Doris Jobst
"Diagnose Krebs katapuliert Betroffene aus ihrem Alltag heraus"

- Doris Jobst ist Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin. Sie berät bei der Krebshilfe Schärding.
- Foto: Jobst
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Klinische Psychologin Doris Jobst ist Beraterin der Krebshilfe, die nun eigenen Standort in Schärding hat.
SCHÄRDING. Im Interview spricht Jobst über Sorgen und Fragen von Krebspatienten und ihren Angehörigen.
Bislang wurde die Beratungsstelle der Krebshilfe Schärding in Ried mitbetreut. Nun gibt es einen eigenen Standort in Schärding. Wie wichtig ist dieses regionalere Angebot?
Es war immer ein Grundsatz der Krebshilfe Oberösterreich so regional wie möglich die Beratungen anzubieten. Seit Beginn meiner Tätigkeit bemerke ich die Wichtigkeit der regionalen Anlaufstelle. Die Nachfragen seitens Patienten und deren Angehörigen in Schärding wächst. Auch das Interesse der (Haus-)Ärzte und Kollegen bezüglich Weitervermittlung ist vermehrt spürbar.
Auf wie viele Beratungen stellen Sie sich ein?
Momentan bin ich circa zwei halbe Tage in der Woche für die Krebshilfe tätig. Wie sich der Bedarf weiterentwickelt, ist noch nicht vorhersehbar.
In welchen Phasen einer Krebserkrankung wenden sich Patienten an die Krebshilfe und mit welchen Themen?
Die Patienten kommen in den unterschiedlichen Krankheitsphasen. Natürlich ist die Diagnose oft der Auslöser, nach Hilfe zu suchen. Besonders belastend ist die Therapiephase – hier wird Zuspruch für die schwierige Zeit benötigt. Doch nicht nur Sorgen um die eigene Gesundheit belasten Betroffene, sondern auch um die Familie. Oft gehen mit einer Krebserkrankung Fragen um die Berufstätigkeit und die finanzielle Situation einher. Sehr unterschätzt wird die Zeit der Rückkehr ins „normale“ Leben nach erfolgreicher Therapie.
Warum?
Die Angst, erneut zu erkranken ist ein vorrangiges Thema oder Überforderung mit dem Alltag. Beruf, Haushalt, Kinderbetreuung und vieles mehr wieder zu stemmen, obwohl Körper und Psyche noch nicht so weit sind.
Gibt es Charaktere, die eher für Beratung und Hilfsangebote offen sind?
Natürlich nimmt nicht jeder oder jede Hilfe an. Entweder unterstützen Familie und Freunde in dieser Situation oder man ist es gewohnt, „alles alleine zu schaffen“. Trotz allem erscheint es mir für alle Patienten sinnvoll, die eigene Situation in einem neutralen Beratungssetting zu analysieren. Auch wenn man psychisch stabil ist, hilft es zu reflektieren, wie man die Zeit erlebt hat oder ob eigene Werte, Prioritäten und Ansprüche wie früher weitergelebt oder neu überdacht werden wollen. Ziel ist, Betroffene dabei zu unterstützen, bestmöglich mit der Situation zurecht und wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Wie hat die Corona-Pandemie Krebspatienten beeinflusst?
Die Zeit der Pandemie war und ist für Krebspatienten sicherlich schwierig. Alle, die im letzten Halbjahr eine Behandlung hatten, zählen zur Gruppe der Risikopatienten. Das hat zu zusätzlicher Verunsicherung geführt. Natürlich wurden alle notwendigen Behandlungen durchgeführt – hier gab es keinen Aufschub.
Welche psychische Belastung bedeutet Krebs und wie kommen Patienten mit Prognosen zurecht?
Durch eine Krebsdiagnose wird man plötzlich mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert und aus dem normalen Alltag heraus katapultiert. Die Frage, ob Wahrscheinlichkeiten helfen oder schaden, hängt von der eigenen Einstellung ab – ob ich ein Glas halb voll oder halb leer sehe. Aber natürlich ist es beruhigender, wenn ich weiß, dass zum Beispiel Prostatakrebs zu 91 Prozent und Brustkrebs zu 87 Prozent geheilt werden kann (Daten der Statistik Austria).
