bz-Ausflugstipp auf den Zentralfriedhof
Rehe und Hasen am Grab von Udo Jürgens

- Die Rehe vom Zentralfriedhof sind meist gar nicht scheu, weil sie genau wissen, dass sie von den Friedhofsbesuchern nichts zu befürchten haben. Aus der Hand fressen sie aber nicht - das machen hier nur die Eichhörnchen.
- Foto: Nicole Kawan
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Für einen spannenden Ausflug braucht man das Stadtgebiet gar nicht verlassen: Wie man am Zentralfriedhof inmitten von drei Millionen Verstorbenen auf rund 2,500.000 Quadratmetern eine unvergessliche Rundwanderung erleben kann, hat die bz für Sie recherchiert.
SIMMERING. "A Bankl reißen" oder "die Patschen strecken" - für das Sterben gibt es im Wienerischen eine Menge origineller Ausdrücke. "De Wiama fiadan" gehört genauso dazu wie "mitn Anasiebzger fahrn", hat doch die Linie 71 ihre Endstation in Kaiserebersdorf, wo Österreichs größter Friedhof liegt. Am Zentralfriedhof gibt es nicht nur idyllische Grünflächen samt beeindruckender Tierwelt, sondern auch eine Menge eindrucksvoller Grabstätten interessanter Menschen.
Vier Tore hat der "Zentral" entlang der Simmeringer Hauptstraße, die Musik spielt aber beim Tor 2, dem Haupteingang an der Simmeringer Gauptstraße, das man am einfachsten eben mit dem 71er erreicht: Schließlich liegt nur rund fünf Minuten entfernt das Grab vom 1998 früh verstorbenen Popstar Hans Hölzel alias Falco: "Mit Mord und Todschlog hom wia nix am Hut" wusste er schon in seinem Hit "Wiener Blut", "Doch sind füa eine Hetz wia imma gut": Eine Hetz ist der Besuch des Ehrenhains in der Gruppe 40 zwar nicht unbedingt, aber spannend allemal - liegen doch dort neben Hölzel auch Prominente wie Ernst Waldbrunn, Ferry Dusika, Otto Tausig, Helmut Zenker und Walther Reyer.

- Falcos Grab ist zu jeder Jahreszeit mit frischen Blumen geschmückt: Ein Hinweis auf seine auch heute noch große Beliebtheit insbesondere bei weiblichen Fans? Wer an seiner Grabstätte darüber nachdenken will, kann sich auf das Bankerl setzen, das ob des massiven Besucher(innen)zustroms praktischerweise davor aufgestellt worden ist.
- Foto: Nicole Kawan
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170 ehrenhalber gewidmete Gräber
Man erreicht ihre Gräber, indem man vom Haupteingang geradeaus zu den Alten Arkaden und auf dem Hauptweg in südlicher Richtung – also nach schräg links – am Waldfriedhof vorbei bis zu einem Mahnmal weitergeht. Dort folgt man den Schildern "Ehrenhain" nach Südosten, bis man bei den Prominentengräbern ankommt. Übrigens handelt es sich bei den dortigen rund 170 Grabstätten durchwegs um "ehrenhalber gewidmete" Gräber, was bedeutet, dass die Miete von der Stadt Wien auf Friedhofsdauer übernommen wird – für die Pflege müssen die Angehörigen aber selber sorgen.
"Wien is anders", heißt es bekanntlich - stimmt, Wien ist aber auch groß und bunt: Die Wienerinnen und Wiener stammten schon zur Entstehungszeit des Zentralfriedhofs vielfach aus "aller Herren Länder" der damaligen Donaumonarchie und brachten teils auch ihre Religionen mit in die Stadt. Dementsprechend gibt es auf den 250 Hektar des "Zentral" zahlreiche konfessionelle Unterteilungen: von der buddhistischen Gruppe über jene der muslimischen Ägypter bis zum neuen jüdischen Friedhof.
Aber auch einen eigenen evangelischen Friedhof gibt es, nämlich an der Ostseite vom "Zentral" und damit nur zwei Steinwürfe vom Ehrenhain entfernt. Der evangelische Friedhof Simmering ist genauer gesagt ein eigenständiger Friedhof am Gelände des Zentralfriedhofs, denn er wird nicht von der Stadtverwaltung, sondern von einem eigenen Friedhofsausschuss der evangelischen Gemeinden A. B. und H. B. verwaltet.

