Mordrohungen
"Man lebt in ständiger Angst"
Frau aus dem Bezirk Braunau erhält ständig Morddrohungen. Ihr Freund aus dem Bezirk Schärding wird ebenfalls bedroht.
BEZIRK (red). Nadine* führt eigentlich ein tolles Leben. Guter Job, drei wunderbare Kids, ein Lebensgefährte und ein bester Freund noch dazu. Doch plötzlich ändert sich alles. Der "beste Freund" ist ein verschmähter Liebhaber. Und er beginnt, sie mit ständigen Botschaften zu bombardieren.
Psychoterror an Opfern
"Man lebt in ständiger Angst. Ein normales Leben ist eigentlich nicht mehr möglich", erzählt Nadine der BezirksRundschau. Anfang Juli hat der Terror begonnen: Nadine war mit ihrem Freund Klaus* – der aus dem Bezirk Schärding stammt – und den Kindern auf Urlaub. Bei ihrer Rückkehr entdeckte das Paar drei Briefe im Postkasten. "Alle drei enthielten Drohungen gegen mich und meinen Vater", berichtet Klaus. "Darüber hinaus hat mich der Täter vor meiner Freundin gewarnt." Kurze Zeit später erhielt auch Nadine immer wieder Nachrichten, die entweder Vergewaltigungs- oder Morddrohungen enthielten. Die Botschaften bekam sie via Handy, beziehungsweise fand sie auch immer wieder Zettel an der Windschutzscheibe ihres Wagens. Das Paar informierte umgehend die Polizei, die auch sofort zu handeln begann. "Die Auswertungen laufen noch. Es wurde zur Anzeige gebracht und wir ermitteln", so der zuständige Beamte. Nadine und Klaus sind zwar sehr froh über die Hilfe der Justiz, doch fühlen sie sich manchmal auch ein wenig im Stich gelassen. Als der Täter Anfang August ein Treffen mit Nadine forderte, ließ sie sich, nach Absprache mit der Polizei, auf diesen Wunsch ein. Das gesamte Gespräch zwischen Täter und Opfer wurde von den Beamten via Telefon mitverfolgt.
"Obwohl der Peiniger meiner Freundin während des Gesprächs immer wieder Morddrohungen ihr gegenüber aussprach, informierten uns die Polizisten darüber, dass diese mitgehörten Drohungen als Beweis vor Gericht nicht zulässig seien."
"Obwohl der Peiniger meiner Freundin während des Gesprächs immer wieder Morddrohungen ihr gegenüber aussprach, informierten uns die Polizisten darüber, dass diese mitgehörten Drohungen als Beweis vor Gericht nicht zulässig seien", erzählt Klaus aufgebracht. "Wir sind der Polizei wirklich sehr dankbar für ihre Hilfe. Aber manchmal würden wir uns ein bisschen mehr Verständnis und Initiative wünschen." Auch die Staatsanwaltschaft Ried arbeitet bereits an dem Fall. Derzeit wird aber auf das Ergebnis von Schriftproben der Drohbriefe gewartet. Zwar weiß das Paar ganz genau, wer hinter den Attacken steckt, doch für die Justiz fehlt es bislang noch an ausreichend Beweisen.
Machtgefühl bei Tätern
Josef Landerl ist Leiter der Initiative "NEUSTART OÖ" in Ried, die Bewährungshilfe anbietet. "Dem Täter geht es beim Stalking um Machtausübung. Er kann und will das Opfer nicht loslassen", berichtet er. Oftmals leiden die Täter unter massiven Bindungsstörungen, die aus dem sozialen Umfeld, wie der Familie, stammen. Laut Landerl sei es deshalb äußerst wichtig, den Täter therapeutisch zu behandeln und die Hintergründe seiner Taten zu beleuchten. "Sobald wir von der Staatsanwaltschaft die Akten zu dem jeweiligen Fall bekommen, nehmen wir innerhalb von ein paar Tagen Kontakt zum Opfer auf," so der Experte. Anschließend wird mit Tätern und Opfern das Geschehene aufgearbeitet. Wobei die Täter zur Bewährungshilfe verpflichtet sind, die Opfer hingegen freiwillig eine Therapie in Anspruch nehmen können. "Täter und Opfer müssen unbedingt getrennt werden und nicht mehr in Kontakt treten", rät Landerl.
