Justizanstalt Simmering: Mit Flex und Eisenfeile hinter Gittern
In der Justizanstalt Simmering werden in sieben Betrieben Lehrlinge ausgebildet. 80 Prozent der 383 Inhaftierten gehen einer täglichen Arbeit nach. Erst kürzlich sorgten die Arbeitsbedingungen in österreichischen Gefängnissen für Aufregung. Problematisch ist auch die Nachbesetzung der Justizwachbeamten.
SIMMERING. Auf den ersten Blick denkt man im Schloß Kaiserebersdorf nicht an ein Gefängnis. Ein Teil des Hofes ist zwar derzeit eine Baustelle, aber daneben wird der Rasen gepflegt, die Rosen geschnitten und ein kleiner Pavillon lädt zum Verweilen ein. Eine Aufforderung passt jedoch gar nicht zum Bild: "Die Gefangenen sollen weggehen, wenn wir hier das Foto machen". Wolfgang Huber weist einen Uniformierten an, den Gärtner und und seine zwei Kollegen wegzuschicken.
Huber darf das. Huber ist der Chef in der Justizanstalt Wien-Simmering (JA). Für das Foto stellen sich Justizminister und Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und Stadtrat Gernot Blümel (ÖVP) vor das grüne Idyll. Beide sind heute gekommen, um sich ein Bild vom Simmeringer Häf'n zu machen – und ihre Eindrücke der Öffentlichkeit zeigen. "In den Medien werden unsere Gefängnisse gerne verteufelt. Dabei läuft hier alles sehr gut. Mir ist das Verständnis für den Strafvollzug wichtig", wird Brandstetter später auf der Pressekonferenz sagen. Oberflächlich betrachtet scheint es im 11. Bezirk tatsächlich gut zu laufen. Zellen werden zwar keine gezeigt – auch keine betonierten Innenhöfe, in denen Gefangene im Kreis laufen oder konspirativ rauchen.
383 Inhaftierte im Elften
Stattdessen dürfen die Gäste einen Blick hinter die schweren Eisentore von zwei der sieben Betrieben werfen, in denen die Inhaftierten arbeiten. Oder "arbeiten dürfen", wie mehrfach betont wird. Derzeit sind 383 Insassen in Simmering untergebracht – laut Justizministerium würden davon 80 Prozent einer Beschäftigung nachgehen.
In der Schlosserei zum Beispiel. Ein kupferner Wetterhahn ist gerade an einer Werkbank in Herstellung. "Gute Arbeit", sagt Brandstetter zu einem Gefangenen. "Die sind echte Verkaufsschlager." Die Simmeringer Wetterhähne werden im "Jailshop", einem vom Justizministerium betriebenen Online-Shop, verkauft. Preis: 379,90 Euro. Strafgefangene erhalten allerdings einen Stundenlohn zwischen 1,80 und 4,5 Euro. Produziert wird 365 Tage im Jahr. Erst kürzlich sorgten die Arbeitsbedingungen in österreichischen Gefängnissen für Aufregung.
Produktionskosten und -zeiten wären auch ein wesentliches Argument für Firmen, Produkte in Strafvollzugsanstalten herstellen zu lassen, sagt die Leiterin vom Wirtschaftsbereich der Strafanstalt, Klaudia Osztovics. Geht das konform mit marktwirtschaftlichen Prinzipien? Was in Simmering hergestellt wird, werde immerhin nicht ins Ausland ausgelagert, so der Vizekanzler. In einer Halle mit niedriger Decke werden unter anderem Bleistifte verpackt – einfache Tätigkeiten wie Verpacken und Schlichten kann man gut an Unternehmen verkaufen. 50 Prozent des Verdienstes steht den Sträflingen sofort zur Verfügung, der Rest wird für die Zeit nach der Haft als Sparkonto geführt. Im Gefängnis darf in einem hauseigenen Einkaufsladen eingekauft werden – zu marktüblichen Preisen.
1.000 Lehrabschlüsse
Was sich die JA allerdings als Vorzeigeprojekt auf die Fahnen heftet, ist die Lehrlingsausbildung. Seit mehr als 30 Jahren seien über 1.000 Lehrabschlüsse in den sieben Lehrbetrieben zu verzeichnen, darunter Maler, Schlosser oder Bäcker. Die hauseigene Bäckerei könne ganz nebenbei das gesamte Gefängnis versorgen. "Beschäftigung ist ein Wert an sich. Es ist nicht unser Ziel, Menschen 23 Stunden am Tag einzusperren", sagt Brandstetter. Letzten Endes sei die Arbeit ein wesentlicher Schritt zur erfolgreichen Resozialisierung.
Österreichweit 60 offene Stellen
Womit man allerdings nicht nur in Simmering, sondern österreichweit zu kämpfen hat, ist die Nachbesetzung der Justizwachbeamten. "Aktuell sind in Simmering vier Planstellen nicht besetzt", sagt Leiter Huber. Österreichweit würde man derzeit 60 brauchen. "Ja, wir haben ein Problem mit der Rekrutierung", sagt Brandstetter. In Simmering wird das Problem deutlich: Die Justizwachbeamten seien oft einer Doppelbelastung ausgesetzt. Einerseits seien sie Aufseher, andererseits auch Ausbildner in spezifischen Berufen. Neben der dualen Ausbildung seien Menschen in diesem Beruf auch einer höheren psychischen Belastung ausgesetzt.
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