- Die Heilandskirche wirkt durch ihren aufs Wesentliche reduzierten gotischen Charakter eher unaufdringlich.
- Foto: Nicole Kawan
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Die Heilandskirche mit dem charakteristischen grünen Dach ist einen Besuch wert, genauso wie die von Ignaz Reiser entworfene und 1928 fertiggestellte Zeremonienhalle am neuen jüdischen Friedhof, der gleich dahinter liegt: Der 241.626 Quadratmeter große Friedhofsteil wurde 1916 eingerichtet, nachdem die jüdische Abteilung am Tor 1 zu klein geworden war. Bis heute fanden hier 60.000 Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde ihre letzte Ruhestätte.
Weiter geht's zur Gräbergruppe 25, dort gibt es nur muslimische Gräber: Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts werden Muslime bereits auf dem Zentralfriedhof bestattet, Mitte der 1970er Jahre wurde die erste islamische Abteilung errichtet. Alle Gräber sind – unabhängig vom Verlauf der Gehwege – nach der vom Koran vorgeschriebenen Gebetsrichtung Qibla, also gen Mekka, ausgerichtet.
Nusssackerl mitnehmen!
Die nächste Station ist der in Richtung Westen gelegene "Park der Ruhe und Kraft", der seinem Namen alle Ehre macht: Wer Nüsse, Körner oder ähnliches Eichhörnchenfutter im Wanderrucksack hat, bekommt in der Ruhe des Parks sicher Gelegenheit es loszuwerden und damit den possierlichen Tierchen neue Kraft zu verleihen. An der russisch-orthodoxen Kirche mit ihrem charakteristischen goldenen Kreuz vorbei geht es zur Aufbahrungshalle 1, wo es auch ein WC gibt, und weiter durch die Alten Arkaden hindurch. Über die Hauptpromenade erreicht man nun den Höhepunkt dieser Friedhofswanderung: die Präsidentengruft vor der weithin sichtbaren Karl-Borromäus-Kirche, die im Volksmund Luegerkirche genannt wird.

- Eichhörnchen gibt es am gesamten Zentralfriedhof - im "Park der Ruhe und Kraft" fressen sie fütternden Friedhofsbesuchern aber aus der Hand.
- Foto: Nicole Kawan
- hochgeladen von Mathias Kautzky
In einem weiten Halbkreis sind hier von Karl Renner über Rudolf Kirchschläger bis Thomas Klestil alle verstorbenen Bundespräsidenten ab 1945 begraben. Aber auch Wiens früherer Bürgermeister Helmut Zilk liegt hier, genauso wie Altbundeskanzler Bruno Kreisky. Die Gräbergruppen rings um die Präsidentengruft stehen bei der Prominenz generell hoch im Kurs: So findet man in der unmittelbaren Nachbarschaft in der Gruppe 32A etwa Johann Nestroy und Carl Ritter von Ghega, den Erbauer der Semmeringbahn. Aber auch die Komponisten Johann Strauß Vater und Johann Strauß Sohn, Johannes Brahms, Franz Schubert, Ludwig van Beethoven, Franz von Suppé, Karl Millöcker, Eduard Strauß und Josef Strauß ruhen dort in durchwegs prächtigen Gräbern.
Auch in der Gruppe 32C geht's promimäßig richtig rund, liegt dort doch Hans Moser neben Bildhauer Fritz Wotruba, Kabarettist Karl Farkas und den Künstlern Albert Paris Gütersloh, Franz Werfel, Theo Lingen und Paul Hörbiger. Schauspieler Curd Jürgens, der ebenfalls dort ruht, wurde 1982 übrigens im ersten – und bisher einzigen – Nachtbegräbnis in der Geschichte des Zentralfriedhofs beerdigt: Während rund 3.000 Fans am Grab versammelt waren, flogen auch noch Flugzeuge des Bundesheeres in einer Ehrenformation darüber hinweg.