*Die Namen der Opfer wurden von der Redaktion geändert
Das sagt Nadine*
Nadine*, wie lange werden Sie schon terrorisiert?
Das alles begann Mitte Juli. Anfang Juli erhielt mein Lebensgefährte die ersten Briefe, in denen er bedroht wurde. Kurz darauf bekam auch ich die ersten SMS zugeschickt.
Sie kennen Ihren Peiniger persönlich. Hätten Sie sich das je von ihm gedacht?
Nein, davon bin ich nie ausgegangen.
Sucht man den Fehler irgendwann auch bei sich selbst? Macht man sich Vorwürfe, etwas falsch gemacht zu haben?
Vorwürfe habe ich mir eigentlich nie gemacht. Es ist halt einfach eine extrem unangenehme Situation.
Ist ein "normales" Leben noch möglich?
Nein. Man hat ständig Angst. Wenn ich mit dem Auto wo hinfahre, schaue ich ständig in den Rückspiegel.
Wissen Ihre Kinder über den Terror Bescheid?
Da meine Kinder den Täter auch kennen, haben wir ihnen erklärt, dass sie nicht mit ihm reden sollen und, falls sie mal alleine zuhause sind, auf gar keinen Fall die Türe aufmachen sollen!
Sie treffen sich jetzt mit Ihrem Stalker. Wie geht es Ihnen dabei?
Beim letzten Mal war ich nervöser. Langsam wird das ja zur Routine für mich und Klaus.
Was wünschen Sie sich für die nahe Zukunft?
Dass dieser Horror bald ein Ende hat. Ich halte das nicht mehr lange durch.
Das sagt Klaus*
Klaus*, wie ist die aktuelle Lage?
Der Mann hat wieder einen Brief an die Haustür gehängt. Wir konnten ihn eindeutig auf der Überwachungskamera festhalten. Leider hat diesen Brief der Sohn meiner Lebensgefährtin gefunden und gelesen. Der ist total aus dem Häuschen.
Und was sagt die Polizei dazu?
Die Polizei hat ihn vorübergehend festgenommen, aber nach drei Stunden wieder frei gelassen, weil er alles abstreitet. Zwar hat er zumindest ein Betretungsverbot aufgebrummt bekommen, aber die Briefe mit Drohungen und sexueller Nötigung gehen weiter.
Wie gehen Sie damit um?
Wir reden sehr viel darüber und versuchen auch selber viel dazu beizutragen, Beweise zu sammeln. Momentan ist eine normale Beziehung zu führen aber unmöglich.
Was wünschen Sie sich?
Dass die Staatsanwaltschaft hier schneller ermittelt. Die Auswertung der Briefe kann angeblich Monate dauern. Muss wirklich erst etwas Größeres passieren, bevor etwas unternommen wird? Man hat das Gefühl, alleine gelassen zu werden. Was ist los mit unserem Rechtsstaat? Wieviele Beweise braucht es noch?
Wie glauben Sie, ist dem Stalker überhaupt beizukommen?
Wir gehen mit dieser Geschichte auch deshalb an die Öffentlichkeit, um den Prozess zu beschleunigen – und andere Betroffene zu ermutigen. Und natürlich soll dadurch auch die Öffentlichkeit wachgerüttelt werden.
Im Fall des Falles
• Das Wort "Stalking" kommt aus dem Englischen und wird laut Duden als "jemandem auflauern und ihn terrorisieren" definiert.
• Mit den Handlungen wie Drohbriefen, Anrufen, Nachrichten und weiteren übt der Täter Macht über das Opfer aus.
• Sobald man das Gefühl hat, einem Stalker zum Opfer gefallen zu sein, sollte man sich umgehend an die nächste Polizeiinspektion wenden.
• Gegenüberstellungen zwischen Täter und Opfer unbedingt vermeiden: KEINE Treffen mit dem Täter.
• Bei Stalking via Smartphone rät die Polizei, umgehend die Nummer zu blockieren.
• "Stalking" wird laut dem österreichischen Strafgesetzbuch auch als "Beharrliche Verfolgung" bezeichnet und wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren beziehungsweise einer Geldstrafe bestraft.
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