Wie erreichen Sie Patienten, bei denen die Erkrankung nicht mehr heilbar ist?
Die Auseinandersetzung mit der finalen Phase kann besonders schwierig sein. Es kommt vor, dass der Patient seinen Tod schon akzeptiert hat, aber Angehörige noch völlig überfordert sind. Oftmals können aber auch Patienten schwer loslassen. Hier ist entscheidend, wie Gespräche geführt werden. Es kann eine Erleichterung sein, ehrliche und klare Worte zu finden. Betroffenen sollen wissen, dass sie auch in der palliativen Situation das Recht und die Möglichkeit haben, mitzuentscheiden.
Auch Angehörige können Ihre Beratung in Anspruch nehmen.
Die Krankheit betrifft nicht nur Patienten, sondern auch ihr Umfeld. Eine Krebsdiagnose löst bei Angehörigen und Freunden oft Unsicherheit aus: Was darf ich sagen oder fragen? Wie soll ich mit dem oder der Erkrankten umgehen? Wie kann ich unterstützen? Diese Fragen können in Beratungen besprochen werden.
Warum haben Sie Psychologie studiert und wie sind Sie auf den Beruf Gesundheitspsychologin gekommen?
Ich habe Psychologie studiert, da ich mich schon immer für das Verhalten und Erleben von Menschen interessiert habe und wie sich jemand unter welchen Gegebenheiten entwickelt. Ich höre den Menschen gerne zu und es ist mir ein Anliegen, mich um ihr Seelenheil zu kümmern. Ich bin sehr dankbar, wenn Menschen mir ihre Ängste und Sorgen anvertrauen – das ist für mich nicht selbstverständlich. Mein Anliegen ist, Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen, die eigenen Ressourcen wieder zu entdecken und diese zu nutzen.
Als Gesundheitspsychologin ist mir natürlich Prävention sehr wichtig und die damit verbundenen gesundheitsfördernden Maßnahmen. Im Falle einer Krebserkrankung soll nicht immer die Krankheit im Fokus stehen, sondern wünschenswert wäre, dem Leben trotzdem mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Speziell Krebspatienten sollen ein Handwerkszeug dafür bekommen, wie sie die eigenen gesunden Anteile, welche jeder von uns hat – egal wie krank oder gesund jemand ist – fördern oder ausbauen können, damit die Krankheit nicht überhand nimmt.
Führt die ständige Konfrontation mit Krankheitsgeschichten von Patienten dazu, dass Sie sich selbst anders oder mehr mit Ihrer Gesundheit auseinandersetzen?
Gesundheit ist für mich sicherlich ein großes Thema. Ich versuche, mit einem bewussten Lebensstil (Ernährung, Bewegung, Entspannung, besondere Beziehungen) einen positiven Einfluss auf meine Gesundheit zu nehmen. Natürlich gehören für mich auch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen dazu, die mir Sicherheit geben, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Hat sich dadurch Ihre Einstellung zum Leben oder zum Tod verändert?
Mit dem Thema Sterben und Tod habe ich mich in Form eines Lehrganges sehr intensiv auseinander gesetzt und somit auch mit meiner eigenen Endlichkeit. Diese Auseinandersetzung war für mich eine wichtige Erfahrung, die mir auch in der Sterbebegleitung weitergeholfen hat. Aber natürlich berühren mich die Schicksale meiner Patienten und es ist für wichtig, auch meine eigenen Gedanken und Gefühle in Form einer Supervision zu reflektieren. Mit der Frage, was wirklich wichtig ist im Leben, konfrontiere ich mich seit meiner Arbeit mit onkologischen Patienten sicherlich häufiger als früher.
Krebshilfe Schärding:
Alfred-Kubin-Str. 9a-c, im FIM
Termine telefonisch 0664 / 44 66 334 oder per Mail:
Beratung-schaerding@krebshilfe-ooe.at
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