- Curd Jürgens war fünfmal verheiratet: zuerst mit den Schauspielerinnen Lulu Basler (1938), Judith Holzmeister (1947) und Eva Bartok (1955), später mit dem Mannequin Simone Bicheron (1958) und schließlich ab 1978 mit Margie Schmitz.
- Foto: Peter Markl
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Udo!
Vom Stellenwert, den ein anderer Prominenter auch nach seinem Tod innehat, kann man sich dann am Ehrengrab von Udo Jürgens (Gruppe 33G, Grab 46) persönlich überzeugen: Das sechs Tonnen schwere stilisierte Klavier aus Laaser Marmor, das nach seinem Tod 2014 von Jürgens' Bruder Manfred Bockelmann entworfen wurde, wird von den Fans Tag für Tag mit frischen Blumen, Kerzen und anderen Devotionalien geschmückt.
Ihr seid das Notenblatt,
das für mich alles war,
ich lass Euch alles -
ich lass Euch alles da
steht auf Udo Jürgens' Grab geschrieben: Die Verehrung, die der Sänger bei seinen Fans genoss, war also keineswegs einseitig: "Ich weiß ganz genau, wem ich das alles verdanke", hat der Schöpfer Hunderter Hits bei vielen Gelegenheiten betont.

- Udo Jürgens' Markenzeichen war sein weißes Klavier: Der von seinem Bruder Manfred Bockelmann entworfene Grabstein erinnert daran.
- Foto: Franz Leitner
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Nicht nur Udo Jürgens' Grabstein in Klavierform, sondern Gräber und Grabsteine vieler Prominenter erinnern an das Leben der Verstorbenen: So ist das opulente Grab Falcos einer CD nachempfunden, samt davor stehender Bank für das verehrte Publikum. Das Grab von Architekt Adolf Loos wiederum (Gruppe 0, Reihe 1, Grab 105), der für schmucklose und auf das Wesentliche reduzierte Bauten berühmt wurde, wird von einem ebenso schmucklosen Steinwürfel geziert. Auf Matthias' Sindelars Ruhestätte (Gruppe 12B, Reihe 3, Grab 11) wartet hingegen ein irdener Fußball auf den Anstoß im Jenseits.

- Die Karl-Borromäus-Kirche - im Volksmund wird sie Luegerkirche genannt - ist die wohl bekannteste und schönste Jugendstilkirche Wiens.
- Foto: Lieselotte Fleck
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Die unter Denkmalschutz stehende Karl-Borromäus-Kirche wurde 1911 im Jugendstil fertiggebaut, weist aber auch Elemente ägyptischer Baukunst auf - und gestalterische Parallelen zu der von Otto Wagner entworfenen Kirche am Steinhof. Übrigens sind an den Zifferblättern der Turmuhren Zahlen anstatt Buchstaben angebracht, die – im Uhrzeigersinn von 1 bis 11 gelesen – den lateinischen Satz "tempus fugit" ("die Zeit flieht") ergeben. Die Oberkirche befindet sich rund drei Meter über dem Niveau des Friedhofs und kann über Freitreppen erreicht werden. Darunter befindet sich die als Gruftanlage dienende Unterkirche.
Rehe, Füchse und Eulen
In südwestlicher Richtung marschiert man nun über die Hauptallee (und an einem WC vorbei) weiter bis zum Kriegerdenkmal für die Opfer des Ersten Weltkrieges, um das die dazugehörigen Gräber kreisförmig angeordnet sind. Hier wird das Gelände deutlich weiter und es wird ruhiger am Zentralfriedhof. Da sind die Chancen, einige der Tiere beobachten zu können, die hier einen geschützten Lebensraum vorfinden und sich auch deshalb prächtig vermehren - darunter nicht nur Rehe, sondern auch Füchse, Dachse, Hasen, Igel und Eichhörnchen, aber auch Uhus und Eulen genauso wie Falken und Bussarde. Übrigens wurde den Tieren am "Zentral" einst sogar eine eigene Universum-Fernsehdoku gewidmet.

