Lüge? Kann ich mir meine eigene Meinung bilden ohne dabei in die Falle der Emotionalisierung zu tappen? Medienkompetenz erachte ich als wesentlichen Baustein der Mündigkeit eines Bürgers, einer Bürgerin. In unserem Stück zeigt sich das ganz deutlich: Zwischen Gerüchten, Halbwahrheiten, Fake-news und Lügen, muss man den Weg zur Wahrheit finden.
Wie ist das für die Schauspieler, wenn im Publikum Maskenpflicht herrscht? Irritierend?
Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt. Die Emotionen, das Weinen und Lachen, das sieht man auch in den Augen. Und noch viel wichtiger: Man spürt, ob ein Publikum mitgeht oder nicht. Ich kann dem Publikum nur danken, dass es trotz Maskenpflicht ins Theater kommt. Sonst könnten wir nicht spielen.
Haben Sie auch Zeit, Villach zu genießen?
An meinen wenigen freien Tagen: Ja, sehr! Ich war zum ersten Mal in meinem Leben Langlaufen, nach der Premiere fahre ich auf den Dobratsch. Da seid ihr in Kärnten wirklich sehr verwöhnt: Mit dem guten Wetter, den Seen und bei Nebel fährt man einfach auf den Berg, beneidenswert!


Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.