„In einer kleinen Konditorei …“
Die untenstehende Textzeile des alten Schlagers passt genau auf die Konditorei Heinrich, die sich in der Zwischenkriegszeit auf Nummer 70 in der Simmeringer Hauptstraße befand.
(leban). „So klein war das Geschäft eigentlich gar nicht“, weiß Konditors-Tochter Elsa Metzger, rüstige Mittneunzigerin, zu erzählen: „Links stand die Vitrine mit den Mehlspeisen und Backwaren, rechts die Tische für die Gäste. Bei Schönwetter konnte man auch im Hof sitzen.“ Hinter dem Geschäfts- und Gastraum erstreckte sich die Backstube.
Der Besitzer
Konditormeister Siegfried Heinrich wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Sohn einer jüdischen Weißnäherin geboren und stammte aus armen Verhältnissen. Er absolvierte eine Bäckerlehre, legte die Meisterprüfung ab und führte anfangs sein Geschäft in der Simmeringer Hauptstraße 108c, später in der Hauptstraße 70 bei der Neusimmeringer Pfarrkirche. Heute befindet sich an dieser Stelle der Rondonell-Hof. Heinrich heiratete zweimal und hatte eine große Kinderschar.
Gemma, gemma, gemma!
Seine Konditorei lockte viele Gäste an, in der Backstube ging es stets geschäftig zu. „Gemma, gemma, gemma – wir brauchen die Windringe!“ Frau Metzger erzählt so lebendig aus ihrer Kindheit, da scheint es, als wäre man Augenzeuge: „Der Jauntschi hat geheizt, was es Platz gehabt hat, damit sie schneller Windringe fertig haben. Wie die Ware dann ins Geschäft gekommen ist, hat sich herausgestellt, dass die Windringe zwar außen fest waren, aber innen nicht. Da hat mein Vater einen Wirbel gemacht.“ Dann gab’s da auch noch den Gaul Nazl, der den Lieferwagen der Firma mit einem PS zog und von allein wusste, wo auf der Tour angehalten werden musste …
Rote Falken und Kirche
Ins Schwärmen gerät die Konditors-Tochter, wenn sie sich an ihren Vater erinnert und ihre Augen beginnen zu leuchten: „Siegfried Heinrich war stets bedacht, zu helfen. In den 1930er Jahren haben oft zehn, elf Kinder von arbeitlosen Familien bei uns gegessen. Niemand, der um Hilfe gebeten hat, egal welcher Richtung oder Farbgebung, ist umsonst gekommen. Mein Vater hat die roten Falken, die Kirche oder wo immer Kinder in Not waren, unterstützt“. 1938 wurde Siegfried Heinrich enteignet und es brach auch für seine Familie eine Zeit des Grauens an.
Zeithistoriker Prof. Herbert Exenberger dokumentierte im Buch „Gleich dem kleinen Häuflein der Makkabäer. Die jüdische Gemeinde in Simmering 1848 bis 1945“ auch das Schicksal der Heinrichs.
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