- Die Rehe vom Zentralfriedhof sind meist gar nicht scheu, weil sie genau wissen, dass sie von den Friedhofsbesuchern nichts zu befürchten haben. Aus der Hand fressen sie aber nicht - das machen hier nur die Eichhörnchen.
- Foto: Nicole Kawan
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An der Mauer und damit an der dahinter liegenden Mylius-Bluntschli-Straße und am Klederinger Zentralverschiebebahnhof entlang geht es nun in nördlicher Richtung - also nach rechts - weiter bis zu den buddhistischen Gräbergruppen 48A und 48B: Der Eingangsbereich in Form eines eckigen Durchgangs führt direkt zur Stupa. Tipp für Selfie-Fetischisten: Wer sich in den Eingangsdurchgang stellt, kann mit der Stupa im Hintergrund beeindruckende fotografische Ergebnisse erzielen.
In nördlicher Richtung geht es nun zum alten jüdischen Friedhof, wo sofort die vielen kleinen Steine auf den Grabsteinen auffallen, die auch auf den Gräbern von Arthur Schnitzler, Friedrich Torberg, Gerhard Bronner und Viktor Frankl liegen. Sie ersetzen etwa Blumen und Kerzen - legt man doch auf jüdischen Gräbern keinen Blumenschmuck, sondern Steine ab. Diese Sitte ist kein Ritual der Religion und auch nicht in den jüdischen Schriften zu finden, sondern vielmehr ein uralter Brauch.
Er stammt aus der biblischen Zeit, in der Juden auf der Flucht aus Ägypten durch die Wüste zogen, denn dort gab es keine Blumen und Grabsteine. Wenn jemand gestorben war, brachten die Angehörigen zur Bestattung kleine Steine mit und schichteten sie auf dem Grab auf: Damit schützten sie den Leichnam vor wilden Tieren. Auf jüdischen Friedhöfen geht es aber auch um Gleichheit: Niemand soll nach dem Tod durch übertriebenen Blumenschmuck über die anderen gestellt werden.

- Wer am alten jüdischen Friedhof genau hinschaut, kann die vielen kleinen Steine auf den Grabsteinen erkennen.
- Foto: Sonja Hochfellner
- hochgeladen von Mathias Kautzky
Nach rund fünf Kilometern und etwa zwei Stunden Wanderzeit erreicht man nun wieder das Tor 2 und damit den Haupteingang des Zentralfriedhofs. Bei seiner Eröffnung 1874 war der "Zentral" mit 2,5 Millionen Quadratmetern - er ist damit halb so groß wie die Stadt Zürich - übrigens der flächenmäßig größte Friedhof Europas. Nach der Anzahl der Verstorbenen und mit rund 300.000 Gräbern ist er das auch heute noch.
Warum er so gigantische Ausmaße hat, ist leicht erklärt: Zur Zeit seiner Planung ging man davon aus, dass sich Wien bis Ende des 20. Jahrhunderts zu einer Metropole von rund vier Millionen Einwohnern entwickeln würde. Seine Lage am Wiener Stadtrand in Simmering erklärt sich wiederum dadurch, dass "der vorherrschende Lössboden den Verwesungsprozess im Vergleich zu anderen Bodenarten beschleunigt und sich so die Gefahr Ausbreitung und Verschleppung epidemischer Krankheiten aus dem Friedhof verringere", wie eine Studie aus dem 19. Jahrhundert beschrieb.
"Komm süßer Tod" heißt nicht nur ein österreichischer Kinofilm: Auch das bittersüße Verhältnis der Wiener zum Jenseits kann man damit glänzend beschreiben. So ist es kein Wunder, dass es beim Eingang des Zentralfriedhofs auch seit einigen Jahren eine Filiale der "Konditorei Oberlaa" gibt: Dort kann man nach dem Besuch der Gräber der lieben Verstorbenen beim Genuss etwa eines Punschkrapfens, dem unzweifelhaft wienerischsten aller Patisserieerzeugnisse, sinnierend verweilen.
Zurück nach Hause geht's wieder mit dem 71er, aber keine Sorge: Wer dort einsteigt, muss deshalb noch lange nicht "a Bankl reißen" oder gar "die Patschen strecken."
Für Kinder geeignet: ja (für Hunde nicht)
Wegstrecke: rund 5 Kilometer
Gehzeit: etwa 2 Stunden
Start und Ziel: Tor 2/Simmeringer Hauptstraße, Straßenbahnlinie 71 bis "Tor 2", es gibt auch kostenpflichtige Autoparkplätze
Mehr Infos über die Sehenswürdigkeiten am "Zentral" gibt es hier
Einen Übersichtsplan gibt es hier
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